Alle reden darüber, wie gut sich Ministerpräsident Stephan Weil und sein Stellvertreter, Wirtschaftsminister Bernd Althusmann, gegenwärtig verstehen. Und das nach einem harten Wahlkampf, in dem beide als unerbittliche Gegner gegenübergetreten waren. Herrscht plötzlich echtes Vertrauen zwischen beiden Seiten? Oder liegt es an den beiden grauen Eminenzen im Hintergrund, den Staatssekretären Jörg Mielke (SPD) und Berend Lindner (CDU)? Über ihr Wirken ist nur wenig bekannt, sie halten sich auch sehr bedeckt. Ein Grund, dem nachzuspüren.

Mielkes Einzug in die Staatskanzlei war keine Überraschung

Jörg Mielke und Stephan Weil kennen sich schon seit gemeinsamen Studententagen in Göttingen. Beide sind Juristen, beide haben nach ihrem Studienabschluss auch eine ähnliche Laufbahn eingeschlagen – die Kommunalverwaltung. Auch die parteipolitische Orientierung eint die Sozialdemokraten, und so verwunderte es wenig, als Weil seinen nur ein halbes Jahr jüngeren Weggefährten nach dem Wahlsieg 2013 in die Staatskanzlei holte. Dort soll er erst gefremdelt haben, meinen manche, denn Mielke war fast ein Vierteljahrhundert in der Osterholzer Kreisverwaltung tätig, kannte zwar alle kommunalpolitischen Abläufe und das Verhältnis zwischen Land und Kommunen gut. Doch die eigentliche Landesverwaltung in Hannover mit den verschiedenen Machtzentren und Akteuren war ihm nur aus der Ferne geläufig. Hinzu kam eine Strukturschwäche der Staatskanzlei unter Rot-Grün, neben Mielke gab es noch drei weitere Staatssekretäre in der unmittelbaren Umgebung des Ministerpräsidenten, das musste zwangsläufig Kompetenzgerangel nach sich ziehen.

Wichtige Vorgänge werden nicht verschludert

Doch Mielke gewann in den folgenden Jahren den Ruf, ein sehr kenntnisreicher, stringenter und kompetenter Fachmann zu sein. Dass bei ihm wichtige Vorgänge verschludert werden, kommt – heißt es – nicht vor. Als im Sommer 2017 mit der Vergabeaffäre auch gravierende Verwaltungsmängel in der Staatskanzlei bekannt wurden, sickerte gleichzeitig durch, dass er selbst vorher nicht einbezogen worden war. Umso klarer konnte Mielke auch öffentlich dazu auf Distanz gehen, was er dann auch rigoros tat. Seinen Ruf als „Notar der Landespolitik“, der vor allem auf die Ordnungsmäßigkeit der Abläufe achtet, hat das noch genützt.

Koordination ist hierarchischer

Nun, nach der Landtagswahl, sind die Rollen neu sortiert. Mielkes Position in der Staatskanzlei, die nun weniger Abteilungen hat, ist formell gestärkt. Das liegt auch daran, dass seine Aufgabe eine andere geworden ist. Zwischen SPD und Grünen war die Feinabstimmung in Sachfragen vor allem auf die beiden rot-grünen Regierungsfraktionen und den Koalitionsausschuss gerichtet, das war weniger eine Angelegenheit der Staatssekretäre. Nun hat die SPD aber mit der CDU einen sehr viel größeren Regierungspartner an der Seite, die Koordination läuft hierarchischer als vorher. Althusmann als Vize-Ministerpräsident hat den Anspruch, im rot-schwarzen Binnenverhältnis die gesamte CDU-Seite zu vertreten – und weil er das selbst nicht im Tagesgeschäft tun kann, bekommt sein erster Staatssekretär eine Sonderfunktion. Es ist Berend Lindner, bislang Vize-Geschäftsführer der CDU-Landtagsfraktion.

Beide bevorzugen die leisen Töne

Lindners direkter Ansprechpartner ist Mielke, und wie es heißt, haben die beiden Juristen, trotz 16 Jahren Altersunterschied, schnell einen Draht zueinander gefunden. Regelmäßig tauschen sie sich aus, und das geschieht so, wie beide es bevorzugen – mit leisen Tönen, möglichst unauffällig. Mielke war zwar Landrat, aber ein großer öffentlicher Geltungsdrang wurde ihm nicht nachgesagt. Lindner hat als Richter und im Stab von CDU-Politikern gearbeitet, ihm liegt das große Rampenlicht nicht. Der CDU-Mann und Jurist hat den Ruf, sehr effektiv und gut organisiert zu sein – zu Oppositionszeiten sind manche Klageschriften der Christdemokraten vor dem Staatsgerichtshof seiner Feder entsprungen. Und der Erfolg war mehrfach garantiert.

Wechsel zwischen OLG und CDU

Als Christian Wulff schon vier Jahre Ministerpräsident war, 2007, kam Lindner als persönlicher Referent an seine Seite. Drei Jahre darauf stieg er zum Richter am OLG Celle auf, seiner Heimatstadt, wurde aber im gleichen Jahr für höhere Aufgaben gebraucht – Wulff wurde Bundespräsident, Lindner ließ sich ins Präsidialamt abordnen als sein Redenschreiber und Leiter des Referats Innenpolitik. Dann ging er doch zum OLG, um allerdings schon 2012 wieder in die CDU-Landtagsfraktion zurückzukehren. Hier wurde er im Laufe der Zeit immer stärker zum juristischen Chef-Berater, begleitend auch zum Islamismus-Untersuchungsausschuss. Ein enger Mitarbeiter speziell von Althusmann ist der 42-jährige Lindner allerdings erst seit wenigen Monaten.

Jeder Minister soll viele vertraute Gesichter um sich haben

Es eint Lindner und Mielke, dass ihnen zugetraut wird, selbst in hochkomplizierten Sachverhalten rasch eine vernünftige Lösung zu finden. Gegenwärtig liegt vor ihnen die Aufgabe, die Ministerien so zu organisieren, dass SPD und CDU zufrieden sind. Nicht die Verzahnung wird angepeilt, also die Verstärkung von SPD-nahen Mitarbeitern in CDU-geführten Ministerien und umgekehrt, sondern die Entflechtung – jeder Minister soll möglichst viele vertrauten Gesichter um sich scharen können. Am Ende bedeutet das aber, dass es umso stärker auf die Feinabstimmung an der Spitze ankommt – also auf ein vertrauensvolles Miteinander von Lindner und Mielke. Aus der Umgebung der beiden heißt es, das sei gewährleistet. Beide seien viel zu sachlich-nüchtern, als dass sie nicht wüssten, wie stark der Erfolg der Regierungsarbeit insgesamt von ihrer persönlichen Kooperation abhängt. (kw)