In den siebziger Jahren tobte in der hannoverschen SPD ein erbitterter Machtkampf mit vielen Akteuren. Wie Recherchen des Politikjournals Rundblick jetzt zeigen, interessierte sich dafür sogar die Staatssicherheit der DDR. Wir schildern die Ereignisse in einer kleinen historischen Serie. Heute der vierte Teil: Wolfgang Pennigsdorf, der eine Leitfigur der Linken werden sollte.

Drei Dinge kamen bei Wolfgang Pennigsdorf zusammen, eine Mixtur, die eigentlich für politische Spitzenpositionen ideal ist: Der Mann hatte den Mut, mit seiner Meinung auch mal anzuecken – selbst um den Preis, sich bei den eigenen Leuten damit nicht beliebt zu machen. Zweitens war er als Rechtsanwalt und Notar schlau und redegewandt, konnte aus dem Stand heraus eine gepfefferte und intellektuell ansprechende Rede halten, anders als viele Mitstreiter im Landtag, die dazu kaum in der Lage waren. Und drittens stand er für eine Richtung, die Linken in der SPD, die damals um Macht und Einfluss kämpften – mit höchst unterschiedlichen Erfolgen.


Machtkampf in den 70ern:

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Seit vielen Jahren ist Pennigsdorf in der niedersächsischen SPD vergessen. Aber wenn man den mittlerweile 83-Jährigen trifft, ein Mann mit hellwachem Verstand und klarer Formulierungsgabe wie damals, dann lebt ein bisschen seine große Zeit wieder auf – es waren die siebziger Jahre in Hannover, die Periode des Aufbruchs und der Erneuerung in der SPD. In Wetzlar geboren, kam Pennigsdorf 1967 mit 32 Jahren nach Hannover, er wurde Justiziar beim Hauptvorstand der IG Chemie – und suchte eine neue Heimat in der hannöverschen SPD. Dort schloss er sich bald dem linken Flügel an und war beteiligt an den parteiinternen Machtkämpfen der frühen siebziger Jahre. Erst die Wahl von Peter von Oertzen zum neuen SPD-Bezirkschef, dann die Kür von seinem Mitstreiter, Bruno Orzykowski, und ihm selbst zu Landtagskandidaten – jeweils gegen Vertreter des Establishments der SPD. Schließlich der Erfolg der Linken, Herbert Schmalstieg als neuen Oberbürgermeister gegen die Konservativen durchzudrücken. Als nächsten Schritt plante die Linke in der SPD eigentlich, Pennigsdorf zum neuen Parteichef der Stadt-SPD zu machen. Doch im Mai 1972 misslang der Plan, denn diesmal hatten die Rechten in der SPD gegen ihn mobilisiert. Vorsorglich hatten sie auch eine Personaldebatte abgewürgt, denn die Sorge war groß, dass Pennigsdorf mit seiner Redekunst die Versammlung für sich hätte einnehmen können.

„Vielleicht fehlte mir der letzte Wille zur Macht“: Der ehemalige Landtagsabgeordente Wolfgang Pennigsdorf – Foto: kw

Pennigsdorf blieb aktiv im Landtag, wurde in den lokalen Medien weiter als Hoffnungsträger oder großes Talent gehandelt und galt bundesweit als jemand, dem in der SPD die Zukunft gehören könne. Da gab es die Episode einer Demonstration von Hanomag-Beschäftigten, vor der der SPD-Politiker eine Rede halten sollte – und in dem Manuskript auch Kritik am mangelnden Engagement der IG Metall anklingen ließ. Das wurde in SPD-Kreisen als Majestätsbeleidigung aufgefasst, und auf einem Stadtparteitag wetterten viele Parteigrößen wie etwa der spätere Bundesbildungsminister Helmut Rohde gegen Pennigsdorf. Doch dem gelang es wenig später, mit einer sehr klugen und analytischen Rede den Saal wieder zu drehen. „Das rechne ich mir heute noch als einen meiner größten Erfolge an“, sagt er.

Doch die große Karriere blieb ihm versperrt. „Als Zugereister wurde ich nicht überall gemocht“, meint Pennigsdorf. Vielleicht war der häufige Widerspruch gegen die etablierten SPD-Politiker in Stadt und Land auch für ihn nicht förderlich. Nach dem Verlust der Regierungsbeteiligung 1976 legte er sich mit Karl Ravens an, der neuen Leitfigur der niedersächsischen SPD, scheute aber den innerparteilichen Machtkampf und kündigte 1980 an, sich zwei Jahre später zurückziehen zu wollen – mit nur 47 Jahren. Er arbeitete fortan als Anwalt und als Berater, in der Partei spielte er, der einstige Hoffnungsträger, keine wichtige Rolle mehr. „Vielleicht fehlte mir der letzte Wille zur Macht“, sagt er.

Was hält er von der Behauptung in internen Stasi-Dokumenten, der DDR-Staatssicherheitsdienst habe ihm im Landtagswahlkampf 1974 „Unterstützung“ zukommen lassen? „Davon weiß ich nichts“, sagt Pennigsdorf. Gut möglich wäre, dass die Stasi auf ihn aufmerksam wurde, weil er tatsächlich über mehrere Jahre als jemand galt, der künftig in der SPD eine wichtigere Rolle haben könnte. In dem Gespräch mit dem Stasi-Zuträger Wolfgang Seiffert im August 1974 sei es jedenfalls lediglich um juristische Fachtagungen zwischen Bundesrepublik und DDR gegangen, um nichts anderes. Dass Seiffert von der Stasi geschickt wurde, ahnte er damals nicht. Ob die Stasi glaubte, sich früh an Pennigsdorf als einen Aufsteiger in der SPD heften zu können? Oder weil sie alle fördern wollte, die den etablierten rechten Sozialdemokraten in Hannover ein Bein zu stellen imstande waren? Es wird vermutlich für ewig ein Rätsel bleiben. (kw)