Worum geht’s bei der Agrarreform?

Im Dezember 2016 hat die Landesregierung einen Gesetzesentwurf vorgelegt. Der soll zum einen dafür sorgen, dass Landwirte Teile ihrer Höfe nicht an Spekulanten verlieren können. Zum anderen soll verhindert werden, dass die Pacht- und Kaufpreise für Land immer weiter steigen.

Was war der Auslöser?

In der brandenburgischen Prignitz meldet Mitte 2016 ein Agrarkonzern Insolvenz an. An sich nichts Ungewöhnliches. Doch dann wird bekannt, dass die KTG Agrar noch vor dem Insolvenzantrag einen dubiosen Deal mit dem Versicherungskonzern Munich Re (Münchener Rück) gemacht haben soll. 2300 Hektar Land überschrieb KTG an seine Tochtergesellschaft ATU Landbau GmbH. Normalerweise müssen Landverkäufe solcher Größe genehmigt werden, um zu verhindern, dass sie Spekulanten in die Hände fallen und Bauern, die das Land bewirtschaften würden, leer ausgehen. Doch weil ATU ein Landwirtschaftsbetrieb ist, gab es beim Landkreis keine Bedenken. Bis wenige Tage später dieses Unternehmen zu 94,5 Prozent von einer Tochtergesellschaft der Munich Re gekauft wurde. Mitsamt der Flächen, für die nun keine Genehmigung mehr nötig war. Das brandenburgische Landwirtschaftsministerium prüft nun, ob das überhaupt legal war.

Warum ist das so brisant?

Die niedrigen Zinsen am Geldmarkt zwingen Investoren, nach immer neuen Möglichkeiten der Geldanlage Ausschau zu halten. Nachdem der Immobilienmarkt in Deutschland weitgehend abgegrast wird, versprechen sich Großkonzerne nun von landwirtschaftlichen Flächen eine größere Rendite – und bieten Landwirten immer häufiger Deals an. Etwa, Teile ihres Landes zu verkaufen, um es dann zurückzupachten. Da immer mehr Nicht-Landwirte um die Flächen konkurrieren, steigen die Preise für das Ackerland enorm an. Zudem verdrängen die Spekulanten kleine und mittlere Agrarbetriebe, da diese sich die Kosten für die Pacht oder gar den Kauf des Lands kaum noch leisten können. In diesem Fall kommt noch dazu, dass durch das Geschäft mit der Munich Re das Vorkaufsrecht für Landwirte ausgehebelt wurde, indem ATU formal weiterhin als Besitzer der Flächen gilt.

Die Idee einer „Pachtpreisbremse“ gab es aber schon vorher…

Rot-Grün hat bereits im Koalitionsvertrag festgeschrieben, die Spirale der steigenden Preise beim Ackerland anhalten zu wollen. Vorbild für die Pachtpreisbremse ist Baden-Württemberg. Dort ist der Verkauf eines Ackerlands an wen auch immer verboten, wenn der Preis um 20 Prozent höher ist, als in dieser Gegend normalerweise für Ackerland bezahlt wird. Ackerland wird nicht nur als Spekulationsobjekte stärker nachgefragt, auch durch mehr Maisanbau für Biogasanlagen, Abladeflächen für überschüssigen Dünger und den Bau von Maststellen werde die Flächen für den Anbau von Nahrungsmitteln immer weniger.

Was hatte das Landwirtschaftsministerium geplant?

Zum einen eine Kauf- und Pachtpreisobergrenze. Verkauft oder verpachtet ein Landwirt sein Ackerland für über 30 Prozent mehr Geld, als ein vergleichbares Stück Land in der Region kostet, dann soll er ein Bußgeld zahlen müssen. Zum anderen eine strenge Regelung, wer das angebotene Land überhaupt kaufen darf. Zuerst das Land, der Bund oder die Kommune ein Kaufrecht haben, etwa für Ausgleichsflächen. Danach sollen örtliche Bauern bervorzugt werden. Das soll auch gelten, wenn Investoren die Betriebe später übernehmen, so wie in Brandenburg. Gibt es mehrere Interessenten, so soll erst der Pächter kaufen dürfen. Ist unter den Interessenten aber kein Pächter, soll eine Rangfolge nach Punkten entscheiden. Die Punkte gibt es etwa für ökologische Landwirtschaft, Junglandwirte oder kleine Höfe. Vom Kauf komplett ausgeschlossen werden sollten Großhöfe, die entweder mehr als 80 Quadratmeter Fläche bewirtschaften oder schon 25 Prozent der Flächen in einer Gemarkung besitzen.

Viele Äcker werden auch benötigt, um Mais für Biogasanlagen anzubauen. Foto: Christian

Wer ist dagegen?

Die Bauern: Sie wehren sich hauptsächlich gegen die Ungleichbehandlung. Größere und leistungsfähigere Betriebe werden ausgeschlossen, während kleine und wenig rentable Höfe der Vielfalt wegen bevorzugt werden. Auch, dass ökologische Landwirtschaft der konventionellen Landwirtschaft gegenüber durch das Punktesystem bevorzugt wird, stößt auf wenig Verständnis.

Die Kommunen: Sie sollen die Aufsicht darüber führen, wer in ihren Landkreisen welches Ackerland an wen zu welchem Preis verkauft. Doch damit sehen sie sich überfordert. Es fehle an der nötigen IT und den fachkundigen Mitarbeitern. Es müssten Datenbanken zu Eigentums- und Pachtverhältnissen angelegt werden. Die Aufgabe sei für sie mit hohem personellen Aufwand verbunden, ohne dass sie dadurch Gebühren einnehmen könnten.

Rechtswissenschaftler: Der Kölner Rechtswissenschaftler Prof. Otto Depenheuer geht davon aus, dass der Gesetzesvorschlag in seiner Ursprungsversion gleich in mehreren Punkten verfassungswidrig ist. Zum einen, weil das Land zwar die Zuständigkeit für das Grundstücksverkehrsrecht hat, diese aber nicht dazu gebrauchen dürfe, die Verteilung von Grundstücken auf dem Markt zu regeln. Damit überschreite das Land seine Kompetenzen. Zum anderen werde die im Grundgesetz festgeschriebene Eigentumsgarantie nicht mehr beachtet.

Die CDU: Der agrarpolitische Sprecher der CDU, Helmut Damann-Tamke, bezeichnet die Preisobergrenze als „praxisfern“. Denn nicht die Investoren allein trieben die Preise nach oben, sondern der massiv steigende Bedarf von Flächen für ökologische Aufgaben, etwa für die Lagerung von überschüssiger Gülle oder den Anbau von Mais für Biogasanlagen. Deckelt man den Gewinn, den Bauern mit dem Verkauf ihrer Länderen erzielen können, so könne man sie in den Ruin treiben. Hat ein Landwirt hohe Schulden, so wird er sie nicht einmal durch den Verkauf seiner Äcker los.

Wie ist der Stand jetzt?

Meyers Entwurf wurde nach der Kritik noch einmal überarbeitet. Der Passus, dass Landwirte mit über 80 Hektar Fläche vom Kauf ausgeschlossen sind, wurde gestrichen. Auch die Kommunen sollen entlastet werden, indem es keinen „Pachtpreisspiegel“ über die Entwicklung der regionalen Pachtpreise soll es nicht geben. Nach der Sommerpause wird in den Ausschüssen über den Entwurf beraten.