War die Polizei zu voreilig, als sie in Hamburg wegen einiger Vermummter eine Demonstration auflöste? Der Einsatz am vergangenen Donnerstag am Fischmarkt löste erneut Diskussionen über die Strafbarkeit von Vermummung aus, die in Niedersachsen kürzlich mit dem neuen Versammlungsgesetz gekippt wurde. Alexander Zimbehl, Vorsitzender der Deutschen Polizeigewerkschaft Niedersachsen, fordert nun gegenüber dem Rundblick, das wieder rückgängig zu machen. „In Hamburg hat sich wieder gezeigt, dass man auf gewaltbereite Autonome nicht deeskalierend einwirken kann. Welches politische Signal senden wir, wenn wir dann Vermummung zur Vorbereitung einer Straftat dulden?“ Matthias Karsch vom Bund deutscher Kriminalbeamter (BdK) hält ein Vermummungsverbot nicht für zwingend notwendig. Er spricht sich allerdings für den Einsatz von Gummigeschossen aus, wenn Beamte so massiv von Autonomen angegriffen werden wie während des G20-Gipfels.

Der G20-Gipfel hatte für die Polizei in Hamburg schon ungünstig begonnen. Weil sich mehrere Dutzend Teilnehmer vermummten, griffen die Beamten am Donnerstagabend schon kurz nach dem Start der Demonstration auf dem Fischmarkt ein, versuchten die Vermummten zu ergreifen – und eröffneten damit die erste schwere Krawallnacht. Am Tag darauf bekam die Einsatzleitung das harte Vorgehen vorgeworfen. Es wäre zur Deeskalation besser gewesen, die Demonstranten erst einmal laufen zu lassen, vermummt oder nicht. In Hamburg ist Vermummung keine Straftat, sondern nur noch eine Ordnungswidrigkeit. Das gilt seit April auch in Niedersachsen.

 

Zimbehl hält das frühe Eingreifen der Polizei bei der „Welcome to Hell“- Demo auf dem Fischmarkt für gerechtfertigt: „Es war der einzig gangbare Weg, um Schlimmeres zu verhindern.“ Er ist überzeugt, dass die gewaltbereiten Demonstranten andernfalls auch in der Nähe der Elbphilharmonie oder der Messehallen randaliert hätten. „Mit den Autonomen, vor allem den Mitgliedern des Schwarzen Blocks, lässt sich nicht reden“, warnt Zimbehl. Wie zahlreiche Handyvideos von brennenden Autos und die Ereignisse am Freitagabend im Schanzenviertel zeigten, würden die Autonomen auch ohne Polizei in ihrer Nähe gewalttätig. „Aber die Politik diskutiert über Polizeigewalt“, klagt Zimbehl.

Niedersachsen habe nun die Chance, aus Hamburg zu lernen. „Wir brauchen ein Polizeigesetz, das nicht nur islamistischen Bedrohungen gerecht wird, sondern auch der zunehmenden Gewalt von rechts und links.“ Das werde aber unterwandert, wenn man das Versammlungsgesetz und damit auch das Vermummungsverbot lockere.

 

Zimbehls Amtskollege Matthias Karsch vom BdK hält die Vermummung als Ordnungswidrigkeit an sich nicht für problematisch. „Auf vielen Demos sind es Jugendliche, die sich mal kurz den Schal über die Nase ziehen und gefährlich gucken“, sagt er. Nach einem Anraunzer der Polizei zögen sie den Schal auch ganz schnell wieder herunter. „Aber der Schwarze Block, das ist ein ganz anderes Kaliber“, sagt der BdK-Vorsitzende. „Wenn die sich vermummen, gehen bei der Polizei alle Alarmlichter an.“ Denn dann sei mit Gewalt zu rechnen.

Karsch spricht sich dafür aus, den Polizisten in solchen Situationen noch ein anderes Mittel an die Hand zu geben: den Einsatz von Gummigeschossen. „Im Schanzenviertel mussten mit Maschinenpistolen bewaffnete Spezialkräfte den regulären Einheiten dabei helfen, Ordnung herzustellen. Das habe ich so noch nie erlebt.“ Karsch hat selbst zahlreiche Erfahrungen mit Linksautonomen gemacht, er war unter anderem als Polizist bei den Anti-Atom-Protesten in Gorleben, Kalkar Wackersdorf und Brokdorf im Einsatz. „Bei einer Eskalation wie im Schanzenviertel stellt sich die Frage, ob die Beamten eine niedrigschwellige Waffe wie ein Gummigeschoss brauchen, um die Krawallmacher überhaupt auf Abstand halten zu können.“