Nachdem die Hoffnung auf eine Versöhnung zwischen den beiden Lagern der zerbrochenen AfD-Landtagsfraktion verflogen ist, möchte sich der größere Teil nun selbstständig machen und tritt künftig im Landtag als „Gruppe“ auf. Dazu gehören die beiden Vize-Landesvorsitzenden der AfD, Stephan Bothe und Christopher Emden, sowie Peer Lilienthal, Harm Rykena, Stefan Henze und Klaus Wichmann. Gemeinsam mit dem AfD-Bundessprecher Tino Chrupalla und dem Landesvorsitzenden Jens Kestner präsentierten die sechs Abgeordneten am Mittwoch ihre Pläne.


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Das Besondere daran ist, dass bislang weder die Landesverfassung noch die Geschäftsordnung des Landtags den Begriff einer „Gruppe“ kennt. Daraus nun also besondere Rechte ableiten zu wollen, würde wohl eine Gesetzesänderung der Geschäftsordnung voraussetzen – als einzelne Abgeordnete könnten die AfD-Politiker dies nach derzeitigem Recht aber nicht einmal beantragen. „Wir werden unsere Vorstellungen in einem Brief an den Ältestenrat schreiben und möchten auch, dass dazu eine Stellungnahme der Landtagsjuristen erbeten wird“, sagte Wichmann. Den Weg einer Klage vor dem Staatsgerichtshof, mit der auch einzelne Abgeordnete auf Klärung ihrer Rechte drängen können, planen die AfD-Politiker derzeit nicht.

Kann man sechs Abgeordnete, die sich zusammengetan haben und gemeinsam aktiv werden wollen, gleichstellen mit sechs einzelnen Abgeordneten, die keinen Willen zur Zusammenarbeit kundtun?

Wichmann erklärte allerdings, dass es hier schon um die Frage gehe, wie eine Verhältnismäßigkeit der Abgeordnetenrechte geregelt werden muss: „Kann man sechs Abgeordnete, die sich zusammengetan haben und gemeinsam aktiv werden wollen, gleichstellen mit sechs einzelnen Abgeordneten, die keinen Willen zur Zusammenarbeit kundtun?“ Wenn nun – trotz Fehlen von Bestimmungen in Landesverfassung und Geschäftsordnung – diese Frage verneint wird und den sechs Abgeordneten Sonderrechte eingeräumt werden sollten, stellt sich gleich die nächste Frage, ob nicht gleiches auch den bisherigen AfD-Abgeordneten Dana Guth, Stefan Wirtz und Jens Ahrends (der die Partei verlassen hat) zugebilligt werden muss.

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Fraktionslose Abgeordnete haben in Niedersachsen das Recht auf Anfragen im Landtag, sie können in Debatten ein sehr begrenztes Rederecht beanspruchen – darüber hinaus aber steht ihnen kein Fraktionsapparat zur Verfügung, sie haben kein Antragsrecht für Gesetzentwürfe und auch kein Stimmrecht in den Fachausschüssen. Die vier Fraktionen im Landtag, SPD, CDU, Grüne und FDP, haben dem Wunsch der sechs Abgeordneten, im Plenum gemeinsam sitzen zu können (nämlich hinter den Reihen der CDU) schon entsprochen. Ansonsten herrscht bei den Fraktionen die Ansicht, man wolle zunächst die Vorschläge der AfD-Abgeordneten abwarten, bevor man darauf reagiere. Eine Tendenz aber, der selbsterklärten AfD-Gruppe ein wie auch immer geartetes Antragsrecht einzuräumen, zeichnet sich derzeit nicht ab.

„Fraktionsähnlicher“ Zusammenschluss

Laut Geschäftsordnung des Landtags müssen Gesetzentwürfe von mindestens zehn Abgeordneten oder einer Landtagsfraktion unterstützt werden. Beide Voraussetzungen treffen für die sechs AfD-Abgeordneten der selbsterklärten Gruppe nicht zu. Der AfD-Bundessprecher Chrupalla nannte den Zusammenschluss der sechs Abgeordneten im Landtag „fraktionsähnlich“ – und lobte gleichzeitig alle bisherigen neun AfD-Abgeordneten für ihre gute parlamentarische Arbeit.

Gleichwohl unterstützt auch Chrupalla, wie er ausdrücklich hervorhob, das Parteiausschlussverfahren gegen die bisherige Partei- und Fraktionsvorsitzende Dana Guth und ihren Kollegen Stefan Wirtz. Dass sie mit ihrem Austritt aus der Fraktion die Fraktionsarbeit als solche zerstört hatten, sei ein parteischädigendes Verhalten. Ob diese Argumentation tatsächlich zu einem zügigen Ausschluss von Guth und Wirtz aus der AfD führen kann, ist aber fraglich – denn Chrupalla räumte ein, dass es in der Bundessatzung der AfD noch eine „Lücke“ gebe. Dort sei noch nicht festgeschrieben, dass ein Austritt von AfD-Mandatsträgern aus einer AfD-Fraktion als parteischädigendes Verhalten gewertet werden kann. Diesen Mangel will die AfD beim nächsten Bundesparteitag beheben und die Satzung nachbessern. Im Fall von Guth und Wirtz aber käme das wohl zu spät, da in beiden Fällen ein Parteiausschlussverfahren bereits eingeleitet wurde – und die Anträge auf ihren Ausschuss schlecht auf der Basis von Vorschriften behandelt werden können, die erst noch geschaffen werden sollen.

Der AfD-Landesvorsitzende Jens Kestner forderte den aus der AfD ausgetretenen Abgeordneten Jens Ahrends nachdrücklich auf, sein Mandat niederzulegen. Da er nicht mehr zur AfD gehöre, solle er das Mandat, das er der AfD verdanke, zurückgeben. Wenn er das tue, soll Jürgen Pastewsky (Kreis Wolfenbüttel) nachrücken – und der wäre laut Lilienthal gern der „siebente Mann“, der mit den sechs Abgeordneten der Gruppe eine neue Fraktion bilden will. Die Mindeststärke von Fraktionen in Niedersachsen sind sieben Abgeordnete.