Jahrelang waren die Handwerksberufe nicht sonderlich gefragt in Deutschland – das Studium hatte einen besseren Ruf. Peter Karst, Hauptgeschäftsführer der Handwerkskammer Hannover, sieht diesen Trend zumindest in seiner Organisation längst gebrochen. Das Handwerk erlebe wieder einen, wenn auch kleinen, Zulauf. Darin sieht er ein Hoffnungszeichen, wie Karst im Rundblick-Interview mit Martin Brüning erläutert.

Rundblick: Herr Karst, Sie sind als Jurist der Hauptgeschäftsführer der Handwerkskammer. Wie steht es um Ihre handwerklichen Fähigkeiten?

Karst: Ich bin froh, dass es ein so aktives Handwerk gibt – und beneide jeden Menschen um seine Fähigkeit, mit dem Kopf die Hände zu kontrollieren und etwas Sinnvolles dabei herauskommen zu lassen.


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Rundblick: Macht es Ihnen nicht Sorge, dass die Bewerberzahlen für das Handwerk zurückgehen?

Karst: Das ist ein bundesweites Phänomen. Für die Handwerkskammer Hannover kann ich allerdings berichten, dass wir seit drei Jahren ein stabiles Niveau bei den Ausbildungsverträgen haben – mit einem leichten Trend nach oben. Mehr junge Menschen entdecken hier ihre Zukunftsperspektive, erfreulicherweise auch viele mit Abitur. In der Handwerkskammer Hannover liegt die Abiturientenquote bei den Auszubildenden bei 14 bis 15 Prozent, das ist ganz ordentlich und spricht für den Erfolg unserer Angebote. Nach Gesellenbrief und Meisterbrief sind auch weitere Schritte in Richtung akademischer Ausbildung möglich. Das ist eben das Besondere am Handwerk: Jeder kann seinen Weg finden – und zwar in der Geschwindigkeit, die er selbst für angemessen empfindet.

Rundblick: Aber ist es nicht so, dass viele junge Leute sich nicht mehr wortwörtlich „die Hände schmutzig machen“ wollen, also einen Bürojob vorziehen?

Karst: Nein, das sehe ich nicht so. Es mag sein, dass in der Generation der heute 40- oder 50-Jährigen diese Haltung noch stark vertreten war, dass es dort noch die Auffassung gab, allein der akademische Job mache selig. Heute sehe ich immer stärker einen anderen Trend. Wenn sich Kinder entfalten wollen, stehen sie früh auf und lieben es, mit ihrer Hände Arbeit und ihrer Phantasie aus den Dingen etwas zu gestalten. Wer sich so verwirklichen will, für den liegt nichts näher als das Handwerk. Hier verbinden sich mehrere klare Vorteile im Berufsleben: Die aktuelle Präsenz im täglichen Tun, die Kreativität, das direkte Lösen der Probleme und der Kontakt mit den Leuten, für die man arbeitet und die man mit seiner Arbeit glücklich machen kann. Das sind unschätzbar viele positive Eigenschaften des Handwerkerdaseins.

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Rundblick: Aber in der medialen Welt fristen die Handwerker doch oft noch ein Schattendasein…

Karst: Das mag in vielen Fällen so sein, aber das liegt dann auch daran, dass die Programmverantwortlichen etwa im Fernsehen einer Generation angehören, die diese Wertschätzung für das Handwerk noch nicht hatte.

Rundblick: Gibt es nicht auch einen Gegensatz zwischen der Digitalisierung, die unsere Welt zunehmend bestimmt, und dem ganz praktischen Handeln der Handwerker? Wenn die Toilette verstopft ist, muss der Handwerker ran und die Rohre wieder frei machen…

Karst: Ja, sicher. Aber das ist es ja nicht nur. Im Handwerk der Zukunft spielen auch Systeme eine Rolle, die dem Hausbesitzer frühzeitig anzeigen, wenn ihre Rohre zu verstopfen drohen, oder wenn das Parkett so stark abgenutzt ist, dass es abgeschliffen werden muss. Digitalisierung gibt es in der Welt der Handwerker an allen Ecken und Enden – und das macht es ja gerade so interessant, weil damit auch eine intellektuelle Herausforderung verbunden ist.

An allen Ecken muss die Berufsorientierung und die Berufsvorbereitung besser werden – in den Schulen, bei den Arbeitsagenturen, auch bei uns, der Handwerkskammer.

Rundblick: All das, was Sie sagen, scheint aber oft im Bildungssystem noch nicht angekommen zu sein. Schauen Sie nur, mit viel Mühe die Defizite im Berufsschulwesen ausgeglichen werden müssen…

Karst: An allen Ecken muss die Berufsorientierung und die Berufsvorbereitung besser werden – in den Schulen, bei den Arbeitsagenturen, auch bei uns, der Handwerkskammer. Sicher ist auch in den Gymnasien noch viel zu tun, und es ist schade, dass manche Philologen das wohl noch nicht so sehen. Der neue Erlass der Landesregierung zur Stärkung der beruflichen Orientierung im Unterricht ist ein erster guter Schritt in diese Richtung, das ist sehr zu begrüßen. Wir müssen noch mehr Lehrer überzeugen, dass Vielfalt zu der besonderen Stärke unserer Gesellschaftsordnung gehört, Vielfalt auch als Verbindung von akademisch-theoretischer Ausbildung und praktischer Anwendbarkeit.

Rundblick: Das neue Jahr hat gerade begonnen. Was wünschen Sie sich für das Handwerk von der Politik?

Karst: Zunächst finde ich, der Spruch von der „Politik der ruhigen Hand“ ist nicht schlecht. Es geht nicht um hektische, sondern um wohlüberlegte Schritte. Die Politik sollte den Fokus zurück auf den Mittelstand legen und die Sozialpartnerschaft von Arbeitgeberverbänden und Gewerkschaften. Manche Debatten verdienen es, wenn man sie um das nötige Augenmaß ergänzt. Das gilt etwa für die Elektromobilität – oder auch um die Sonnenenergie. So schön es ist, dafür Konzepte zu entwickeln, so geht es am Ende doch immer auch um praktische Fragen: Wer befestigt die Solaranlagen auf den Dächern? Wer stellt und bearbeitet die nötigen Baugenehmigungen dafür? Wo können die Fahrzeuge parken, die diese Anlagen anliefern?