Als erster Landkreis in Niedersachsen und zudem einzige Region in Norddeutschland ist das Emsland gestern vom Robert-Koch-Institut zum Risikogebiet für das von Zecken übertragene Frühsommer-Meningoenzephalitis (FSME)-Virus erklärt worden. Diesen Status wird es nun die kommenden 20 Jahre behalten, auch wenn die Zahl der Infizierungen sich als rückläufig erweisen würde. „Das dient der Vorsorge, denn ein Risikogebietsstatus bewirkt mehr Aufmerksamkeit bei der Bevölkerung“, sagt Johanna Sieverding, leitende Amtsärztin des Fachbereichs Gesundheit im Emsland. Aus ihrer Sicht ist die Bezeichnung des Landkreises als Risikogebiet von Vorteil. „Schön ist es nicht, aber jetzt können wir mit mehr Nachdruck für den Schutz vor Zecken werben.“ Zudem übernehmen die Krankenkassen die FSME-Impfung für alle Personen, die dort leben oder dorthin reisen. Bewohner einer Nichtrisikozone müssen die Kosten für eine FSME-Impfung in der Regel selbst tragen. Matthias Pulz, Präsident des Landesgesundheitsamts, betont, dass eine Impfung der einzig wirksame Schutz vor der FSME-Erkrankung sei. „In den meisten Fällen verläuft FSME wie eine leichte Grippe. Aber bei bis zu 30 Prozent der Infizierten treten schwere Krankheitssymptome wie Hirnhautentzündung auf, die Folgeschäden haben oder zum Tod führen können.“ Die Impfung soll aber trotz erhöhtem Risiko nicht zur Pflicht werden. „Sozialministerin Carola Reimann setzt weiterhin darauf, dass sich die Menschen freiwillig für die Impfung entscheiden“, sagt Ministeriumssprecher Uwe Hildebrandt.

Emsland liegt deutlich über Risikoschwelle

    Zwischen 2001 und 2018 sind in Niedersachsen insgesamt 109 Menschen an FSME durch Zeckenbisse erkrankt. 24 von ihnen infizierten sich in Niedersachsen mit dem Virus, der Großteil den vergangenen drei Jahren. Das Emsland, genauer gesagt die Region um Lingen, sticht dabei besonders heraus, weil es hier in den vergangenen drei Jahren insgesamt acht Fälle gegeben hat, allein vier im vergangenen Jahr. Für das Robert-Koch-Institut liefert das den Anlass, den Landkreis als Risikogebiet einzustufen. „Wenn innerhalb von fünf Jahren ein Infizierter auf 100.000 Einwohner kommt, ist die Voraussetzung für ein Risikogebiet gegeben“, sagt Pulz. Das Emsland mit seinen acht Fällen auf knapp 321.000 Einwohner liegt deutlich über der Schwelle. Weitere FSME-Fälle gab es seit 2002 in den Landkreisen Celle, Cuxhaven, Goslar, Helmstedt, Hildesheim, Nienburg, Rotenburg, Wolfsburg und in der Region Hannover.


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    „Natürlich gibt es auch eine Dunkelziffer, denn wenn sich das Virus nur als leichte Sommergrippe zeigt, wird in der Regel nicht ärztlich untersucht“, sagt Masyar Monazahian, Virologe beim Landesgesundheitsamt. „Wie hoch das Dunkelfeld allerdings ist, lässt sich schwer schätzen.“ Denn so häufig werde das Virus in den Zecken gar nicht nachgewiesen. „Wir haben vor kurzem ein umfangreiches Zecken-Monitoring gemacht und rund 47.000 Tiere in ganz Niedersachsen gesammelt“, sagt Monazahian. Dabei wurde das FSME-Virus nur in einigen wenigen Tieren aus Nienburg, Cuxhaven und der Region Hannover nachgewiesen. Um einen größeren Überblick zu bekommen, will das Landesgesundheitsamt daher eine Studie starten, bei der Blutproben von Menschen auf FSME-Antikörper untersucht werden. „Eine solche Studie haben wir schon mit Förstern gemacht. Dabei kam heraus, dass der Großteil der Förster, die schon mal mit dem Virus Kontakt hatten, aus Südniedersachsen kommt“, sagt Monazahian. Und zwar aus dem Bereich, wo bisher kein FSME-Fall gemeldet wurde. Die Forscher haben zwei Theorien, weshalb sich das FSME-Virus nun auch aus dem stark betroffenen Süddeutschland nach Norden ausbreitet. Zum einen durch Vögel. „Der Landkreis Emsland liegt auf einer Route, die viele Vögel auf ihrem Rückweg aus den Sommerquartieren nehmen“, sagt Monazahian. Diese bräuchten die Zecken im Gefieder mit. Eine andere Erklärung sind Haustiere, genauer gesagt, Hunde. „Es ist möglich, dass Hunde, die mit ihren Besitzern in Süddeutschland waren, die infizierte Zecke mit nach Hause gebracht und dort verloren haben.“