Bekommen die Beamten in Niedersachsen, vor allem die in den niedrigeren Besoldungsstufen, zu wenig Gehalt für ihre Arbeit? Bekannt ist, dass in diesem Bundesland bisher alle Versuche, auf breiter Ebene zu dem vor 13 Jahren gestrichenen Weihnachtsgeld zurückzukehren, kläglich gescheitert sind. Die Große Koalition von SPD und CDU macht derzeit auch keine Anstalten in dieser Richtung. Aber nun scheint sich auf der gerichtlichen Ebene wieder etwas zu bewegen: Übermorgen, am Donnerstag, verhandelt das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig über die Klagen von drei niedersächsischen Beamten, die dem Land einen Verstoß gegen das „Alimentationsprinzip“ vorwerfen – also den im Grundgesetz gesicherten Auftrag des Staates, seine Beamten angemessen zu besolden. Mit einem Urteil wird für den gleichen Tag gerechnet.

Leichter Optimismus beim Anwalt der Kläger

Der Anwalt der Kläger, Ralph Heiermann aus Hannover, sieht dem Gerichtstermin in Leipzig mit leichtem Optimismus entgegen. Er hofft auf das, was im Juristendeutsch ein „Vorlagebeschluss“ genannt wird. Das Bundesverwaltungsgericht könnte zu der Auffassung gelangen, dass die niedersächsischen Regeln seit 2005 (dem Jahr der Abschaffung des Weihnachtsgeldes unter der damaligen christlich-liberalen Koalition) nicht verfassungsgemäß sind. Dann wäre im nächsten Schritt das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe gefordert, hier müsste dann über die Vereinbarkeit der Besoldung in Niedersachsen mit dem Grundgesetz entschieden werden.

Bis zu einem Urteil dort würden womöglich noch Jahre vergehen – aber dieses hätte es dann wohl in sich. Sollten die höchsten Gerichte der Republik die Besoldung der niedersächsischen Beamten verwerfen, kämen wohl erhebliche finanzielle Lasten auf die Landesregierung zu. Einen Vorgeschmack darauf hatte es schon im April 2017 gegeben. Damals entschied das Oberverwaltungsgericht in Lüneburg, dass im Jahr 2013 die Beamtenbesoldung in Niedersachsen nicht verfassungsgemäß gewesen sei. Es ging um die drei Kläger, die auch jetzt wieder auftreten – einen Steueramtsrat aus Soltau, einen Vermessungsbeamten aus Bad Fallingbostel und einen pensionierten Finanzbeamten aus Lüneburg.

Besoldung dauerhaft verfassungswidrig?

Als Maßstab nahmen die OVG-Richter im April 2017 das Regelwerk, das zwei Jahre zuvor vom Bundesverfassungsgericht – wenn auch recht allgemein – aufgestellt worden war. Gemessen wird, ob die Beamtenbesoldung im 15-Jahres-Vergleich von der der Angestellten im Staatdienst abweicht, vom Nominallohnindex, vom Inflationswert und – in einem Fünf-Jahres-Vergleich – vom Sozialhilfeniveau. Stets geht es um das „Alimentationsprinzip“, also die Verpflichtung des Dienstherrn, den Beamten als Gegenleistung für ständige Dienstbereitschaft einen angemessenen Lebensstandard zu garantieren. Die OVG-Richter stellten vor anderthalb Jahren fest, dass es in mehreren Punkten dieses Vergleiches zu große Ausreißer gegeben habe, allerdings nur bezogen auf das Jahr 2013. Was die übrigen Jahre seit 2005 angeht, sahen die Lüneburger Richter das zwar nicht – sie ließen allerdings die Revision beim Bundesverwaltungsgericht zu. So geschah es auch.

Heiermanns begründete Hoffnung ist nun, dass die Richter in Leipzig übermorgen noch strenger urteilen werden als 2017 ihre Kollegen in Lüneburg. Dabei geht es um den vierten Maßstab, nämlich den Vergleich zum Sozialhilfeniveau. Kritisch wird es laut Vorgabe des Bundesverfassungsgerichts, wenn die Abweichung in fünf Jahren zehn Prozent unterschreitet. Aber welches Sozialhilfeniveau wird als Vergleichswert herangezogen? Die Lüneburger Richter meinten noch, man müsse einen Mittelwert ansetzen zwischen dem höchsten Satz Niedersachsens in Buchholz (Nordheide) und dem niedrigsten in Südniedersachsen. Wenn man das voraussetzt, bleibt ein Mindestabstand zur unteren Beamtenbesoldung für die meisten Jahre gewahrt.

Als das Bundesverwaltungsgericht aber im September 2017 über eine Richterbesoldung in Berlin entschied, ging es vom höchsten Sozialhilfeniveau aus – übertragen auf Niedersachsen wäre das also Buchholz (Nordheide). „Das ist auch sinnvoll, denn ein Beamter kann natürlich an jeden Ort versetzt werden – also auch dorthin, wo das höchste Sozialhilfeniveau gilt“, meint Heiermann. Nehme man nun Buchholz als Grundlage, so werde der Mindestabstand zur untersten Beamten-Gehaltsgruppe in all den Jahren seit 2005 nicht mehr gewahrt. Zusammen mit anderen Faktoren könne man dann von der dauerhaften Verfassungswidrigkeit der niedersächsischen Besoldung ausgehen.

Was das am Ende heißt, wenn die gesamte niedersächsische Beamtenbesoldung als mutmaßlich verfassungswidrig vor dem Bundesverfassungsgericht landet, mag sich in der Landesregierung noch niemand ausmalen. Im schlimmsten Fall kippt wohl das gesamte Besoldungssystem – und die oft wiederholten, bisher ungehörten Rufe nach Rückkehr des Weihnachtsgeldes für Beamte dürften dann wieder höchst aktuell werden. (kw)