Überforderte Pflegekräfte, schlecht versorgte Patienten und Angehörige, die selbst mit anpacken müssen: So sieht die Lage in vielen Krankenhäusern auch zu Beginn des Jahres aus. Laut Sozialverband Deutschland in Niedersachsen (SoVD) gibt es nicht nur in der Altenpflege, sondern auch in den Krankenhäusern einen Pflegenotstand. „Es gibt Probleme bei der Versorgung von Patienten. Das betrifft vor allem ältere, pflegebedürftige oder zum Beispiel auch demenzkranke Patienten“, kritisiert SoVD-Präsident Adolf Bauer im Gespräch mit dem Politikjournal Rundblick.

Dem Land gibt der Sozialverband zumindest eine Mitschuld an der aktuellen Situation. „Das Land Niedersachsen muss endlich seiner Investitionspflicht nachkommen“, fordert Bauer. Es könne nicht sein, dass Mittel der gesetzlichen Krankenversicherung wie hier die Fallpauschalen zweckentfremdet würden, weil das Land es seit Jahren nicht schaffe, den Investitionsstau abzubauen. Laut SoVD muss es endlich verbindliche Standards geben, wie viel Personal pro Patient eingesetzt werden muss. Weil es dafür bislang keine Vorgaben für Krankenhäuser gibt, liege Deutschland beim Personalschlüssel im internationalen Vergleich hinten. Der Sozialverband beruft sich dabei auf Zahlen des Hans-Böckler-Instituts. Demnach kommen in Deutschland im Durchschnitt 13 Patienten auf eine Pflegefachkraft. In Großbritannien sind es weniger als neun, in Schweden weniger als acht und in den USA nur etwa fünf Patienten.

Die Situation im Pflegebereich ist angespannt.

Im Alltag funktionieren viele Dinge nicht mehr so, wie man sich das als Patient oder oft auch als Angehöriger vorstellt“, berichtet auch Elke Grawert, Patientenfürsprecherin in der „Kinderklinik auf der Bult“ in Hannover. „Es wird vorausgesetzt, dass sich die Angehörigen engagieren. Ein Riesenproblem haben deshalb Menschen, die niemanden haben oder selbst sehr stark eingeschränkt sind, zum Beispiel Demenzpatienten.“ Es fehlen dem Pflegepersonal einfach an Zeit, das wirke sich  dramatisch auf alle Bedingungen aus. Grawert meint, dass Patienten in Deutschland vor zehn Jahren besser behandelt wurden. Sie hat einen guten Überblick. Bevor sie Patientenfürsprecherin wurde, war sie leitete sie über 15 Jahre lang die unabhängige Patientenberatung in Hannover. Grawert spricht von einem schleichenden Prozess, den es in den vergangenen Jahren gegeben habe. Inzwischen fehle es massiv an finanziellen und personellen Ressourcen, gleichzeitig seien die Erwartungen der Patienten teilweise gestiegen. „Da prallen dann Personalmangel und Anspruchshaltung aufeinander.“ Für zusätzlichen Druck sorgten Patienten, die inzwischen mit Kleinigkeiten in die Notfallambulanz kämen. Hier hält Grawert Aufklärung für dringend nötig.

Im Oktober hatte der niedersächsische Landespatientenschutzbeauftragte Peter Wüst im Sozialausschuss des Landtages drastische Fälle geschildert, nach denen Patienten und Angehörige auf ihn zugekommen waren. In einem Fall musste ein 91 Jahre alter Mann insgesamt 51 Stunden in einer Notaufnahme auf seine Behandlung warten. In einem anderem Fall bekam eine Schlaganfallpatientin, die nicht sprechen konnte, weder Medikamente noch etwas zu essen und zu trinken. Das seien natürlich drastische Ausnahmen, erklärt Wüst im Gespräch mit dem Politikjournal Rundblick. Es sei aber schon festzustellen, dass die Situation im Pflegebereich angespannt sei. Wüst spricht von einem gravierenden Personalmangel. „Da muss wirklich etwas geschehen. Es müssen mehr Mittel in den Bereich.“ Der Landespatientenschutzbeauftragte begrüßte, dass das Land bereits seine Investitionen aufgestockt habe.

„Die Politik muss für eine Verbesserung des Finanzrahmens sorgen“, sagt auch Helge Engelke, Verbandsdirektor der Niedersächsischen Krankenhausgesellschaft. Die vor einigen Jahren eingeführten Fallpauschalen hätten zum jetzigen Personalmangel entscheidend beigetragen. „Sie haben dafür gesorgt, dass Krankenhäuser durchökonomisiert wurden und man stets geschaut hat, wo man noch Kosten einsparen kann. Beim Personal aber ist jetzt das untere Limit erreicht“, sagt Engelke. In einer Umfrage des Verbands gaben zwar 70 Prozent der Kliniken an, in den kommenden drei Jahren neues Pflegepersonal einzustellen. Das Problem sei allerdings, dass man kaum Personal finde. „Da hilft nur eine massive Investition in die Ausbildung, eine Verbesserung der Rahmenbedingungen für die tägliche Arbeit und mehr Werbung für diesen an sich hervorragenden Beruf“, meint Engelke. Er sprich von einem großen Rad, das jetzt geschwungen werden müsse.