Die Agrarbranche in Deutschland gerät zunehmend unter Druck. Das zeigt sich auch in den jüngsten Zahlen, die die hannoverschen Wirtschaftsprüfer von Ernst & Young zusammen mit der Georg August Universität Göttingen in ihrem neuen Konjunkturbarometer Agribusiness zusammengestellt haben. Auf der einen Seite drückt die gesellschaftliche Diskussion um Tierhaltung, Fleischverarbeitung, Düngemengen und Pflanzenschutzmittel auf den Umsatz und die Entwicklung der Branche, auf der anderen Seite positioniert sich die Konkurrenz aus dem Ausland, um auf dem Im- und Exportmarkt zu punkten. Doch es gibt auch gute Nachrichten: Der Einfluss der Digitalisierung wird im Bereich der Agrarwirtschaft immer stärker und bringt zum einen innovative Lösungen für die Herstellung und Verarbeitung von Nahrungsmitteln hervor. Zum anderen eröffnet sie Landwirten und Nahrungsmittelherstellern ganz neue Märkte und Zielgruppen. „Die Ernährungsindustrie differenziert sich extrem aus, das bietet auch kleinen und mittelständischen Betrieben wieder neue Möglichkeiten“, sagt Christian Janze, Leiter des Bereichs Agribusiness bei Ernst & Young Hannover.

Der Fleischkonsum geht zurück

Die Agrarbranche ist im Hinblick auf den Umsatz nach wie vor die drittstärkste Branche im Verarbeitenden Gewerbe, hinter den Autoherstellern und dem Maschinenbau, und liegt mit zwölf Prozent Marktanteil knapp von den Pharma- und Chemieherstellern. Unter Agribusiness werden die der Landwirtschaft vorgelagerten Bereiche (etwa Landmaschinen, Technik, Saatgut, Pflanzenschutz), der Produktion (etwa Ackerbau, Viehzucht) sowie die Bereiche der Verarbeitung (etwa  Mühlen, Molkereien, Schlachthöfe, Bäckereien) und der Märkte (etwa Großhandel, Einzelhandel) zusammengefasst. Der Umsatz der gesamten Branche in Deutschland lag 2018 bei rund 226 Milliarden Euro. Der Großteil davon wird in der Ernährungsindustrie erwirtschaftet, 178 Milliarden Euro waren das im vergangenen Jahr. Zudem arbeiten mit knapp 600.000 Beschäftigten mehr als 90 Prozent aller im Agribusiness Tätigen im Bereich der Ernährungsindustrie. Im Vergleich zum Vorjahr sind die Umsätze in der Ernährungsindustrie leicht zurückgegangen, hauptsächlich durch einen Rückgang beim Export. „Das liegt vor allem an den sinkenden Preisen bei den Rohstoffen“, sagt Ramona Weinrich, Wissenschaftlerin für Agrarökonomie an der Göttinger Uni. Aber auch die Dürre hat die Produktionskosten erhöht und damit dem Umsatz geschmälert.

Beim Fleisch ist die sinkende Nachfrage vor allem durch die Debatte um Tierwohl und ökologische Haltung zu erklären.

Besonders betroffen von dieser Entwicklung sind die Fleisch- und die Milchwirtschaft, zwei Bereiche, in denen Niedersachen ganz vorn mit dabei ist. In der Fleischwirtschaft ging der Umsatz zuletzt um 1,9 Milliarden Euro zurück, in der Milchwirtschaft um 62 Millionen Euro. „Beim Fleisch ist die sinkende Nachfrage vor allem durch die Debatte um Tierwohl und ökologische Haltung zu erklären“, sagt Weinrich. Eine Debatte, die nach Ansicht der Forscher auch in diesem Jahr weitergehen wird. Dazu komme, dass sich der Markt der Fleischersatzprodukte stark erweitert habe. „Viele Start-ups und etablierte Firmen sind damit beschäftigt, Fleischersatzprodukte zu entwickeln, die dem Original sehr ähnlich sind“, sagt Jan-Philipp Huchtemann, ebenfalls Forscher an der Uni Göttingen. Bei den Verbrauchern kristallisiere sich heraus, dass der Fleischkonsum allgemein zurückgehen werde, dafür aber hochwertige Produkte stärker nachgefragt würden. Bei der Milch ist die Nachfrage im Inland zwar noch um 350 Millionen Euro auf 18,9 Milliarden Euro gestiegen, doch der Export bereitet der Branche Sorgen. Denn hier ist die Konkurrenz durch Hersteller, die ihren Tieren billigeres, weil genverändertes Futter geben können, stark.


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Allerdings ist die Branche im Wandel und das liegt vor allem an den Start-ups, die die Agrarbranche zunehmend für sich entdecken. Seien es Algorithmen zur Bestimmung von Pflanzenkrankheiten, Apps zur individuellen Tierfütterung oder Vermarktungsplattformen, die den Landwirt entweder direkt mit dem Endverbraucher oder mit einem Verarbeitungsbetrieb ohne Zutun von Dritten zusammenbringen. „Die Digitalisierung hält Einzug in alle Bereiche der Landwirtschaft und hat in einigen Teilen das Zeug dazu, die ganze bisherige Wertschöpfungskette zu sprengen und neu zu verbinden“, sagt Huchtemann. Allerdings sei das oft mit hohen Kosten verbunden. „Damit hier investiert wird, muss die Branche zunächst wissen, ob das jemanden auf der Welt interessiert, wie künftig produziert wird. Und vor allem, ob genug Menschen bereit sind, dafür zu bezahlen.“