Von Martin Brüning

„Sie müssen all die verschiedenen Bedenken ausbalancieren“, sagt Brigitte Sand, Direktorin der dänischen Glücksspielbehörde. Sand war auf Einladung des dänischen Honorarkonsuls, Volker Schmidt, in Niedersachsens Hauptstadt Hannover, um zu erklären, wie in Dänemark das Glücksspiel reguliert und kontrolliert wird. Die „Bedenken auszubalancieren“ klingt allerdings einfacher, als es in der Praxis dann ist, was Deutschland seit Jahren beim Thema Glücksspielregulierung beweist, wo es nach wie vor einen größer werdenden Graumarkt und wie üblich generell sehr viele Bedenken gibt, ohne am Ende zu einer richtigen Lösung zu kommen.

Brigitte Sand und Jan Madsen von der dänischen Glücksspielbehörde beim Besuch in Hannover – Foto: MB.

Im Oktober bekommen die Ministerpräsidenten der Länder das Thema erneut auf den Tisch. Vor ihnen wird vermutlich ein Eckpunktepapier liegen, das für eine „gemeinschaftliche glücksspielrechtliche Anschlussregelung der Länder ab dem 1. Juli 2021 als gemeinsame Diskussionsgrundlage“ dienen soll, wie es im Protokoll einer Ministerpräsidentenkonferenz heißt. Der Druck im Regulierungskessel steigt derweil weiter. Nicht nur, dass einige Bundesländer sich Gedanken über einen Sonderweg wie in Schleswig-Holstein machen, wo Lizenzen für das Online-Glücksspiel vergeben wurden. Finden das auch andere Länder attraktiv, so könnte das zu einem Regulierungs-Flickenteppich quer durch Deutschland führen.

Zu allem Übel kommt jetzt auch noch ein blauer Brief aus Brüssel hinzu. Der Europäischen Kommission passt überhaupt nicht, wie Deutschland mit der Regulierung von Sportwetten umgeht. Sieben Milliarden Euro haben die Deutschen im vergangenen Jahr für Sportwetten ausgegeben, aber der Übergang von der Probephase in die lizensierte Legalität will den Ländern nicht so richtig gelingen. So werden die Ministerpräsidenten auch das Thema Sportwetten möglicherweise noch einmal unter dem neuen Gesichtspunkt des drohenden Vertragsverletzungsverfahrens aus Brüssel debattieren müssen.

Es gab keine Diskussion über eine Abschaffung des Monopols, schließlich wird es auch in Brüssel als sinnvoll angesehen.

Solche Probleme kennt man in der dänischen Glücksspielbehörde nicht. Schon vor zwölf Jahren machte man sich bei den Nachbarn im Norden darüber Gedanken, wie man den Glücksspielmarkt regulieren könnte. Die Ausgangslage war der deutschen Situation von heute nicht ganz unähnlich. Die staatliche Glücksspiellotterie schwächelte, die Casinos liefen einigermaßen stabil, der Online-Markt begann zu wachsen. Der monetäre Aspekt, also die nicht gezahlten Steuern der Graumarkt-Anbieter, habe in der Debatte damals nicht im Vordergrund gestanden, erinnert sich Sand. Vielmehr sei es um den Schutz der Spieler gegangen, der unter den damaligen Gegebenheiten nicht mehr habe gewährleistet werden können.

Vor der endgültigen Entscheidung habe es Gespräche mit allen Parteien gegeben, der neuen Regulierung stimmten dann im Folketing, dem dänischen Parlament, im Juni 2010 auch alle zu. Seit 2011 benötigen Glücksspielanbieter in Dänemark Lizenzen und müssen sich an strikte Vorgaben halten. Dazu gehört auch, dass Spieler die Möglichkeit haben müssen, sich selbst vom Glücksspiel, entweder für eine kürzere Zeit oder dauerhaft, auszuschließen. Die Zahl derjenigen, die davon Gebrauch machen, steigt beständig – liegt inzwischen bei rund 17.000 Spielern, drei Viertel davon sind Männer. Ihr Anteil unter den Glücksspielern ist generell höher, in Online-Casinos sind 70 Prozent der Spieler Männer, bei Sportwetten liegt ihr Anteil sogar bei 80 Prozent.


