Waldbesitzer, Unternehmer, Gewerkschaften und Energiebranche sprechen sich für mehr Windkraft im Wald aus. Woanders wird da schon eifrig gebaut, in Niedersachsen nicht. | Foto: GettyImages/Bim

Umweltminister Olaf Lies (SPD) will die niedersächsischen Wälder für die Windkraft öffnen. Doch eine entsprechend geplante Regelung im Entwurf des neuen Landesraumordnungsprogramms (LROP) stößt bei Umweltverbänden auf „völliges Unverständnis“. Unternehmer, Gewerkschafter, Energiebranche und auch die Waldbesitzer stärken nun aber dem Umweltminister den Rücken. „Wir brauchen jetzt ein klares Bekenntnis für Windenergie im Wald“, sagt der niedersächsische Waldbesitzer-Präsident Philip Freiherr von Oldershausen angesichts von Klimawandel und Ukraine-Krise. Landesweit gebe es mehr als 50.000 Hektar Waldfläche, die nach Sturm, Dürre und Käferbefall stark beschädigt sind. Diese Gebiete würden sich für Windenergieanlagen anbieten, zumal die Kosten für die völlige Wiederaufforstung ohnehin unerschwinglich sind, schlägt von Oldershausen vor.

Laut dem Förster aus dem Landkreis Northeim könnte die Verpachtung weniger schutzbedürftiger Waldflächen sogar die Wiederaufforstung historischer Waldstandorte finanzieren. Der Verbandschef betonte, dass es nicht darum gehe, überall Windkraft zu erlauben – nur dort, „wo zurzeit kein Baum steht, der Wind weht und der Erschließung keine großen Hürden entgegenstehen“. Zudem sagte von Oldershausen: „Ein Windrad bedroht nicht den Wald als Ganzes und benötigt auch nicht mehr Fläche als im offenen Land.“ Der Platzbedarf pro Anlage entspreche etwa einem Bolzplatz.

Treten für Windkraft im Wald ein (von links): Peter Klug, Petra Adolph, Volker Müller, Philip Freiherr von Oldershausen und Silke Weyberg. | Foto: Link

„Die Areale, die aktuell für die Windkraft ausgewiesen sind, reichen nicht aus“, bestätigte Peter Klug vom Grünstromerzeuger Alterric. Das Unternehmen mit Sitz in Aurich betreibe bundesweit schon 120 Windräder im Wald, aber noch keines in Niedersachsen. „Dabei ist es naturschutzrechtlich eher geboten, in den Wald zu gehen als auf Ackerlandschaften“, sagte Klug. Mit der Devise „Weiter so!“ werde man die Klimaziele bis 2045 nicht erreichen. Die Grünstombranche spüre zwar den Rückenwind, jetzt müsse man aber auch Taten folgen lassen. „Wir dürfen in diesem Diskurs nicht zu sehr über Tabus stolpern und nicht zu formalistisch die Kriterien setzen“, sagte der Projektentwickler und forderte eine Beschleunigung der Genehmigungsverfahren, die für eine Windkraftanlage derzeit etwa fünf bis sieben Jahre dauern würden. „Der längste Part sind die naturschutzrechtlichen Gutachten“, sagte Klug. Der Teil zum Emissionsschutz lasse sich in der Regel einfach abhandeln.

Windkraft auf drei Prozent der Waldfläche möglich

„Wir müssen vom Individuumsschutz wegkommen zum Populationsschutz“, bestätigte Silke Weyberg. Sie meinte die Abkehr von dem Prinzip, bei nur einem einzigen oder wenigen schutzwürdigen Tieren Verbote für Windkraft vorzusehen. Die Geschäftsführerin des Landesverbands Erneuerbare Energien (LEE) fordert vor allem Verlässlichkeit für die Investoren. „Der Gesetzgeber muss den Kommunen unbedingt Hilfestellung leisten, um sie in die Lage versetzen, rechtssicher agieren zu können – in der Raumordnung und bei Genehmigungen“, sagte Weyberg. Die LEE-Chefin rechnet damit, dass bei einer „behutsamen Öffnung der Wälder für Windenergie“ etwa drei Prozent der niedersächsischen Waldflächen für Windkrafträder ausgewiesen werden können. Außerdem drängt der LEE darauf, dass die Kommunen in die Lage versetzt werden, Freiflächen-Photovoltaik auszuweisen.

LEE-Chefin: „Wir sind Billigmacher, keine Preistreiber“

„Wir sind nicht die Preistreiber, wir sind die Billigmacher“, betonte LEE-Chefin Weyberg. Auch Volker Müller, Hauptgeschäftsführer der Unternehmerverbände Niedersachsen (UVN) machte deutlich, wie wichtig eine gesicherte und bezahlbare Stromversorgung durch erneuerbare Energien ist. „Die dramatisch gestiegenen Energiepreise gefährden die Wettbewerbsfähigkeit des Standortes Niedersachsen“, sagte Müller und ergänzte: „Das Ganze wird verschärft durch die Ukraine-Krise.“ Bei einem Industriestrompreis von 15 bis 18 Cent pro Kilowattstunde rechne sich die stromintensive Produktion in Deutschland nicht mehr. Auch die Gewerkschafterin Petra Adolph fürchtet deswegen um viele Jobs. „Aus unserer Sicht sind besonders die mittelständischen Unternehmen bedroht, die Energie nicht langfristig genug eingekauft haben“, sagte die Vizechefin des IGBCE-Landesbezirks Nord. Um die Beschäftigung in den energieintensiven Betrieben zu sichern, müsse die Politik bei der Energiewende an drei Stellschrauben drehen: Fristverkürzung, Rechtsklarheit und Digitalisierung der Verfahren. In Richtung der Umweltschutzverbände sagte Adolph: „Bund und Nabu müssen auch mal die eine oder andere Kröte schlucken.“

„Der Staat hat Energie bisher als Kuh betrachtet, die man wunderbar melken kann“, ärgerte sich UVN-Chef Müller und kritisierte: „Wir wissen heute schon, was wir alles abschalten werden. Aber wir haben völlig vergessen, den Ersatz dafür seriös zu planen.“ Aus Sicht des Unternehmervertreters müssen deswegen dringend die Genehmigungsverfahren entschlackt werden. Müller: „Das ist eine Chance für Niedersachsen. Wenn wir zeigen, was möglich ist, wird das auch die Industrie beeindrucken.“