So wenige Menschen waren in Niedersachsen seit langem nicht arbeitslos gemeldet: Rund 5,9 Prozent der Erwerbstätigen waren im ersten Halbjahr 2017 ohne Job, in absoluten Zahlen sind das 250.968. Im Vorjahreszeitraum waren es noch 6,1 Prozent und damit 257.046 Arbeitslose. „Die Einstellungsbereitschaft der Unternehmen ist weiterhin hoch“, sagte Bärbel Höltzen-Schoh, Leiterin der Regionaldirektion Niedersachsen-Bremen bei der Agentur für Arbeit. Sie stellte am Freitag die aktuellen Zahlen zur Entwicklung der Arbeitslosigkeit vor. Ernstmals war auch speziell ausgewertet worden, welche Qualifikationen die Jobsuchenden hatten. Das Ergebnis war wenig überraschend: Nur 3,5 Prozent der Niedersachsen mit Berufsabschluss waren langzeitarbeitslos, unter den ungelernten Erwachsenen waren es aber 22 Prozent. „Die Zahlen zeigen: Wer einen Abschluss hat, ist auf dem Arbeitsmarkt ungleich erfolgreicher als ohne“, sagte Höltzen-Schoh. Eine schlechte Nachricht hatte sie aber auch: Die Integration von Flüchtlingen in den Arbeitsmarkt läuft weitaus langsamer als erwartet.

Um die Bereitschaft zur Ausbildung zu fördern, hat die Agentur für Arbeit in Niedersachsen im vergangenen Jahr ein Projekt aufgelegt. In dem Programm „Zukunftsstarter“ könbnen junge Erwachsene zwischen 25 und 35 Jahren den Berufsabschluss nachholen, die Ausbildung muss mindestens zwei Jahre dauern. „Damit sich die jungen Erwachsenen für eine Ausbildung anstatt des schnellen Geldes als ungelernte Arbeitskraft entscheiden, haben wir Anreize durch Prämien gesetzt“, sagte Höltzen-Schoh. Zwischen 1000 und 1500 Euro können die Teilnehmer für bestandene Prüfungen zusätzlich bekommen. Das Modell zieht, knapp 2000 junge Erwachsene machen zurzeit bei dem Programm mit.

Einen herben Rückschlag gab es bei der Vermittlung von Flüchtlingen in Arbeit. „Ehrlich gesagt, das läuft sehr ernüchternd“, sagte Höltzen-Schoh. Denn der Aufwand, die Flüchtlinge sprachlich so zu qualifizieren, dass sie in einer Berufsschule bestehen, sei weitaus höher als gedacht. „Als die Flüchtlinge kamen, haben wir alle gedacht, die stehen uns in ein bis zwei Jahren als Arbeitskräfte zur Verfügung“, sagte Höltzen-Schoh. „Das war ein großer Irrtum.“Viele Unternehmen seien davon ausgegangen, ihre unbesetzten Lehrstellen mit Flüchtlingen auffüllen zu können. „Aber man kann ja niemanden einstellen, der nicht einmal die Sicherheitshinweise lesen kann“, sagt Höltzen-Schoh.

Zum einen bräuchten Flüchtlinge also  viel mehr Zeit zum Erlernen der deutschen Sprache, als angenommen. Zum anderen zeigten viele junge Flüchtlinge aber auch wenig Verständnis für eine jahrelange Ausbildung mit wenig Lohn. „Sie wollen eigentlich sofort Geld verdienen, um davon auch etwas nach Hause schicken zu können“, sagte Höltzen-Schoh. Sie brachte sogar Verständnis für diese Haltung auf: „Stellen Sie sich vor, ein Flieger setzt Sie in China ab, ohne Geld. Sie können die Sprache nicht und auch das chinesische Bildungssystem ist Ihnen fremd. Da würden Sie auch den erstbesten Job nehmen.“

Dennoch fangen die Flüchtlinge den demografisch bedingten Abwärtstrend auf dem Ausbildungsmarkt ein Stück weit auf. 54.700 Bewerber auf Ausbildungsplätze gab es zum Ende des vergangenen Schuljahrs, das waren 500 weniger als im Jahr zuvor. Die Zahl wäre noch niedriger, wären nicht auch 2400 Flüchtlinge auf der Suche nach einem Ausbildungsplatz gewesen, 1500 mehr als im Vorjahr.