Von Isabel Christian

Der niedersächsische Landtag hat gestern die kleine Novelle des Jagdgesetzes beschlossen, doch zuvor führten die Abgeordneten die wohl schrillste Debatte, die es bisher zu diesem Thema gegeben hatte. Die CDU unterstellte Tierschützern einen „Nutria-Fetisch“, die FDP nutzte die hauptsächlich auf die Bekämpfung der Biberratten Nutria und der „afrikanischen Schweinepest“ ausgerichtete Gesetzesänderung, um erneut die Aufnahme des Wolfs ins Jagdrecht zu fordern. Die Grünen malten Schreckensbilder von Seehunden, die durch das neue Gesetz mit automatischen Gewehren aus Flugzeugen heraus abgeschossen werden könnten. Doch auch wenn die Mehrheit der Abgeordneten anschließend – im ersten von zwei geplanten Durchgängen – für die Novellierung gestimmt hat, so dürfte die Debatte ein Indikator dafür sein, was in der Diskussion über das Jagdrecht noch bevorsteht. Denn im kommenden Jahr will das Landwirtschaftsministerium den ersten Entwurf für eine große Novelle des Gesetzes vorlegen.

Von der Ursprungsversion des jetzt beschlossenen Gesetzes ist in etwa noch die Hälfte übrig geblieben. Etwa, dass der Elterntierschutz für Nutrias aufgehoben wird. Vorher ein erbitterter Streitpunkt, schienen sich die Parteien im Laufe der Beratungen anzunähern. Denn zahlreiche Experten berichteten, dass die Biberratte, die eine große Gefahr für die Sicherheit von Deichen und Uferrändern darstellt, sich mehrfach im Jahr vermehre. Allerdings verlagerte sich der Konflikt zwischen Regierung und Opposition daraufhin zu den Fangmethoden. Die Grünen-Abgeordnete Miriam Staudte forderte, die Nutrias müssten mit Lebendfallen gefangen werden, um unnötiges Leid vor der Tötung zu verhindern. Im Plenum warf der CDU-Abgeordnete Uwe Dorendorf ihr vor, damit auf einem völlig falschen Weg unterwegs zu sein. „Nutrias sind schlau, wenn die einmal in eine Lebendfalle geraten, werden sie ihren Kindern beibringen, die Fallen zu meiden, und dann fangen Sie kein einziges Tier mehr.“ Zudem hätten die Tiere scharfe Zähne, die Jäger verletzen könnten. „Dieses Risiko dürfen wir unseren Jägern nicht zumuten“, sagte Dorendorf, auch wenn die Nutria bei Tierschützern quasi verehrt würden. „Das rattenartige Tier ist bei einigen sozusagen schon fast Fetisch.“ Er warb auch noch einmal für die Aufhebung des Elterntierschutzes bei Nutria. „Im vergangenen starken Winter ist die Nutria-Population zurückgegangen, doch der Klimawandel spielt gegen uns. Solche harten Winter werden seltener.“

Bei Wildschweinen hat der Elterntierschutz außerhalb von akuten Seuchenausbrüchen weiterhin Bestand – entgegen der ursprünglichen Version der Novelle. Denn in der ersten Vorlage sollten Elterntiere auch schon zur Prävention getötet werden können. Zudem sollte die Aufhebung des Elterntierschutzes zur Prävention auch auf andere Tierarten ausgeweitet werden können. Vor wenigen Wochen hatten sich die Koalitionspartner auf Drängen der SPD auf die Einschränkungen geeinigt. „Dass der Elterntierschutz bei Wildschweinen erst dann und in dem Gebiet aufgehoben wird, wenn eine Seuche wie die ,afrikanische Schweinepest‘ ausgebrochen ist, ist mir und meiner Fraktion sehr wichtig“, sagte der Sozialdemokrat Tobias Heilmann. Wenn die Schweinepest in Niedersachsen angekommen sei, kämen der Schutz von Menschen und der Schweineindustrie vor dem Tierschutz.


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Weggefallen ist auch der Paragraf, der es Nichtjägern erlauben sollte, Jagd auf Nutria zu machen, um die Ausbreitung der invasiven Tierart einzudämmen. Grünen-Politikerin Staudte begrüßte, dass sich die Große Koalition damit auf die Seite der Landtagsjuristen stellt, die diese Gesetzesänderung als verfassungswidrig bewertet hatten, weil diese Kompetenz nur dem Bund zustünde. Hermann Grupe, jagdpolitischer Sprecher der FDP, forderte jedoch, die Biberratte aus dem Jagdrecht zu nehmen und wie Nordrhein-Westfalen in den Bereich der Schädlingsbekämpfung zu integrieren. „Es ist doch absurd, dass Bisam- und Nutriafänger einen Jagdschein machen müssen, und Jäger zu Schädlingsbekämpfern degradiert werden, indem ihnen die Jagd auf Nutria aufgedrückt wird.“ Stattdessen will Grupe, dass der Wolf künftig Teil des Jagdrechts wird.

Lautstarken Krach verursachte im Plenum jedoch das Festhalten an einem Paragrafen, der die intensive Jagd im Seuchenfall auch auf andere Tierarten ausdehnt. Die Grünen-Abgeordnete Staudte wählte ein drastisches Beispiel, um ihre Befürchtung über die Folgen zu illustrieren: „Wenn auf einer ostfriesischen Insel nun die Staupe unter den Seehunden grassiert, dann könnte das Landwirtschaftsministerium mit diesem Gesetz Verordnungen erlassen, wonach Jäger mit automatischen Waffen von Flugzeugen aus die Tiere erschießen dürften.“ Das Gesetz breche eine ganze Reihe von Tabus und gebe quasi einen Freibrief für die Aufhebung von Verboten in der Jagd. Dorendorf kritisierte es daraufhin als unmöglich, dass Staudte die Jagd so darstellte, als würden Jäger mit vollautomatischen Waffen auf Tiere schießen.