Niedersachsens Agrarministerin Barbara Otte-Kinast (CDU) wirbt für ein besseres Gesprächsklima zwischen Landwirtschaft, Politik und Verbrauchern. Sie nehme wahr, dass sich zunehmend Frust und Aggressionen aufbauten, und sorge sich deshalb um den gesellschaftlichen Zusammenhalt. „Ich wünsche mir so sehr, dass die Energie, die in den Frust geht, dafür genutzt wird, dass es nach vorne geht,“ sagte sie gestern bei einer Veranstaltung in ihrem Ministerium.

Agrarministerin Otte-Kinast wirbt für ein besseres Gesprächsklima – und lud deshalb in ihr Ministerium ein. – Foto: nkw; ML

Damit nahm Otte-Kinast direkt Bezug auf eine in den Medien ausgetragene Auseinandersetzung zwischen Niedersachsens Umweltminister Olaf Lies (SPD) und dem Landvolk-Präsidenten Albert Schulte to Brinke. Wie die Neue Osnabrücker Zeitung gestern berichtete, hatte Lies den Landvolk-Präsidenten zur Mäßigung aufgerufen. Schulte to Brinke hatte zuvor das Agrarpaket der Bundesregierung scharf kritisiert.

Die aufgeheizte Stimmung in der Debatte um notwendige Veränderungen in der Landwirtschaft treibt die Landesagrarministerin um. Es mache ihr etwa zu schaffen, wenn sie die grünen Kreuze sehe, die von Landwirten auf ihren Feldern entlang der Autobahnen aufgestellt werden, sagte sie gestern in Hannover. Diese Kreuze sollen darauf aufmerksam machen, dass sich die Bauern wegen der Vorschriften aus Berlin und Brüssel immer häufiger zur Aufgabe ihrer Betriebe gezwungen sehen.


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„Gleichzeitig beschäftigt mich auch, wenn eine ganze Generation freitags auf die Straße geht“, sagte Otte-Kinast mit Verweis auf die Klimademonstrationen. Die junge Generation mache sich genauso Sorgen wie die Landwirte – und häufig über dieselben Dinge. Nur verstehe man einander nicht mehr, stellte die Ministerin fest. Als Ministerin für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz fühle sie sich aber für alle Menschen in diesem Land gleichermaßen verantwortlich – und sucht nun nach einem angemessenen Gesprächsklima.

Erstmals ein Barcamp in einem Landesministerium

Um den Dialog über das Thema Ernährung in Niedersachsen voranzubringen, ging das Agrarministerium am Donnerstag nun einen ungewohnten Weg. Erstmals fand ein sogenanntes Barcamp im Ministerium von Otte-Kinast statt. Bei einem Barcamp handelt es sich um ein Veranstaltungsformat, das sich durch eine besonders große Offenheit auszeichnet – was im ministeriellen Alltag wohl eher unüblich ist. Das inhaltliche Programm eines Barcamps, das in Abgrenzung zu klassischen Modellen auch als Un-Konferenz bezeichnet wird, ergibt sich erst am Veranstaltungstag und wird von den anwesenden Teilnehmern selbst ausgestaltet.

Vom Ministerium wurde nur die Überschrift „Stadt, Land, Food“ vorgegeben. Otte-Kinast leitet ihren Auftrag für eine solche unkonventionelle Veranstaltung aus dem Koalitionsvertrag von SPD und CDU ab. In dem heißt es, die Landwirtschaft solle in der Mitte der Gesellschaft verankert werden. „Wie ich das mache, bleibt mir überlassen“, sagte die Ministerin am Donnerstag gegenüber den rund 60 Teilnehmern der Veranstaltung.

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„Das Prinzip der Un-Konferenz passt genau jetzt in die Zeit und wir haben auch den richtigen Ort dafür gewählt.“ Sie stehe als Ministerin für einen offenen Dialog, sagte sie und forderte die Beteiligten auf, man müsse wieder mehr miteinander statt übereinander reden. Beim Landeserntedankfest in Verden am vergangenen Sonntag habe sie gemerkt: „Es werden Fragen gestellt, die früher nicht gestellt wurden.“ Darauf müssten nun Antworten gefunden werden.

Nur etwa ein Dutzend der knapp 60 Teilnehmer bei diesem ersten Barcamp in einem Landesministerium hatte ein solches Format schon einmal besucht. Erstaunlich war deshalb das vielfältige und große Angebot an Themen, das vorgestellt oder diskutiert werden sollte.

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In einem Raum erläuterte ein Bäckermeister, wie er lokale Netzwerke zwischen Bäckern, Landwirten und Müllern gründen will, damit die kleinen Handwerksbetriebe das Mehl nicht mehr aus der Großproduktion kaufen müssen. In einer anderen Sitzung sprachen vornehmlich junge Frauen darüber, wie es ist, wenn man von der Stadt aufs Land zieht und in das Leben einer Bäuerin eintaucht – „von den Pumps in die Bauernstiefel“ nannte die Teilnehmerin ihr Angebot.

Kritische Verbraucher-Stimmen fehlten

Ein Vertreter der „solidarischen Landwirtschaft“ wollte diskutieren, ob dieses Prinzip des bäuerlichen Arbeitens auch flächentauglich sei. Das moderne Veranstaltungsformat hatte eine bunte Mischung an Interessierten ins Ministerium gelockt. Die allermeisten hatten allerdings auch direkt mit der Landwirtschaft zu tun.

Wer fehlte, waren die kritischen Verbraucherorganisationen. Doch vielleicht ändert sich das noch, denn dieses Barcamp war nur der Auftakt. Im kommenden Jahr sollen drei weitere dieser „Stadt, Land, Food“-Veranstaltung in anderen Regionen Niedersachsens stattfinden, erklärte die Sprecherin des Agrarministeriums.