Obwohl es dem Kultusministerium auch in diesem Schuljahr wieder gelungen ist, mehr neue Lehrer für den Schuldienst zu verpflichten, als im selben Zeitraum in den Ruhestand gewechselt sind, ist die Unterrichtsversorgung zuletzt erneut gesunken. Zum Stichtag am 8. September 2022 betrug dieser rechnerische Wert nur noch 96,3 Prozent und liegt damit noch einmal 1,1 Prozentpunkte unterhalb des Vorjahreswertes. So gering war die Unterrichtsversorgung in Niedersachsen seit der Erhebung dieser Quote vor rund 20 Jahren noch nie.

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Kultusministerin Julia Hamburg (Grüne) erklärt die sich verschlechternde Unterrichtsversorgung mit wachsenden Schülerzahlen und dem Anstieg der Zusatzbedarfe. Die Lehrerzahlen stiegen zwar leicht an, doch die Soll-Zahl erhöhe sich ebenfalls. Hätte die Landesregierung nichts unternommen, sähe die Zahl aber noch deutlich schlechter aus, sagte die Ministerin und rechnete vor, dass die Unterrichtsversorgung ohne einen Zuwachs der Lehrerzahlen um fünf Prozentpunkte gesunken wäre. Um drei Prozentpunkte wäre sie allein deshalb gesunken, weil mehr Schüler am Unterricht teilnehmen. Dass mehr Lehrerinnen schwanger geworden sind, in Elternzeit gingen oder Lehrkräfte längerfristig erkrankten, verringere die Quote um 0,7 Prozentpunkte. Die Entlastung der Grundschulleitungen ziehe weitere 0,4 Prozentpunkte ab und die Inklusion, der Ganztag und andere Zusatzaufgaben mache noch einmal ein Minus von 0,4 Prozentpunkten aus, so Hamburg.

Ins neue Schulhalbjahr startet das Land mit 946 neuen Lehrkräften

Der Lehrermangel verteilt sich derweil nicht über alle Schulformen in gleicher Weise. Die beste Unterrichtsversorgung gibt es laut Statistik an den Grundschulen mit 98,8 Prozent, gefolgt von den Gymnasien mit 98,2 Prozent. Das Schlusslicht bilden die Hauptschulen mit 91,8 Prozent und die Förderschulen mit nur 91,2 Prozent. Dort und an den Realschulen konnte die Quote im Vergleich zum Vorjahr allerdings ganz leicht gesteigert werden. Insgesamt sind Niedersachsens Schulen am Mittwoch mit 946 neuen Lehrkräften in das zweite Schulhalbjahr gestartet.


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Wie dynamisch das Besetzungsverfahren sei, erkenne man daran, dass auf dem ersten Sprechzettel der Minister vor ein paar Tagen noch die Zahl 936 gestanden habe, erläuterte Hamburg. Die Stellenbesetzungen dauerten also noch weiter an. Weil nur 740 Lehrer in den Ruhestand gegangen sind, spricht die Ministerin von einem positiven Saldo in Höhe von 190 zusätzlichen Lehrern. Die Besetzungsquote liegt derweil unterhalb des Vorjahreswertes. Nur 71 Prozent der 1335 ausgeschriebenen Stellen konnten bislang besetzt werden. Vor einem Jahr kam man zu diesem Zeitpunkt bereits auf 80 Prozent.

Hamburg drängt auf „Gestaltungsdebatte“

Die Frage, wie wieder ausreichend viele Lehrer für den Schuldienst gewonnen werden können, ist zwar nicht neu, wird aber zur größten Herausforderung für die neue Kultusministerin. Schon vor einigen Wochen räumte sie öffentlich ein, dass ein Mangel wohl mindestens für die nächsten zehn Jahre zu erwarten sei. Experten sprechen derweil von 20 Jahren. Hamburg setzt sich nun für eine „Gestaltungsdebatte“ ein, an der sich Lehrerverbände und andere Experten beteiligen sollten. Im März soll es dazu einen ersten Aufschlag geben. Dabei werde es auch um die Frage gehen, wie Lehrer dazu motiviert werden können, von Teilzeit in Vollzeit zu wechseln und wie sie länger im Schuldienst gehalten werden können. Lehrerverbände reagieren allerdings mit Kritik auf derartige Vorschläge: Eine Mehrbelastung der Lehrkräfte würde eher dazu führen, dass mehr Personal den Dienst einstellt.

Als erste Entlastungsmaßnahme setzt das Kultusministerium darauf, die finanziellen Mittel, die für unbesetzte Lehrerstellen vorgehalten werden, für zusätzliches pädagogisches Personal einzusetzen, die an den Schulen konkret entlasten sollen. Die Lehrer seien mit 20 Prozent ihrer Zeit mit Dingen beschäftigt, die nicht zum Kernunterricht zählten – das solle sich ändern. Dass derartiges „entlastendes Personal“ aber auch nicht unbegrenzt zur Verfügung steht, musste die Ministerin auch eingestehen. Um besonders unbeliebte Schulstandorte künftig bei der Besetzung von freien Lehrerstellen zu unterstützen, spricht sich Hamburg dafür aus, Lehrern eine Garantie für ihre Wunsch-Schule zu geben, wenn sie zunächst drei Jahre lang an einem weniger beliebten Standort Dienst verrichten. Den Fachkräften soll die Angst genommen werden, dass sie am Ende an einer solchen Schule festsitzen könnten.



Corona-Regeln schleichen langsam aus: Mit dem Auslaufen der vorletzten allgemeinen Corona-Schutzmaßnahmen wird auch in den Schulen der Übergang in die endemische Phase der Pandemie eingeleitet. Wie Kultusministerin Hamburg mitteilte, müssen die Schulen ab Februar nun keine Corona-Statistik mehr führen. Sie begründet die Entscheidung damit, dass eine Infektion inzwischen keine Isolation mehr nach sich zieht und die Inzidenzzahlen keine weiteren Auswirkungen haben. Es stehe den Schulen aber frei, ihre Testkonzepte vorerst beizubehalten. Das Kultusministerium hat zugesichert, bis einschließlich der Woche nach den Osterferien weiterhin zwei Tests pro Schüler zur Verfügung zu stellen. Hamburg appelliert allerdings an alle: „Wer eine Virus- oder andere Infektion hat, bleibt zuhause.“

Abschlussprüfungen ein letztes Mal vereinfacht: Die in der zweiten Hälfte des Schuljahres anstehenden Abschlussprüfungen können auch in diesem Jahr noch einmal Pandemie-bedingt in vereinfachter Form durchgeführt werden. So sollen bei den Abschlussprüfungen im Sekundarbereich I etwa die mündlichen Prüfungen nur zur Verbesserung der Note genutzt werden. Bei den Abiturprüfungen im Fachbereich Mathematik prüfte das Kultusministerium nach erheblichen Schwierigkeiten im vergangenen Jahr zudem ganz allgemein die Modalitäten. Hier sollen nun etwa die Schüler zum einen mehr Zeit für die Bearbeitung ihrer Aufgaben erhalten, zum anderen sollen Lehrer bei Bedarf vorab Themenkomplexe ausklammern können, sollte ihnen die Zeit gefehlt haben, den Stoff ausreichend zu behandeln.