Der Landesvorsitzende des Niedersächsischen Beamtenbundes (NBB), Martin Kalt, pocht auf die Übertragung des Tarifabschlusses für den öffentlichen Dienst auf die Beamten. „Es wird Zeit, dass auch den Beamten wieder mehr Wertschätzung gezeigt wird“, sagt Kalt im Interview mit dem Politikjournal Rundblick.

Vor allem Beamte unterhalb der Besoldungsgruppe A9 könnten den Kürzeren ziehen, warnt Martin Kalt, Landesvorsitzender des Niedersächsischen Beamtenbundes im Gespräch mit Klaus Wallbaum (l.) und Niklas Kleinwächter (r.) – Foto: DQM

Rundblick: Die Landesregierung hat angekündigt, den Tarifabschluss für den öffentlichen Dienst der Länder wirkungsgleich auch auf die 200.000 Landesbeamten und Pensionäre übertragen zu wollen. Damit müssten Sie doch zufrieden sein, oder?

Kalt: Das Signal klingt erst einmal gut, wir haben uns auch darüber gefreut. Nun kommt es sehr stark darauf an, wie die Neuregelung im Detail aussieht. Vorgeschlagen ist derzeit eine zweimonatige Verzögerung. Die Angestellten des Landes bekommen ihre Tariferhöhung im Volumen von jeweils 3,2 Prozent zum 1. Januar 2019 und zum 1. Januar 2020, dann noch einmal um 1,4 Prozent zum Jahresbeginn 2021. Nach den bisherigen Plänen der Landesregierung sollen die Beamten aber jeweils erst zum 1. März in gleicher Höhe profitieren. Das halte ich für nicht gerecht. Wir befinden uns dazu in Gesprächen mit der Koalition. Hier Beamten wieder hintenanzustellen, wäre alles andere als attraktivitätssteigernd. Letztendlich geht es ja auch darum, dass die Landesverwaltung in allen Bereichen für den Bürger „erreichbar“ bleiben muss. Können wir die Stellen, die auf Grund von Altersabgängen oder mangelnder Attraktivität frei werden nicht nachbesetzen, verliert die Landesverwaltung die Bindung zum Bürger und umgekehrt.

Rundblick: Sehen Sie dort noch Bewegung?

Kalt: Wir müssen das abwarten. Auf jeden Fall ist „wirkungsgleiche und zeitgleiche Übertragung“ auf die Beamten in meiner Vorstellung anders zu verstehen.

Rundblick: Ist der Zeitfaktor das einzige, was Sie am Plan der Übertragung kritisieren?

Nach unseren Berechnungen würde ein 100-Euro-Sockel für jeden betroffenen Landesbeamten bei der Erhöhung jährliche Mehrkosten für das Land von etwa zwölf Millionen Euro ausmachen.

Kalt: Nein, auch über die Sonderbedingungen müssen wir noch reden. Für die Angestellten war vereinbart worden, dass die 3,2-prozentige Steigerung mindestens aber 100 Euro monatlich betragen muss. Das ist auf diejenigen gerichtet, die sich in den unteren Einkommensgruppen befinden – da bei ihnen die prozentuale Steigerung nicht so stark ins Gewicht fällt. Das muss man auch auf die Beamten übertragen, aber in den bisherigen Vorstellungen von Finanzminister Reinhold Hilbers ist ein solcher Mindest-Sockelbetrag nicht vorgesehen.

Rundblick: Wie relevant wäre das denn überhaupt in Niedersachsen?

Kalt: Das betrifft nach unseren Berechnungen 50.000 Landesbeamte, die unterhalb der Besoldungsgruppe A9 liegen, also in dem Bereich, den wir früher den einfachen oder mittleren Dienst genannt haben. Es geht um Dienststufen zwischen A2 und A9 – und bei ihnen macht nach derzeitiger Berechnung eine 3,2-prozentige Steigerung deutlich weniger als 100 Euro aus. Ein Beamter mit A7 in der dritten Erfahrungsstufe bekommt dann etwa 75,82 Euro mehr, das sind fast 25 Euro weniger als der Angestellte, der einen 100-Euro-Mindestbetrag im Tarifvertrag garantiert bekommen hat. Für den Kollegen mit A16 in der Endstufe macht die Erhöhung 230 Euro aus. Diesen Unterschied halte ich für ungerecht.


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Rundblick: Wie können Sie den Personenkreis näher beschreiben, welche Gruppen fallen darunter?

Kalt: Das können Sachbearbeiter in Finanzämtern sein und in der allgemeinen Verwaltung sein, Mitarbeiter im Justizvollzug oder auch Justizwachtmeister bei den Gerichten. Auch einige Mitarbeiter der Straßenbauverwaltung und Katasterverwaltung können dieser Gruppe angehören. Nach unseren Berechnungen würde ein 100-Euro-Sockel für jeden betroffenen Landesbeamten bei der Erhöhung jährliche Mehrkosten für das Land von etwa zwölf Millionen Euro ausmachen. Das scheint also finanzpolitisch verkraftbar. Lehrer und Polizisten sind übrigens nicht betroffen, da sie regelmäßig einer höheren Besoldungsgruppe angehören. Aber auch in diesem Bereich hinkt Niedersachsen seit Jahren im Bundesvergleich hinterher.

Rundblick: Im Tarifvertrag für die Angestellten der Länder gab es noch eine Sonderregel für die Pflegekräfte…

Kalt: Richtig, diese sollen 120 Euro zusätzlich bekommen. In der Debatte wird häufig vergessen, dass wir in Niedersachsen noch bis zu 900 beamtete Pflegekräfte haben, vor allem in den früheren Landeskrankenhäusern und im Maßregelvollzug. Wollte man auch ihnen zugutekommen lassen, was für die angestellten Pfleger vereinbart wurde, so würde dies das Land noch einmal 12 Millionen Euro zusätzlich im Jahr kosten.

Die Besoldung macht bisher keinen großen Unterschied, ob man in einer ländlichen und kostengünstigen oder in einer sehr teuren Gegend wohnt.

Rundblick: Aber birgt nicht jede Sonderregelung für eine bestimmte Gruppe die Gefahr, das Tarifgefüge für die Beamten durcheinander zu wirbeln?

Kalt: Durchaus. Seit langem fordern wir, das gesamte Gefüge des öffentlichen Dienstes mal genau unter die Lupe zu nehmen. Ich gebe zwei Beispiele. Wir haben immer noch etwa 300 Beamte in Niedersachsen, die nach A2 oder A3 eingestuft sind – etwa Mitarbeiter von Gestüten, Justizwachtmeister oder Fahrer. Die Frage ist, ob diese niedrigen Gruppen noch zeitgemäß sind. Außerdem macht die Besoldung bisher keinen großen Unterschied, ob man in einer ländlichen und kostengünstigen oder in einer sehr teuren Gegend (etwa im Hamburger Umland) wohnt. Man müsste hier mal überprüfen, ob stärkere Unterscheidungen bei der Einstufung und Bezahlung möglich sind.

Rundblick: Und das Thema Weihnachtsgeld?

Kalt: Das Bundesverwaltungsgericht hegt massive Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der niedersächsischen Besoldung – wegen des weggefallenen Weihnachtsgeldes. Wir haben erwartet, dass das Land rasch darauf reagiert und nicht erst das Urteil des Bundesverfassungsgerichts in dieser Frage abwartet. Der Finanzminister will offenbar auf Karlsruhe warten. Dann hoffen wir mal, dass wir von dort recht bald Signale bekommen werden.