In einer Regierungserklärung hat Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) am Montag eine rasche Einigung der Ampel-Koalition in der aktuellen Haushaltskrise angemahnt. Dabei ging er auch den Bundeskanzler direkt an: „Olaf Scholz hat erklärt, dass die notwendigen Investitionen zur Verringerung der CO2-Emissionen fortgesetzt werden. Das hören wir gern, aber es muss sich in verbindlichen Beschlüssen und Bescheiden ausdrücken. Dabei geht es ganz unmittelbar um große Vorhaben zum Aufbau der Wasserstoffwirtschaft im Nordwesten Niedersachsens.“

„Solide Finanzen in stürmischen Zeiten“: Stephan Weil verteidigt Niedersachsens Haushalt und nimmt den Bund in die Pflicht. | Foto: PlenarTV

Weil nannte Projekte im Umfang von etwa zehn Milliarden Euro, für die das Land Niedersachsen 800 Millionen Euro bereitgestellt habe. „Aber ohne eine zusätzliche, eigentlich bereits zugesagte Unterstützung des Bundes geht es nicht.“ Noch weitere Vorhaben, die wegen der Berliner Haushaltskrise gefährdet sind, kämen hinzu. Weil nannte den Aufbau einer Photovoltaik-Produktion in Niedersachsen und eines Anlegers für verflüssigte Gase – beides in Wilhelmshaven. Bedroht sei auch der Vorschlag einer Abfederung der Energiekosten für die Industrie. Dieses Konzept der Bundesregierung halte er zwar für unzureichend, meinte der Regierungschef und fügte hinzu: „Ich bin damit keinesfalls zufrieden, aber jetzt stellt sich sogar die Frage, ob denn wenigstens für diesen Vorschlag die Finanzierung steht.“ Eine „beliebig lange Liste von Aufgaben, die Bund und Länder gemeinsam finanzieren“, sei ebenfalls in Gefahr.

„Ohne eine zusätzliche, eigentlich bereits zugesagte Unterstützung des Bundes geht es nicht.“

Sowohl der Ministerpräsident, als auch die Fraktionschefs von SPD und Grünen, Grant Hendrik Tonne und Anne Kura, gingen ausführlicher auf die Schuldenbremse ein. Auf das Urteil des Bundesverfassungsgerichts, das die von der Ampel-Regierung geplante Umwidmung von Corona-Notfallkrediten für den Klimafonds gestoppt und damit ein 30-Milliarden-Loch in den Bundesetat gerissen hatte, kann laut Weil in diesem Jahr noch „überschaubar“ reagiert werden. Man könne erneut eine Notlage erklären mit Bezug auf die Kosten des Krieges in der Ukraine und damit von der Ausnahmebestimmung für die Schuldenbremse Gebrauch machen. Für 2024 jedoch werde eine solide Begründung „ungewiss“, sagte Weil. Der SPD-Bundesparteitag hatte am Wochenende beschlossen, auch für 2024 eine solche „Notlage“ zu erklären.



SPD-Fraktionschef Tonne sprach in seiner Rede im Landtag auch mit Hinweis auf die Notlage für 2024, Kura tat das auch. Das ist indes riskant, da die Karlsruher Richter strenge Bedingungen an „Notlagen“ geknüpft hatten. Weil äußerte sich jetzt im Landtag auch vorsichtiger. Der Ministerpräsident empfahl daher eine radikale Veränderung der Schuldenbremse, die nur mit Zweidrittelmehrheit in Bundestag und Bundesrat beschlossen werden könnte, also nicht ohne die CDU/CSU. So solle es laut Weil möglich sein, für Investitionen Ausnahmen vom Neuverschuldungsverbot zuzulassen. Dabei sei der Klimaschutz nicht der einzige Zweck, für den das gelten könne. Kura forderte, bei einer generellen Reform der Schuldenbremse müssten „auch die Länder eine Investitionsklausel bekommen“, also ebenfalls stärker als bisher Kredite aufnehmen dürfen. Tonne richtete in der Landtagsdebatte noch scharfe Kritik an die Adresse des Bundesfinanzministers Christian Lindner (FDP): „Er ist nicht Teil der Lösung, sondern Teil des Problems.“

CDU-Vorschlag: Sondervermögen für Klimaschutz im Grundgesetz?

Oppositionsführer Sebastian Lechner (CDU) hielt Weil zunächst vor, für den von Karlsruhe gestoppten Haushaltstrick der Ampel mitverantwortlich zu sein, schließlich habe er diesen Bereich in den Koalitionsgesprächen mitverhandelt. Falsch sei Weils Andeutung, für Investitionen generell kein Kreditaufnahmeverbot mehr vorzusehen. „Das hatten wir schon mal – dann wird der Begriff der Investitionen strapaziert“, sagte Lechner.



Gleichzeitig zeigte der CDU-Fraktionschef der SPD einen Weg auf, den er für machbar hält: Man könne ein Sondervermögen für bestimmte Zwecke, etwa für den Klimaschutz, ins Grundgesetz schreiben. Dann gelte für diesen Bereich die Ausnahme vom Neuverschuldungsverbot, aber nur begrenzt auf diese eine, konkret formulierte Aufgabe. Weil jedoch wolle einen anderen Weg, der generell die Kreditaufnahme ausweite. Dies lehne die CDU strikt ab. Auch Peer Lilienthal (AfD) übte scharfe Kritik am Ministerpräsidenten: Jetzt sei es nötig, die staatlichen Ausgaben in Prioritäten einzuteilen – doch der SPD falle nur ein, die Schuldenbremse zu bekämpfen.