Darum geht es: Niedersachsens Finanzminister Reinhold Hilbers ist in keiner beneidenswerten Lage. Für die Nord/LB, der es zwar gut geht, die aber für die Zukunft eine kräftigere Kapitalbasis braucht, muss er einen privaten Investor finden. Aber von immer mehr Seiten werden Wünsche und Bedingungen formuliert, die am Ende die Attraktivität der Bank für jeden Kaufinteressenten schmälern. Ein Kommentar von Klaus Wallbaum.

Nun auf einmal ist von den Chinesen die Rede. Investoren aus dem fernöstlichen Reich seien interessiert, in die Nord/LB einzusteigen, berichtete die „Wirtschaftswoche“ vor ein paar Tagen. Sogar Namen wurden genannt. Geldgeber aus China? Das hat in Deutschland keinen guten Klang, es weckt vielmehr Ängste und Abwehrreflexe. Nicht mal einen Monat ist es her, dass die Bunderegierung den Einstieg der Chinesen bei einem deutschen Stromnetzbetreiber ausbremsten. „Sicherheitspolitische Erwägungen“ wurden genannt. Und wie ist es bei unserer Landesbank, der altbewährten Nord/LB? Wäre der Bankenplatz Hannover dauerhaft gesichert, wenn hier erst die Chinesen mitbestimmen können?

Es gibt Beobachter, die halten das Gerede über die Interessenten aus dem Fernen Osten für einen politischen Schachzug. Man könnte so womöglich den Druck erhöhen, um zu einer ganz anderen als einer Investorenlösung zu gelangen. In Wahrheit, heißt es, ist in fast jedem Paket eines möglichen Privatinvestors auch chinesisches Geld enthalten, das bringen die internationalen Verflechtungen so mit sich. Das hieße aber nicht, dass die einen (die Chinesen) die „bösen“ Investoren seien und die anderen (die Amerikaner mit „Cerberus“) die „guten“. Aber mit dem Schüren der Angst vor einer Fremdbestimmung durch Peking lässt sich vielleicht der Entscheidungsprozess beschleunigen – denn schon seit vielen Monaten wird über die Zukunft der Nord/LB spekuliert, und der Aufsichtsratschef Reinhold Hilbers, Finanzminister in Niedersachsen, muss alles mit ansehen, ohne den Prozess wirklich steuern zu können. Zu viele Kräfte reden mit, die EU, die deutsche Bankenaufsicht und auch die Koalitionspartner SPD und CDU in Niedersachsen, die auch nicht immer dasselbe wollen. Vor allem in der SPD sehen viele private Investoren als Quelle des Übels.

Hilbers‘ aktuelles Dilemma lässt sich kurz so zusammenfassen: Jeder gute Investor, der dauerhaft Kapital in die Bank stecken und dieses Engagement ernsthaft verfolgen will, möchte Einfluss auf die Geschicke der Nord/LB nehmen können. Aber dieser Spielraum wird immer kleiner. Hilbers selbst hat die Devise ausgegeben, maximal 49,9 Prozent der Bank veräußern zu wollen, die Mehrheit soll also im Besitz der öffentlichen Hand (Länder und Sparkassen) bleiben. Außerdem haben SPD und CDU aus Braunschweig schon betont, dass die dortige Landessparkasse – ein Teil der Nord/LB – auf jeden Fall frei vom Einfluss des Investors bleiben müsse. Sie solle „eingekapselt“ werden. Das sind nun zwei abschreckende Botschaften für jeden ernsthaften Investor. Zugestanden: Die zwingende Mehrheit für die staatlichen Anteilseigner ist eine wichtige Voraussetzung dafür, dass die Nord/LB im Haftungsverband der Sparkassen und Landesbanken bleiben kann, was auf jeden Fall erstrebenswert ist. Nun wäre es darüber hinaus aber möglich, trotz des auf 49,9 Prozent beschränkten privaten Anteils einige Regeln einzuführen, die dem Minderheitsbeteiligten weitgehende Mitsprache einräumen – Quoren von mindestens 60 Prozent bei wichtigen Investitionsentscheidungen etwa, auch die Vorgabe, den Aufsichtsratsvorsitz nicht mehr beim Finanzminister zu belassen. Das würde den Einstieg bei der Nord/LB für Investoren sicher reizvoller machen – aber gleichzeitig geriete der Finanzminister damit in die Gefahr, die Macht in der Bank schrittweise abzutreten.

Die sauberste Lösung wäre vermutlich, die Braunschweiger Landessparkasse aus der Nord/LB herauszulösen und sie den Kommunen (oder dem Sparkassenverband) zu übertragen. Womöglich kostet das Geld, und das Land müsste den klammen Kommunen dabei helfen. Im zweiten Schritt könnte dann die Nord/LB vielleicht zu 60 oder 80 Prozent verkauft werden. Nur: Was hieße das für die 6200 Arbeitsplätze des Unternehmens? Was wäre mit dem Einfluss Niedersachsens? Würde Hilbers dann nicht als jemand dastehen, der die eigentlich leistungsfähige Bank leichtfertig auf dem freien Markt geopfert hat?

Je länger die Ungewissheit dauert, desto mehr Bedenken werden gegen eine Privatisierung laut. Das lässt die Chance einer anderen Lösung größer werden, nämlich einer Fusion zwischen der Nord/LB und der Helaba in Hessen. Das Risiko ist auch hier riesig, denn der Hauptsitz einer „Landesbank für Nord- und Mitteldeutschland“ drohte dann nach Frankfurt/Main abzuwandern – wenn es nicht eine sehr kluge und wohlüberlegte andere Regelung gäbe. Immerhin würde alles in öffentlich-rechtlicher Hand bleiben, was für viele politische Kräfte gleichbedeutend wäre mit dem Gefühl, in Sicherheit und Geborgenheit aufgehoben zu sein.

Ob es soweit kommen kann? Vor der hessischen Landtagswahl am 28. Oktober tut sich sicher nichts, und wer danach im Wiesbadener Parlament regiert, ist derzeit völlig offen. CDU und Grüne werden es allein wohl nicht mehr schaffen. Das macht die Sache dann auch nicht leichter.

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