Die Ideen-Expo ist ein niedersächsisches Erfolgsmodell. Alle zwei Jahre kommen Jugendliche aus dem gesamten Bundesgebiet auf das hannoversche Messegelände, um sich für Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik begeistern zu lassen. Vor inzwischen 15 Jahren wurde diese Idee geboren – als entscheidendes Instrument gegen den Fachkräftemangel im MINT-Bereich. Was hat sich seitdem getan? Die Rundblick-Redaktion wirft einen analytischen Blick auf die Ideen-Expo. Heute: Der schwierige Anfang.

Ideen-Expo-Aufsichtsrat Volker Schmidt erinnert sich an die Anfänge zurück | Foto: Niedersachsenmetall (Archiv)

Wenn man die Frage nach dem Anfang stellt, kommt man unweigerlich auf einen der größten deutschen Konzerne zu sprechen – auf Thyssen-Krupp. Es war im Jahr 2006, als das Großunternehmen in Hannover eine Technik-Ausstellung angeboten hatte, und zwar in Hannover im Deutschen Pavillon auf dem früheren Expo-Gelände. Das Konzept hieß „Thyssen Ideen-Park“, erstreckte sich über mehrere Standorte und Ausstellungen, die sich auf mehrere Jahre verteilten. Unter anderem in Stuttgart und Essen gab es auch solche Events. Es hieß, der Konzern habe für jede einzelne dieser Informationsmessen bis zu 65 Millionen Euro aufgewandt, also eine stattliche Summe für die Öffentlichkeitsarbeit von Thyssen-Krupp. Der damalige Ministerpräsident Christian Wulff muss von der Idee sehr angetan gewesen sein, jedenfalls sagte er im Kreis von Mitarbeitern: „Das müssen wir auch machen.“ Einer, der sich noch gut daran erinnert, war der damalige Abteilungsleiter in der Staatskanzlei und heutige Hauptgeschäftsführer von Niedersachsen-Metall, Volker Schmidt.

Den Namen „Ideen-Expo“ hatte der damalige Ministerpräsident Christian Wulff (CDU) beigesteuert. Alle anderen Vorbereitungen überließ er seinen Mitarbeitern und engagierten Leuten von außen. | Foto: Ideen-Expo (Archiv)

Auf Wunsch von Wulff wurde vor der Sommerpause Wissenschafts-Staatssekretär Josef Lange beauftragt, eine Konzeption zu entwickeln – doch der im September dann vorgelegte Plan, die Veranstaltung mit dem Wissenschaftsmuseum Phaeno in Wolfsburg zusammenzulegen, gefiel in der Staatskanzlei nicht. Schmidt nahm die Sache in die Hand, knüpfte Kontakt zu Niedersachsen-Metall und dessen damaligen Hauptgeschäftsführer Dietrich Kröncke. Es wurde eine eigene GmbH für die Veranstaltung gegründet, von der inhaltlich bis auf den Namen, „Ideen-Expo“, noch nicht viel feststand.

Den Namen, erinnert sich Schmidt, hatte der Ministerpräsident beigesteuert – der alles andere in der Vorbereitung seinen Mitarbeitern und engagierten Leuten von außen überließ. Im Frühjahr 2007 konnte Rolf Meyer gewonnen werden, damals noch Vorstandschef von Sennheiser, der gerade im Begriff war, sich von seinem bisherigen Arbeitgeber zu trennen. Ein neues Team mit dem Geschäftsführer Wolfgang Weidemann wurde gebildet – und es war in den folgenden Wochen und Monaten die Aufgabe vor allem von Schmidt und Niedersachsen-Metall-Chef Kröncke, auf Sponsorensuche zu gehen und bei den größeren Unternehmen Klinken zu putzen. Das gelang mehr oder weniger gut, erinnert sich Schmidt.

