Knapp eine Woche nach der Bundesratsinitiative für einen neuen Umgang mit dem Wolf in Deutschland erhitzt das Thema auch in Niedersachsen wieder die Gemüter. In gleich zwei Anträgen forderten CDU und FDP gestern im Landtag die Aufnahme der streng geschützten Tierart ins Jagdrecht. Doch die SPD windet sich nach wie vor, und die Grünen halten eine Aufnahme ins Jagdrecht für kontraproduktiv. Neues Feuer erhält die Debatte durch ein Wolfsrudel im Landkreis Nienburg, das dort seit einigen Wochen zahlreiche Weidetiere reißt. Umweltminister Olaf Lies räumt ein, dass immer mehr Weidetierhalter ihre Risse gar nicht mehr melden, weil die bürokratischen Hürden größer werden.

Nach Goldenstedt bei Vechta und Cuxhaven ist es nun Rodewald bei Nienburg, wo ein Wolfsrudel Dorfbewohnern und Tierhaltern das Leben schwer macht. „Das Rudel hat gelernt, dass von Menschen keine Gefahr ausgeht. Die Tiere überspringen Zäune, reißen pro Woche gut zwei bis vier Tiere in unmittelbarer Nähe zu Häusern und haben sogar schon mal die Überreste eines Alpakas in der Nähe eines Waldkindergartens abgelegt“, erläuterte am Mittwoch der CDU-Abgeordnete Frank Schmädeke zur aktuellen Lage in seinem Wahlkreis. „Wenn man nun darauf nur reagiert, indem man noch höhere Zäune fordert, dann ist das ein Schlag ins Gesicht der Menschen dort.“ Wie aufgeheizt und emotional die Debatte um den Wolf in der Gemeinde Rodewald ist, zeigte eine Veranstaltung am vergangenen Dienstag. Dort wollte das Umweltministerium die Weidetierhalter über die Rechtslage informieren, die Diskussion mündete aber schnell in Schuldzuweisungen, Wut und Beschimpfung auf der Zuhörerseite und zunehmende Unsicherheit und unglückliche Formulierungen auf der Rednerseite. Umweltminister Olaf Lies, der am Mittwochabend bei der zweiten Veranstaltung im Landkreis gesprochen hatte, warb stattdessen auch im Plenum für Verständnis. „Die betroffenen Menschen erwarten von Politik, dass wir ihnen sagen, wo es hingehen soll. Aber die Mitarbeiter des Ministeriums können nur die Antworten geben, die rechtlich abgesichert sind.“


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Schmädekes Parteikollege Martin Bäumer griff die Ereignisse in Rodewald in seiner gestrigen Rede ebenfalls auf. „Während interessierte Kreise immer noch darüber diskutieren, ob der günstige Erhaltungszustand beim Wolf in Deutschland schon erreicht ist, geben die Weidetierhalter nach und nach auf, weil sie es einfach nicht mehr ertragen, immer wieder tote und schwerverletzte Tiere auf ihren Weiden zu finden.“ Auch der jagdpolitische Sprecher der FDP, Hermann Grupe, sprach von einer Verschärfung der Situation. „Die Zahl der Wölfe in Niedersachsen ist wesentlich größer, als die offizielle Statistik uns glauben machen will.“, sagte er. Denn diese führe nur durch eindeutige Fotobeweise oder Spuren nachgewiesene Wölfe auf. Wolfssichtungen, die dagegen nicht zweifelsfrei bewiesen werden können, landeten nicht in der Statistik. Ebenso wie die Zahl der Wölfe sei nach Ansicht Grupes auch die Zahl der gerissenen Weidetiere völlig unklar. „Immer mehr Tierhalter melden die Risse gar nicht mehr, weil sie dann in der Bringschuld sind.“ Sie müssten beweisen, dass ihre Sicherheitsvorkehrungen einwandfrei sind, und selbst dann könne es noch passieren, dass der Wolf als Verursacher nicht festgestellt wird und damit kein Geld fließt. „Nur ein Bruchteil der angezeigten Risse wird tatsächlich entschädigt“, sagte Grupe.

Der Grünen-Abgeordnete und frühere Landwirtschaftsminister Christian Meyer pflichtete Grupe bei und kritisierte, dass sich unter Rot-Schwarz die Entschädigungsregelungen noch verschlechtert hätten. „Die neue Regierung hat meinen Erlass aufgehoben, wonach sich Mängel im Wolfsschutz nicht auch auf die Agrarsubventionen der EU auswirken dürfen. Jetzt bekommen die Tierhalter nicht nur kein Geld, sie müssen sogar fürchten, welches abgeben zu müssen.“ Meyer unterstütze deshalb die Forderung von Weidetierhaltern, pro Tier eine Prämie von 75 Euro vom Land zu bekommen, den Wolfsschutz und alles andere dafür aber aus eigener Tasche zu bezahlen. Lies räumte in seiner Rede ein, dass es tatsächlich einen Rückgang der Meldungen zu Wolfsrissen gebe. Er appellierte jedoch an die Weidetierhalter, wieder jeden Riss zu melden. „Wir müssen das wissen, denn ohne diese Informationen können wir nicht handeln.“