Die Steuerberaterkammer Niedersachsen, ein Selbstverwaltungsorgan für etwa 7500 Steuerberater in Niedersachsen, hat kürzlich eine turbulente Sitzung erlebt. In der Hauptversammlung wurde dem bisherigen Vorstand unter Carsten Fischer (Syke) die Entlastung verweigert. Vorausgegangen war eine teilweise heftige Debatte darüber, ob Vorstandsmitglieder unberechtigt hohe Vergütungen (Kostenersatz und Aufwandsentschädigungen) kassiert haben. In einer Kampfabstimmung trat Fischer dann erneut an, wurde aber von seinem Gegenkandidaten geschlagen, dem CDU-Bundestagsabgeordneten Fritz Güntzler (Göttingen).

Die Versammlung, die sich über achteinhalb Stunden hingezogen haben soll, hat nun unter den Steuerberatern in Niedersachsen Nachwirkungen. Es wurde eine Kommission eingesetzt, die prüfen soll, wie die finanziellen Entschädigungsregelungen für die ehrenamtlichen Vorstandsmitglieder transparenter und nachvollziehbar gestaltet werden können, damit gar nicht erst der Verdacht auf eine Selbstbedienungsmentalität entsteht.

Es geht um eine zu hohe Vergütung für Vorstandstätigkeiten. – Foto: LIgorko

Wie das Politikjournal Rundblick erfahren hat, ist für die Aufwandsvergütungen der Vorstandsmitglieder jährlich eine Summe von bis zu 450.000 Euro abgerechnet worden. Die Steuerberaterkammer ist ein Selbstverwaltungsorgan, das im staatlichen Auftrag die Steuerberater beruft oder auch die Lizenz entziehen kann. Sie wacht über die Einhaltung der Berufspflichten der Steuerberater, führt das Berufsregister, kümmert sich um die Ausbildungsrichtlinien und vertritt auch die Interessen des Berufsstandes gegenüber der Politik. Bei vielen Tätigkeiten unterliegt die Kammer der Rechtsaufsicht des Finanzministeriums.

Vorstandsmitglieder bekamen 40-70.000 Euro Aufwandsentschädigung pro Jahr

Alle Steuerberater sind verpflichtet, Mitglied in der Kammer zu sein, das gilt für natürliche und juristische Personen. Ein Kammerbeitrag je Mitglied von rund 400 Euro wird erhoben. Aus diesen Beiträgen finanziert die Kammer auch die Beträge, die als Vergütung für ihre ehrenamtlichen Vertreter gezahlt werden. Umstritten ist nun die Frage, ob die gesetzlich vorgeschriebene Aufwandsentschädigung als Anerkennungsbetrag für die Arbeit der Berater anzusehen ist oder als Verdienstausfall – zumal ehrenamtliche Arbeit Zeit kostet, die von den Beratern nicht für ihre eigentliche Beratungstätigkeit verwendet werden kann. Einzelne Vorstandsmitglieder sollen 40.000 Euro jährlich angegeben haben, andere bis zu 70.000 Euro.

Es zeigt sich an diesem Fall, wie der alte Vorstand die Situation wesentlich verschlimmert hat, indem er nicht bereit war zu einer offenen und selbstkritischen Aufarbeitung.

Teilnehmer der Hauptversammlung berichten, dass es wegen der Meinungsverschiedenheiten über die rechtliche Zulässigkeit der Vergütungsregeln zu einem Zerwürfnis im alten Vorstand gekommen war. Drei Mitglieder, darunter zwei Vizepräsidenten, traten zurück. Es wurde ein Rechtsgutachten angefordert bei der hannoverschen Anwältin Uta Rüping, im Nebenamt Vizepräsidentin des Staatsgerichtshofs. Sie soll Ende 2018 zu dem Schluss gekommen sein, dass die Vergütungen der Höhe nach nicht angemessen gewesen sein sollen. Dem alten Vorstand wurde später vorgehalten, das Gutachten unter Verschluss gehalten zu haben. Den Rechnungsprüfern, die vor der Hauptversammlung die Finanzen des Verbandes prüfen sollten und Einsicht in das Rüping-Gutachten forderten, soll das vom Vorstand zunächst verweigert worden sein. Erst als daraufhin das Finanzministerium eingeschaltet wurde, heißt es, sei das Papier dann herausgegeben worden. Der hannoversche Steuerberater und Hochschulprofessor Stefan Homburg, der in der Versammlung als einer derjenigen bestimmt wurde, die das Vergütungssystem überarbeiten sollen, sagte dem Rundblick: „Es zeigt sich an diesem Fall, wie der alte Vorstand die Situation wesentlich verschlimmert hat, indem er nicht bereit war zu einer offenen und selbstkritischen Aufarbeitung.“

Der bisherige Präsident Fischer hat gestern auf eine Rundblick-Anfrage zu den Vorfällen nicht reagiert. Der Sprecher des Finanzministeriums teilte mit, man habe keine Kompetenz, wirtschaftliche Entscheidungen der Kammer zu beanstanden oder aufzuheben. Es gehe ausschließlich darum, die Einhaltung der Vorschriften zu überprüfen – und hier habe man keinen Anlass gesehen, einzugreifen.


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