Marco Trips, Präsident des Niedersächsischen Städte- und Gemeindebundes (NSGB), sieht die von SPD und auch CDU versprochene Beitragsfreiheit für die Kindergärten skeptisch. Dies dürfe nicht dazu führen, dass die Kommunen stärker belastet werden, betont er im Gespräch mit dem Politikjournal Rundblick.

Rundblick: Herr Trips, was haben Sie eigentlich dagegen, dass SPD und CDU die Elternbeiträge für Kindergärten abschaffen wollen?

Trips: Gar nichts. Sie sollen es ruhig tun. Gegen Familienförderung haben wir nun wirklich nichts einzuwenden. Was uns skeptisch macht, sind die Erfahrungen mit der Landespolitik. Es geht nicht an, dass die Städte und Gemeinden zur Mitfinanzierern von Wahlversprechen der Landespolitiker werden. Da gilt dann: Wehret den Anfängen!

https://soundcloud.com/user-385595761/wahlkampfschlager-kostenfreie-kitas-stadte-und-gemeinden-sind-besorgt

Rundblick: Woher kommt denn Ihr Misstrauen?

Trips: In den neunziger Jahren hatten wir einen Grundkonsens mit der damaligen Landesregierung geschlossen: Was die Betriebskosten der Kindergärten angeht, wurde eine Drittelung angepeilt. Je ein gleich großer Teil wurde von den Kommunen getragen, von den Eltern über Elternbeiträge und vom Land über den Landeszuschuss. Doch seit jener Zeit haben sich die tatsächlichen Betriebskosten schlagartig erhöht – weil mehr Kinder den Kindergarten besuchen, weil die täglichen Betreuungszeiten länger dauern als früher und weil die Arbeit in den Kindergärten aufwendiger geworden ist. Einige Bürgermeister finanzschwacher Kommunen sagen mir, sie würden so stark mit der Aufgabe der Kindergärten in Beschlag genommen, auch finanziell, dass alle anderen Bereiche darunter leiden. Ihnen wächst die Sache buchstäblich über den Kopf. Für die Feuerwehr und die Dorfgemeinschaftshäuser ist oft kein Geld mehr da, denn die Kindergärten schlucken alles.

Rundblick: Wie konnte das geschehen?

Trips: Das liegt daran, dass das Land Pauschalen überweist, die aber – gemessen am Versprechen, ein Drittel der Kosten zu tragen – viel zu gering sind. Das ist eine Mischung aus Zuweisungen für das Personal und anderen Zuschüssen. Die Beträge sind nicht angehoben worden, obwohl in den Kommunen die Kosten erheblich gewachsen sind. Deshalb haben wir heute die Probleme. Vor einigen Monaten hatten wir eine Untersuchung über die Gemeinden im Landkreis Harburg vorgelegt, und aus der wurde deutlich, dass im Schnitt die Beiträge der Kommunen für die Kindergärten bei 52 Prozent liegen, nicht bei 33 Prozent, wie es eigentlich sein sollte. Um es klar zu sagen: Der Landesanteil für den Betrieb der Kinderkrippen ist wesentlich höher, dort besteht das Problem nicht. Aber bei den Kindergärten hat sich im Laufe der Zeit eine Kostenverschiebung eingeschlichen. Wir wollen zurück zur Drittelfinanzierung, wie sie damals vereinbart war. Das ist unsere politische Forderung Nummer eins.

https://soundcloud.com/user-385595761/kitas-in-niedersachsen-bekommen-mehr-geld-fur-personal

Rundblick: Kann es sein, dass manche Kommunen ihre Elternbeiträge jetzt anheben – in der Erwartung, dass nach der Landtagswahl SPD oder CDU (gleich, wer dann regiert) die Erstattung der Elternbeiträge vornehmen?

Trips: Das wäre als taktisches Vorgehen zu erklären, doch ich glaube das nicht. Viele Kommunen haben über Jahre ihre Elternbeiträge nicht angepasst, auch deshalb, weil eine solche Debatte in den Kommunen nicht nur Freude auslöst. Nun, nach der Kommunalwahl, ziehen einige nach und tun etwas, das eigentlich schon lange hätte geschehen müssen. Viele Erhöhungen sind auch turnusmäßig, also lange geplant und unspektakulär. Trotzdem sehen wir die von SPD und CDU versprochene Beitragsfreiheit für die Kindergärten durchaus mit Sorge.

Rundblick: Warum?

Trips: Die Frage ist doch, was genau das Land dann als Elternbeitrag definiert. Wird ein Pauschalbetrag pro Platz und Kind genommen, so könnte dieser unter den tatsächlichen Elternbeiträgen in einigen Kommunen liegen. Die Konsequenz wäre dann, dass die Gemeinde draufzahlen muss. Das wollen wir vermeiden. Möglich wäre etwa, dass das Land direkt den Eltern die Beiträge erstattet und nicht den Kommunen, dann würde jeder von der Kommune verlangte Beitrag vom Land finanziert. Es gibt noch eine andere Möglichkeit: Die gesamten Betriebskosten werden gemessen, die Eltern werden von der Beitragspflicht befreit und das Land übernimmt zwei Drittel der Kosten. Das wäre dann die Einlösung der Zusage, die uns Kommunen in den neunziger Jahren gegeben wurde.