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Die Lizenzen der Anbieter müssen in Dänemark nach fünf Jahren erneuert werden, wobei sich die Unternehmen vor der Vergabe einer Lizenz von einer Wirtschaftsprüfungsgesellschaft durchchecken lassen und auch einen stabilen wirtschaftlichen Hintergrund nachweisen müssen. Schließlich muss gesichert sein, dass Gewinne aus den Spieleinsätzen ausgezahlt werden können. Durch den legalen Markt generiert der dänische Staat mehr Steuereinahmen.

Onlineanbieter zahlen 20 Prozent auf ihre Bruttospielerträge, also die Summe, die ihnen nach Abzug der Gewinnausschüttungen bleibt. Das stationäre Glücksspiel wird mit bis zu rund 70 Prozent besteuert. Lotto habe in den ersten Jahren zwar bei den Bruttospielerträgen Verluste hinnehmen müssen, stabilisiere sich inzwischen aber wieder, auch durch das Gewinnspiel Euro-Lotto, das Spieler in ganz Europa mit hohen Gewinnen lockt.

Eine Debatte darüber, ob auch die staatliche Lotterie privatisiert werden solle, habe es in Dänemark vor zwölf Jahren nicht gegeben, berichtet Sand. „Es gab keine Diskussion über eine Abschaffung des Monopols, schließlich wird es auch in Brüssel als sinnvoll angesehen“, so die Direktorin. Zudem sei Lotto in vielen europäischen Ländern seit Jahrhunderten in staatlicher Hand, es sei also keinesfalls unüblich.


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Axel Holthaus, Geschäftsführer von Lotto Niedersachsen, ebenfalls Teilnehmer der Diskussion in Hannover, überzeugt das Argument nicht. Der Glücksspielstaatsvertrag sei in Deutschland durchgeurteilt. Bei Veränderungen befürchtet Holthaus eine Klagewelle. Als Beispiel nennt er die Niederlande, wo Online-Glücksspielbetreiber gegen das vorherrschende Lotteriemonopol geklagt hatten. Jetzt wird vor Gericht geprüft, ob das Monopol mit dem aktuellen niederländischen Glücksspielgesetz noch vereinbar ist.

Christian Grascha, Parlamentarischer Geschäftsführer der FDP-Landtagsfraktion, ist dagegen vom dänischen Modell angetan. Das Beispiel zeige, dass eine konsistente und spielformübergreifende Regulierung, die den Spielerschutz in den Mittelpunkt stellt, eine Erfolgsgeschichte sein könne. „Vorbildlich für Deutschland ist, dass dies mit einem parteiübergreifenden Konsens möglich war. Das ist auch bei uns notwendig. Alle Beteiligten müssen aus ihren Schützengräben kommen und die hiesige Glücksspielregulierung aus der Sackgasse holen“, fordert Grascha auf Rundblick-Nachfrage.

Alle Beteiligten müssen aus ihren Schützengräben kommen und die hiesige Glücksspielregulierung aus der Sackgasse holen.

Zur Regulierung gehört in Dänemark auch hartes Durchgreifen bei Verstößen. Rund 120 Mitarbeiter gibt es insgesamt in der dänischen Regulierungsbehörde, darunter auch junge Internet-Experten, die das Netz auf illegale Glücksspielaktivitäten durchforsten. Was nicht erlaubt ist, wird gesperrt. Auch die Möglichkeit des Payment Blockings, also dem in Deutschland umstrittenen Blocken des Zahlungsverkehrs zwischen Spieler und Glückspielanbieter, das auch vom niedersächsischen Innenministerium eingesetzt wird, gibt es in Dänemark. Wie oft es schon genutzt wurde? „Überhaupt nicht“, antwortet Brigitte Sand. Berechnungen zufolge seien 97 Prozent des Glücksspielmarktes in Dänemark legal, nur drei Prozent illegal. „Payment Blocking brauchen wir deshalb einfach nicht.“