Mit diesen Worten erläuterte Finanzminister Reinhold Hilbers am 18. Mai die Ergebnisse der neuesten Steuerschätzung – mit ihren erschreckenden Zahlen für Niedersachsen. Kein Wachstum mehr, sondern ein geschätzter Rückgang der Wirtschaftsleistung um 6,3 Prozent. Keine Mehreinnahmen mehr, sondern Rückgänge von geschätzt zwischen 2,8 und 3,4 Milliarden Euro – je nachdem, ob man den für die Kommunen reservierten Teil mit einbezieht oder nicht. Keine entspannten Runden im Kreise der Minister bei der Gestaltung des nächsten Haushaltsplans mehr, sondern die Notwendigkeit von Prioritätensetzung, und wohl auch – über kurz oder lang – von Kürzungen.

Minister Hilbers wirkt bei alldem nicht gerade glücklich, denn er weiß, wie sehr sich auch für ihn die Bedingungen auf einen Schlag geändert haben. Gern wäre Hilbers wohl als der Finanzminister in die Geschichte Niedersachsens eingegangen, der einen kräftigen Rückgang der Altschuldenlast des Landes hätte vorweisen können. Immerhin, zwei Jahre lang ging das ganz gut – jetzt aber wird die Schuldenuhr wieder vorwärts laufen.

Nun ist Hilbers niemand, der sich den Realitäten verschließt oder ein fanatischer Anti-Schulden-Politiker wäre. Er kennt sich aus in Volkswirtschaft und plädiert daher, ebenso wie viele andere Ökonomen, gegen eine Rotstift-Politik in diesen Krisenzeiten. Im Gegenteil komme es darauf an, die Firmen möglichst zu erhalten, damit die meisten von ihnen nach Durchschreiten der Talsohle wieder durchstarten können. Wenn die Leute erst einmal ihre Arbeitsplätze verloren haben und die Unternehmen pleite sind, wäre es ungleich schwerer, die Konjunktur wieder zum Laufen zu bringen.

Hilbers spricht schon den übernächsten Schritt an

Daher stimmt auch Hilbers ein in den Dreiklang, den derzeit viele Politiker – von Union bis Sozialdemokraten – in Bundes- und Landesregierungen fordern: Erstens Geld zur Überbrückung der Krise für die Branchen, die ohne eigenes Verschulden in eine schwierige Lage geraten sind. Zweitens ein Ausgleich für Bund, Länder und Kommunen, denen die Steuereinnahmen wegbrechen und die ohne neue Kredite jetzt nicht genügend Geld hätten zur Aufrechterhaltung der staatlichen Funktionen, auch der Hilfsfunktionen für die von der Corona-Krise Betroffenen. Und drittens Geld zur Stimulation der Wirtschaft, also Anreize für die Menschen, ihr Geld wieder auszugeben, zu konsumieren und den Wirtschaftskreislauf, der sich bis März dieses Jahres noch ansehnlich gedreht hatte, wieder in Gang zu bringen.

Dass das alles nicht nur national geschehen kann, sondern international begleitet werden muss, da Corona die Weltwirtschaft in einen Tiefschlaf versetzt hat, macht die Sache noch um einiges schwieriger.

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Wie passt nun das Zitat von Hilbers, das er zusammen mit der Steuerschätzung präsentierte, zu diesen aktuellen Herausforderungen? Nur so: Der Minister spricht jetzt den übernächsten Schritt an, und der könnte in der niedersächsischen SPD/CDU-Koalition konfliktbeladen sein. Im Nachtragshaushaltsplan, der im Juni vorgelegt werden soll, dürften Mehrausgaben stehen – und dieser dürfte mit einem Bundes-Konjunkturprogramm abgestimmt sein. Von Kürzungen, Haushaltssperren, Einstellungsstopps oder Personalabbau über eine Verwaltungsreform dürfte dort noch keine Rede sein. Aber „wenn die Krise durchschritten ist“, sagt Hilbers, sei die Zeit gekommen auch für eine Überprüfung der Ausgaben.

Das nächste Problem steht schon vor der Tür

Das ist leichter gesagt als getan. Zunächst einmal müssen die Bedingungen eintreten. Bisher ist es nur eine Hoffnung, aber keine Gewissheit, dass 2021 die Corona-Krise vollständig überwunden ist und die Wirtschaft wieder wächst, hoffentlich sogar kräftig wächst. Dann ist aber durch die enorme Verschuldung in diesem Jahr die Aufgabe gegeben, mit Ausgabekürzungen des Staates auch die Landesfinanzen wieder zu sanieren.

Vorausgesetzt, die Krise ist tatsächlich 2021 vorüber, kommt gleich das nächste Problem: Im Herbst 2021 sind Kommunalwahlen in Niedersachsen, und da Spar- und Kürzungsprogramme gemeinhin als unpopulär gelten, dürften sich die Parteien keinen Wettbewerb um den dicksten Rotstift liefern. Außerdem sind im Herbst 2022 die nächsten Landtagswahlen, und in deren Vorfeld gilt das umso stärker. Wer will schon mit einem Programm in den Wahlkampf starten, das weniger Geld für neue Lehrer, für die Besoldung im öffentlichen Dienst oder für Förderprogramme vorsieht? Hilbers‘ Ansage: „Wir werden uns in Zukunft weniger leisten können“, könnte eine Wunschvorstellung sein, die den Wunsch nach einer sparsamen Haushaltspolitik ausdrückt, zu der womöglich die handelnden Akteure, verwöhnt durch die vielen vergangenen fetten Jahre, gar nicht wirklich in der Lage sind.

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Auch das ist ein Grund, warum dieser Satz des Finanzministers zum Zitat der Woche auserkoren wird: Es könnte eine Ansage sein, die in allernächster Zeit wegen der politischen Rahmenbedingungen gar nicht Realität werden kann. Dann würde es wieder heißen, wie so viele Jahre in der niedersächsischen Landesregierung: Vorerst sucht man den Ausweg für die fehlenden Steuereinnahmen in einer zusätzlichen Verschuldung…