Beim Lebensmittelskandal um mit Fipronil belastete Eier war sie noch nicht Ministerin, deshalb konstatierte Barbara Otte-Kinast nun: „Zum Glück hatte ich in meiner Amtszeit als Verbraucherschutzministerin noch keine echte Gefahr.“ Allerdings gab es auch im vergangenen Jahr wieder zahlreiche Verstöße gegen Lebensmittelrecht, von denen einige durchaus zu einer großen Gefahr hätten werden können, wie der neue Verbraucherschutzbericht zeigt. 62.223 Mal haben Lebensmittelkontrolleure und Veterinäre rund 40.000 niedersächsische Betriebe untersucht und dabei in der Hälfte der Fälle auch Verstöße festgestellt. „In rund 55 Prozent der Fälle ging es dabei um die Nichteinhaltung von Hygienevorschriften, jeder vierte Verstoß hatte mit der Kennzeichnung und Aufmachung von Lebensmitteln zu tun“, sagt Professor Hubert Meyer, Hauptgeschäftsführer des Niedersächsischen Landkreistags. Denn für die Überwachung der Einhaltung von Lebensmittelvorschriften sind die Kommunen zuständig.

Unter den rund 9600 Proben, die das Landesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (Laves) im vergangenen Jahr genommen hat, rangiert ebenfalls die Kennzeichnung auf Platz eins der häufigsten Verstöße. Jede achte Probe jedoch erwies sich als mikrobakteriell verunreinigt. Und 0,6 Prozent der Proben zeigten eine Verunreinigung, die gefährlich für die Gesundheit werden kann. „Dazu zählt zum Beispiel das Campylobacter-Bakterium, das häufig in frischem Geflügelfleisch auftritt. Dieses Bakterium verursacht beim Menschen eine Durchfallerkrankung“, sagt Laves-Präsident Professor Eberhard Haunhorst. Werden gesundheitsschädigende Lebensmittel wie etwa mit Bakterien infiziertes Geflügelfleisch in den Handel gebracht, so zieht das ein Strafverfahren für den Hersteller nach sich. Insgesamt 84 Strafverfahren leitete die Staatsanwaltschaft im vergangenen Jahr aufgrund von beanstandeten Lebensmittelproben ein. Doch es muss nicht immer die Gesundheit gefährdet sein, damit Lebensmittelproduzenten in den Fokus eines Ermittlungsverfahrens geraten. „Auch bei bewusster Täuschung erstatten wir Anzeige“, sagt Haunhorst. Zum Beispiel, wenn ein Restaurant mit hochwertigem Cordon Bleu wirbt, die Delikatesse aber nicht aus einem Schnitzel, sondern aus mehreren zusammengesetzten Fleischfetzen besteht. „Mithilfe der modernen Lebensmitteltechnologie ist viel möglich, um den Verbraucher zu täuschen“, sagt Haunhorst.

Ein Beispiel dafür sei die Fälschung bei frischem Thunfisch. Damit das Fleisch von älterem Fischfilet rot und frisch aussieht, greift die Lebensmittelindustrie schon seit Längerem zu dem Trick, den Fisch mit Kohlenmonoxid zu behandeln.  Durch massive Kontrollen aber konnten die Verbraucherschützer diese Fälschung weitgehend einzudämmen. „Seit kurzem allerdings bemerken wir, dass immer öfter auch nitrathaltige Pflanzenextrakte wie etwa Rosmarinextrakt dazu verwendet werden, dem Fisch zu frischer Röte zu verhelfen“, sagt Otte-Kinast. Das sei aus zwei Gründen problematisch. Zum einen, weil die Verwendung von Nitraten verboten sei. Zum anderen, weil der Verbraucher durch die Farbkorrektur bewusst darüber hinweggetäuscht wird, dass der Fisch älter ist. „Thunfisch bildet aber beim Verderb hohe Mengen von toxischem Histamin, die empfindliche Menschen vergiften können“, sagt die Verbraucherschutzministerin. 28 Proben von frischem Thunfisch seien im vergangenen Jahr genommen worden, in fünf konnte nachgewiesen werden, dass der Fisch künstlich nachbehandelt wurde.