Es ist interessant zu beobachten, wie der Rettungsplan für die Nord/LB, den Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) und Finanzminister Reinhold Hilbers (CDU) Ende Januar im tiefen Ton und mit ernster Pose verkündet hatten, gut zwei Monate später plötzlich seine Form verändert hat und weit weniger erschreckend wirkt: Gestern verkündete Hilbers nicht ohne Stolz, dass sich die neuen Eigentümer der Landesbank mit der europäischen und der deutschen Bankenaufsicht auf ein Geschäftsmodell verständigt hätten. Das sieht aber, bei Lichte betrachtet, sehr viel weniger dramatisch aus als die bisherigen Ankündigungen hatten vermuten lassen. Dazu nur drei Beispiele: Erstens soll die „Braunschweiger Landessparkasse“ (BLSK) mit ihren rund 1000 Mitarbeitern nicht bis 2022 ausgegliedert und möglicherweise kommunalisiert werden, wie es zunächst hieß. Sie bleibt jetzt fürs Erste und damit wohl auf Dauer bei der Nord/LB. Ein schwieriger Ablösungsprozess ist damit entbehrlich. Zweitens bleibt auch die Deutsche Hypothekenbank Teil der Nord/LB, sie zählt 400 Mitarbeiter. Drittens ist die Angst, die Nord/LB müsse sich im großen Stil von wichtigen Geschäftsfeldern ganz verabschieden, wohl unberechtigt gewesen – die Landesbank schrumpft tatsächlich, das muss sie auch. Aber sie zieht sich nur aus wenigen Feldern ganz zurück, dazu gehören die höchst umstrittenen Schiffskredite. Also alles halb so schlimm?

Hilbers als Vertreter des größten Eigentümers (Land Niedersachsen) und der Deutsche Sparkassen- und Giroverband (DSGV) als zweitgrößter Eigentümer strahlen gegenwärtig große Zuversicht aus. Dazu kursiert intern folgende Rechnung: Wenn die Schiffskredite draußen sind, die der Nord/LB so viele Kopfschmerzen bereitet hatten, und die Sozialplan-Lasten für den Abbau der Mitarbeiter ebenfalls bewältigt sind, also in etwa zwei Jahren, dann werden sich die Geschäfte der geschrumpften Nord/LB mit der Bilanzsumme von rund 95 Milliarden Euro (anstelle von bisher 180 Milliarden) als höchst lukrativ erweisen. Die Rendite von 8 Prozent für die Eigentümer, die von den EU-Wettbewerbshütern verlangt worden war, könne man dann sicher darstellen. Die Überprüfung in Brüssel hängt mit folgender Überlegung zusammen: Der Staat (also die Länder Niedersachsen, Sachsen-Anhalt und die öffentlich-rechtlichen Sparkassen) dürfen nur dann in die Bank investieren, wenn sie das zu Bedingungen tun, die auch private Investoren einzugehen bereit gewesen wären. Das heißt: Die Nord/LB muss wirklich erheblich saniert werden, wenn die EU beihilferechtlich ihr Okay dazu geben soll.

Kann das klappen? Hier ein paar Risiken und Nebenwirkungen, die zumindest Hilbers‘ Zuversicht in Frage stellen:

Abbau von Mitarbeitern: Bisher hat die Nord/LB 5500 Mitarbeiter, über das laufende Abbauprogramm sollen 1250 Stellen wegfallen. Es müssten dann noch einmal etwa „1000 bis 1200 Stellen abgebaut werden“, erklärte Hilbers gestern, damit die Zielzahl von 3250 Mitarbeitern der künftigen Nord/LB erreicht werden könne. Die Frage ist nun, wie rasch das geschehen kann, zumal ja schon in zwei Jahren das Renditeziel von acht Prozent für die neuen Eigentümer erreicht werden soll. Außerdem gibt es aus früheren Jahren noch Pensions- und Beihilfeverpflichtungen, die das Land Niedersachsen notfalls absichern soll – wohl im Umfang eines dreistelligen Millionenbetrages. Je stärker das Land aber für Personalkosten geradestehen muss, desto kritischer könnten die EU-Wettbewerbshüter das Agieren Niedersachsens beurteilen.

Das Problem der Schiffskredite: Der aktuelle Plan lautet, dass ein Teil der Schiffskredite (im aktuellen Wert von 1,3 Milliarden Euro) von der Nord/LB selbst betreut und allmählich abgebaut werden soll. Bisher vermuten alle, dass dieses Geschäft reibungslos und in der gewünschten Frist von zwei Jahren gelingt, da es sich ja größtenteils nicht um „faule“ Kredite handele. Ist das aber wirklich so? Das Land Niedersachsen soll Garantien für diesen Abbau geben, und zwar in Höhe von 1,3 Milliarden Euro. Damit geht Hilbers über seine bisherige Ankündigung hinaus, dass die Garantien maximal eine Milliarde Euro ausmachen sollten – neben der finanziellen Beteiligung an der Nord/LB von 1,5 Milliarden Euro. Das heißt: Das Engagement Niedersachsens steigt noch einmal, und das dürften die EU-Wettbewerbshüter ebenfalls sehr interessiert zur Kenntnis nehmen. Das gilt umso mehr, als Hilbers nicht ausschließt, dass das Land Niedersachsen die Abwicklung des Schiffsportfolios später auch direkt organisieren, also der Nord/LB ganz abnehmen könnte.

Die Bandbreite der Bankgeschäfte: Die noch im Januar verkündete Sorge, die Nord/LB könne aus bestimmten Bereichen ganz herausgedrängt werden, bewahrheitet sich offenbar nicht. Laut Hilbers bleibt die Bank in wesentlichen Geschäftsfeldern aktiv: Agrarfinanzierung, erneuerbare Energien, Immobilienfinanzierung, Privatkundengeschäft, Verbundgeschäft für Sparkassen und Flugzeugfinanzierung. Nur aus dem überregionalen Kommunalgeschäft, der Schiffsfinanzierung und der KfW-Durchleitung ziehe man sich zurück. Was wegfällt, ist noch die Beteiligung der Nord/LB an der Toto-Lotto GmbH und an der Porzellanmanufaktur Fürstenberg. Was heißt das aber, wenn die Bandbreite der alten Nord/LB-Geschäfte bleibt, nur alles zwei Nummern kleiner geschehen soll? Die Nord/LB würde sicher gern die lukrativen Kreditverträge behalten und andere abstoßen, da nur das am Ende eine hohe Geschäftsrendite sicherstellen kann. Das sehen aber die anderen Landesbanken, die einen Teil der Verträge übernehmen sollen, sicher anders. Da die anderen Landesbanken aber Miteigentümer der Nord/LB sind, droht ein zähes und hartes Ringen in jedem Einzelfall. Entscheidend wird sein, wer künftig das operative Geschäft der Nord/LB leitet.


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Nachdem die Bankenaufsicht nun den Plan abgesegnet hat, wird auf die EU-Kommission gewartet, sie soll angeblich schon kurz nach Ostern ein Ergebnis vorlegen. Parallel müssen die Staatsverträge in allen beteiligten Landtagen beschlossen werden. Wenn Brüssel ja sagt, wovon Niedersachsens Finanzminister ausgeht, soll die Nord/LB im August neu durchstarten. Da schwingt viel Optimismus in den Worten von Hilbers mit. (kw)