Von Isabel Christian

Man könnte es darauf schieben, dass die Abgeordneten die Geschichte am Vortrag schon einmal gehört haben und sich seitdem höchstens kleine Details verändert haben. Agrarminister Christian Meyer spricht jedenfalls während der Dringlichen Anfrage zum Fipronil-Skandal gut 20 Minuten lang hauptsächlich für sich selbst. In den Fraktionen sind mehrere Stühle unbesetzt, die Anwesenden befassen sich mit anderen Dingen. Selbst bei den Grünen ist nicht jeder bei Ohr, wenn Meyer detailliert auflistet, wer wann welche Eier auf das Insektizid geprüft hat und warum.

Die Parteikollegen klatschen jedoch zuverlässig, als Meyer den Vorwurf des Bundesagrarministers Christian Schmidt scharf zurückweist, Niedersachsen hätte schon seit Mai vom Fipronil in Eiern gewusst und nichts gesagt. „Wir haben keine Ergebnisse vertuscht oder verschwurbelt, und wir können kein Ablenkungsmanöver des Bundesagrarministers gebrauchen.“ Bei der SPD dagegen verfängt Meyer mit dem Thema gar nicht. Vom Koalitionspartner bekommt der Agrarminister nur hin und wieder den höflichen Applaus einzelner Abgeordneter.

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Es ist dem Agrarminister anzumerken, dass er in den vergangenen Wochen hauptsächlich über Fipronil gesprochen hat. Denn er kennt sich aus. Routiniert listet er auf, dass er am 21. Juli über das Schnellwarnsystem von Belgien informiert wurde, wonach das für die Lebensmittelproduktion verbotene Insektizid in Eiern und Fleisch aus den Niederlanden gefunden worden ist. Am 28. Juli will er auf diesem Weg erfahren haben, dass vergiftete Eier auch nach Niedersachsen exportiert wurden. Daraufhin habe er Prüfungen für Eier aus Betrieben in Auftrag gegeben, in denen die Firma Chickfriend mit dem verseuchten Desinfektionsmittel gearbeitet hat. „Und wir haben schon ältere Proben zusätzlich untersuchen lassen, da hat der Bundesminister gerade gemerkt, dass die vergifteten Eier kein regionales Problem sind.“

Die Opposition tut sich schwer

Angesichts der Detailfülle fällt es der Opposition schwer, Meyer mit plakativen Argumenten gegen die Wand zu drängen. Helmut Dammann-Tamke als agrarpolitischer Sprecher der CDU versucht es mit mangelnder Aufklärung. „Bitte hören Sie mir jetzt genau zu, denn ich stelle meine Frage sehr präzise“, leitet er ein und erntet Gelächter von den Grünen. Er will von Meyer wissen, ob es wahr sei, dass Niedersachsen bis zum 10. August, 18 Uhr, nur wenige Meldungen über Fipronil-Funde in niedersächsischen Eiern veröffentlicht habe. Während sich die Grünen-Parteikollegen empören, wohin diese Frage führen soll, bleibt Meyer demonstrativ gelassen. „Wir haben alles offengelegt und immer sofort informiert, wenn wir neue Erkenntnisse hatten.“ Mit dem Nachsatz wird seine Stimme aber eine Spur schärfer: „Das wüssten Sie, wenn Sie mir gerade zugehört hätten.“

Wir brauchen eine starke, europäische Gesundheitsbehörde, denn der nächste Lebensmittelskandal kommt sicher  –  Christian Meyer

Regelrecht laut wird Meyer jedoch, als Dammann-Tamke ihn auf eine Kopie eines Dokuments auf der Webseite des Bundesamts für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit anspricht, die der Agrarminister am Vortag als „Fake“ bezeichnet habe. Demnach seien Eier entgegen Meyers Aussage schon vor dem Skandal routinemäßig auf Fipronil zu prüfen gewesen. „Sie kommen mit Behauptungen, die nicht mal der Bundesminister in Erwägung zieht“, poltert Meyer. „Wenn das wahr wäre, hätte man dieses Papier schon viel früher vorgelegt.“ An diesem Punkt mischt sich die SPD zum ersten und einzigen Mal in die Debatte ein, indem der Agrarsprecher Wiard Siebels in einem Zwischenruf von Dammann-Tamke die Herausgabe der fraglichen Kopie fordert. Doch das Wortgefecht währt nur kurz, denn dann tritt der Grünen-Abgeordnete Volker Bajus ans Pult und führt den Minister mit seiner Frage wieder auf unverfängliches Terrain.

Es ist der einzige scharfe Angriff der Opposition gegen Meyer, der selbst gern austeilt und auf dem Parteitag der Grünen jüngst CDU und FDP heftig attackierte. Obwohl das Frage-Antwort-Ping-Pong zwischen Meyer, Dammann-Tamke und dem FDP-Agrarsprecher Hermann Grupe eine gute Stunde dauert, wirkt es nicht, als wollten oder könnten die CDU- und FDP-Abgeordneten Meyer wirklich in Erklärungsnot bringen.

Die Grünen dagegen nutzen Meyers Sicherheit auf diesem Themengebiet, indem sie ihm mit ihren Fragen die Bühne bieten, sich als vorausschauender Macher und konsequentem Verfechter der Null-Toleranz-Linie zu präsentieren. „Wir brauchen eine starke, europäische Gesundheitsbehörde, denn der nächste Lebensmittelskandal kommt sicher“, fordert Meyer und erhält dafür Applaus von den Parteikollegen. Der FDP-Abgeordnete Grupe startet noch einen letzten Versuch. Meyers Forderung würde vom eigentlichen Thema ablenken und Scheinsicherheit vorgaukeln, meint er. Doch darauf geht Meyer nicht mehr ein. Auch die SPD-Fraktion verkneift sich eine Reaktion. Vielleicht, weil die Abgeordneten keine Notwendigkeit sehen, dem Agrarminister beizuspringen. Oder weil das Thema sie schlichtweg nicht mehr interessiert.