Immer wenn er mit Blick auf demographische Daten von einem drohenden Fachkräftemangel sprach, schauten ihn die Manager etwas mitleidig an und erklärten, sie verstünden das gar nicht und könnten sich gerade vor Bewerbern für freie Stellen kaum retten. „Wenn sie dann trotzdem Geld gaben, dann vor allem deshalb, weil sie eine Bitte des Ministerpräsidenten nicht abschlagen wollten.“

Eine Finanzierungslücke bereitete Schmidt schlaflose Nächte

Gut kann sich Schmidt auch noch an eine Szene beim Besuch der VW-Chefetage in Wolfsburg erinnern, als der Vorstandsvertreter ihm und Staatskanzlei-Chef Lothar Hagebölling entgegnete, sie würden doch bei der kurzen Zeit der Vorbereitung (sechs Monate vor dem Termin) und bei ihrer mangelnden Erfahrung bei der Event-Planung ein sehr großes Risiko eingehen. Das klang wie eine Warnung. Es sollte dann doch klappen, auch wenn die Kosten knapp kalkuliert waren. Die Planer gingen von 10,6 Millionen Euro an Gesamtkosten aus, das Land leistete eine Anschubfinanzierung von 1,5 Millionen Euro, Niedersachsen-Metall gab eine Million Euro dazu.

Der Rest verteilte sich auf mehrere Sponsoren, wobei sich eine Lücke von zwei Millionen Euro auftat. „Das hat mir schlaflose Nächte bereitet“, sagt Schmidt und schildert eine Begegnung mit zwei Beamten aus dem Finanzministerium, die ihm mit Verweis auf die kritische Liquiditätsplanung der Gesellschaft (drei Monate vor Beginn der Veranstaltung) unverzüglich den Gang zum Konkursrichter nahelegten. Sie stellten das gesamte Projekt infrage.

Was nun tun? Ein höherer Landeszuschuss war undenkbar, die Unternehmen zeigten auch wenig Neigung, ihren versprochenen Zuschuss noch zu erhöhen. „Da kam mir die Idee, eine EU-Förderung in Erwägung zu ziehen.“ Prompt vereinbarte Schmidt mit Eberhard Franz, dem für die EU-Zuschüsse zuständigen Referatsleiter beim Wirtschaftsministerium, aus nicht genutzten EU-Fördermitteln den fehlenden Betrag abzuzweigen – „denn förderfähig im Sinne der EU-Kriterien war das Projekt der Ideen-Expo zweifelsfrei“.

Die erste Ideen-Expo 2007 blieb noch in einem bescheidenen Rahmen – konzentriert auf den Deutschen Pavillon und den unmittelbar davor liegenden Platz. Das Angebot der Aussteller wurde dann in den Folgejahren immer größer, das musikalische und „jugendgerechte“ Begleitprogramm immer ausgefeilter. Doch dass die Ideen-Expo gleich nach dem Start zum Selbstläufer geworden wäre, bei dem sich die Zahlungen der Sponsoren und die Zuschüsse des Landes automatisch eingestellt hätten, kann man nicht behaupten. Zwar gelang es, große Player wie RWE zu beteiligen, aber schon für die zweite Ideen-Expo 2009 musste um den Landeszuschuss in voller Höhe hart gerungen werden.

Die Leidenschaft, mit der Volker Schmidt an die Sache geht, war nicht für alle Politiker, auch nicht für alle Ministerpräsidenten selbstverständlich. Umso mehr erwähnt Schmidt nun lobend den Amtsinhaber Stephan Weil, der sich immer offen und neugierig gezeigt habe, auch Wirtschaftsminister Bernd Althusmann, für den das ebenfalls gilt – und besonders auch für einen seiner Vorgänger, Walter Hirche. Und dann ist da noch Olaf Lies, der Umweltminister und vormalige Wirtschaftsminister, der ein gelernter Ingenieur ist und sich sehr schnell für knifflige technische Details inspirieren lässt.

Ohne diese Begeisterung, das weiß Volker Schmidt, hätte die Ideen-Expo ihren erfolgreichen Weg bis zur Gegenwart nie gehen können. Das gilt in diesem Jahr, angesichts von wachsenden Finanzproblemen der Firmen (Lieferengpässe, Energiepreise) und des immer stärker werdenden Fachkräftemangels, ganz besonders.