Können Corona-Spürhunde künftig dazu beitragen, dass Kulturveranstaltungen wieder ohne Sorge vor einem erhöhten Infektionsgeschehen durchführbar werden? Seit über einem Jahr forschen Wissenschaftler der Tierärztlichen Hochschule Hannover (TiHo) an dieser Fragestellung. In den kommenden Wochen werden die bisherigen wissenschaftlichen Erkenntnisse nun einem Praxistest unterzogen.

Hündin Cordula hat vor dem Landtag ihren großen Auftritt: Für ein Foto posieren neben ihr (von links) ihr Hundeführer, Landesminister Björn Thümler, Prof. Holger Volk, Leiter der Kleintierklinik TiHo, und der TiHo-Präsident Gerhard Greif. / Foto: Niklas Kleinwächter

Das Team um Prof. Holger Volk, dem Leiter der Kleintierklinik der TiHo, verwandelt dazu eine vierteilige Konzertreihe in eine Versuchsanordnung. Die Konzertbesucher werden gleichsam zu Probanden – die im Gegenzug dazu für den Besuch der Kulturveranstaltung keinen Eintritt zahlen müssen. Den musikalischen Anfang macht die Gruppe „Fury in the Slaughterhouse“, gefolgt von „Bosse“, „Alle Farben“ und schließlich dem Deutsch-Rapper Sido.

Forschungsprojekt wird mit 1,3 Millionen Euro finanziert

Finanziert wird das Forschungsprojekt aus dem Etat von Landesminister Björn Thümler, der dabei die beiden namensgebenden Ressorts seines Hauses zusammenführt: nämlich Wissenschaft und Kultur. Insgesamt werden 1,3 Millionen Euro bereitgestellt, wobei die eine Hälfte auf Personal, den Einsatz der Spürhunde, die (verringerte) Gage der Künstler, Halle, Technik und Bühnenbau entfällt. Die andere Hälfte, knapp 650.000 Euro, wird für PCR-Tests ausgegeben, die Teil der Versuchsanordnung sind. „Ich freue mich, dass die Machbarkeitsstudie jetzt an den Start geht. Es wird Zeit, etwas mehr Normalität zu wagen“, sagte Thümler am Donnerstag in Hannover bei der Vorstellung des Vorhabens. Er sehe dieses neue Testverfahren als Ergänzung zu den bereits bestehenden Kontrollinstanzen, erläuterte er. Schließlich habe erst kürzlich ein Fall in Münster gezeigt, dass sogar bei einer 2G-Veranstaltung, bei der also nur für Genesene und Geimpfte teilnehmen durften, neue Infektionsherde entstehen konnten.

Die Wissenschaftler erhoffen sich nun zeitnah Ergebnisse ihres Feldversuchs, die dann noch im Herbst eine Erleichterung für die gebeutelte Event-Branche bieten sollen. Durchgeführt werden die Konzerte in Zusammenarbeit mit Hannover Concerts, ProEvent Hannover und AWiAS Aviation Services. Auf die Ergebnisse werde aber nicht nur in Niedersachsen oder Deutschland gespannt gewartet, sondern weltweit, erläuterte Prof. Volk, dessen Forschungsteam auch mit der Weltgesundheitsorganisation WHO in Kontakt steht. Die TiHo hat vor gut einem Jahr die erste Publikation zu der Frage herausgegeben, ob Spürhunde eine Corona-Infektion nachweisen können. Obwohl die Ergebnisse zunächst auf Skepsis in der Welt der Wissenschaft gestoßen seien, haben laut Prof. Volk inzwischen 26 Publikationen die ersten Ergebnisse bestätigt: Hunde können anhand von Schweißproben erkennen, ob das Corona-Virus in einen Organismus eingedrungen ist.

Experiment vergleicht Spürhund, Antigen- und PCR-Testung

Doch wie kann diese Erkenntnis nun in der Praxis angewendet werden? „Es wird nicht so sein, dass Hunde durch Menschenmassen gehen und schnüffeln“, erläuterte der leitende Wissenschaftler. Bei den Konzerten wird den Besuchern vor dem Einlass ein Schweiß-Abstrich in der Armbeuge entnommen, der dann in einem abgetrennten Bereich innerhalb kürzester Zeit von den Hunden überprüft werden soll. Dazu verwenden die Wissenschaftler parallel zwei Verfahren, die sie zuvor getestet haben. Bei dem einen Verfahren werden mehrere Proben gesammelt und den Hunden in einer Maschine dargeboten, bei dem anderen Verfahren liegen die einzelnen Proben mit einem Abstand von etwa 20 Zentimetern auf einer Linie bereit, die der Hund in weniger als zwei Minuten beschnüffeln kann.

„Es wird nicht so sein, dass Hunde durch Menschenmassen gehen und schnüffeln.“

Schlägt ein Hund auf eine vermeintlich positive Probe an, wird anschließend ein zweiter Hund als Kontrollinstanz hinzugezogen. Die betroffene Person soll dann noch vor dem Einlass diskret befragt werden, um mögliche Fehlerquellen (etwa eine Long-Covid-Erkrankung) auszuschließen, und zusätzlich noch einem herkömmlichen Test unterzogen. Überhaupt müssen die Probanden bei dem Feldversuch mehrere Tests über sich ergehen lassen, denn bei dem Experiment geht es auch um einen Vergleich von Spürhund, Antigen- und PCR-Testung. Die Veranstalter und die Wissenschaftler gehen aber davon aus, dass sich die Phase der Einlasskontrollen nicht wesentlich im Vergleich zu früher verändern werde.

Von Konzert zu Konzert sollen dann immer mehr Gäste zugelassen werden. Zunächst sind es noch 500, dann 800 und am Ende bis zu 1500 Besucher. Dadurch soll geschaut werden, wo die Leistungsgrenze dieses Test-Regimes liegt. Insgesamt hat die TiHo in Zusammenarbeit mit der Bundeswehr 15 professionelle Sprengstoff-Spürhunde zu Corona-Experten umgeschult. Die Einsatzdauer und die Anzahl der möglichen Proben, die von den Tieren beschnüffelt werden können, variiert dabei allerdings von Tier zu Tier. Beim ersten Konzert sollen fünf bis sechs Hunde im Einsatz sein, die jeweils 20 bis 30 Minuten arbeiten können. Bei der Skalierung dieses Systems bilden bislang noch die Anzahl der Tiere, der Hundeführer und der technischen Testsysteme den limitierenden Faktor, erklärte TiHo-Präsident Gerhard Greif.