Trotz positivem Einfluss auf das Unfallrisiko nehmen nach Meinung von Experten noch zu wenig Jugendliche das Angebot des „begleiteten Autofahrens ab 17 Jahren“ wahr. SPD und CDU wollen deshalb das Mindestalter auf 16 Jahre absenken. Das allein reicht aber nicht, um die Jugendlichen zu motivieren, sich erst mal in Begleitung ans Steuer zu setzen, meint Isabel Christian.

Junge Erwachsene, die erst seit kurzem im Besitz des Führerscheins sind, fahren statistisch gesehen sicherer, seit es das „begleitete Fahren ab 17“ gibt. Das haben mehrere Studien herausgefunden, als dieses Modell noch in der Pilotphase steckte. Mittlerweile weiß man sogar, dass das Risiko, dass junge Fahranfänger einen Unfall verursachen, um 20 Prozent bundesweit zurückgegangen ist. Denn durch das Fahren in Begleitung werden die jungen Autofahrer sicherer und weniger risikofreudig. Allerdings, so bemängeln Experten, nutzen immer weniger Jugendliche das Angebot. Deshalb wird in der Politik nun darüber nachgedacht, das Mindestalter auf 16 abzusenken. Mit dem Argument, den Jugendlichen noch mehr Sicherheit im Straßenverkehr zu geben. Auch Niedersachsen nimmt dabei eine Vorreiterrolle ein, SPD und CDU fordern von der Landesregierung, vor dem Treffen des EU-Führerschein-Ausschusses im Herbst in Brüssel nochmal kräftig die Werbetrommel zu rühren.

Prinzipiell ist die Idee gut, die Erprobungsphase auszuweiten. Schon in der Evaluation zur Testphase des „begleiteten Fahrens ab 17“ hielt der vom Wirtschaftsministerium beauftragte Professor Joachim Stiensmeier-Pelster fest, dass mehr Fahrpraxis auch zu einem anhaltend defensiveren Fahrstil und mehr Sicherheit am Steuer führte. Allerdings nur dann, wenn die Fahranfänger mindestens sechs Monate in Begleitung unterwegs seien. „Der positive Ertrag der Maßnahme ist beschränkt auf diejenigen Teilnehmer, die viele Monate in Begleitung fahren. Dies verdeutlicht nochmals, dass dafür geworben werden sollte, erstens möglichst früh die Fahrerlaubnis zu erwerben und zweitens in der Begleitphase möglichst viel Fahrpraxis zu erwerben“, heißt es in dem Abschlussbericht.

Der Knackpunkt liegt aber im zweiten Punkt. In der Pilotphase wurde bereits festgestellt, dass alle Teilnehmer viel zu wenig auf der Straße unterwegs waren. „Diskutiert wird in der Literatur eine anzustrebende Fahrleistung von 3000 bis 5000 Kilometer. Diese wird von fast allen Teilnehmern deutlich unterschritten“, schrieb Stiensmeier-Pelster. Der Grund dafür ist die fehlende Zeit. Für das Fahren ab 17 braucht man eine eingetragene Begleitperson, die älter als 30 Jahre alt ist, den Autoführerschein seit mindestens fünf Jahren hat und höchstens einen Punkt in Flensburg. Da kommen in der Regel nur die Eltern in Betracht. Doch die müssen auch Zeit und Lust haben, ihren Sohn oder ihre Tochter beim Fahren zu begleiten. Vor allem wenn es schnell gehen muss, setzt sich lieber Mutter oder Vater ans Steuer, das Kind darf meist nur fahren, wenn es in den Urlaub oder zum Sonntagskaffee bei Oma geht.

Die größeren Chancen auf Fahrpraxis haben noch Kinder aus den höheren Einkommensschichten. Schon in der Testphase stellte der Wissenschaftler fest, dass überproportional viele Teilnehmer und ihre Eltern mindestens ein Abitur haben. In diesen Familien wird ohnehin mehr Wert auf eine gute und fundierte Ausbildung in allen Lebenslagen geachtet, gleichzeitig arbeitet ein Elternteil oft gar nicht oder nur in Teilzeit, um mehr Zeit für die Kinder zu haben. Für ein Kind, deren Vater oder Mutter halbtags zu Hause ist, ist es daher wesentlich leichter, eine Begleitperson zu finden. Was aber soll ein Kind tun, dessen Eltern in Vollzeit arbeiten (müssen) und nach der Schicht wenig Lust haben, spazieren zu fahren? Um also das Begleitete Fahren quer durch alle Schichten attraktiv zu machen, müssen andere Anreize her.

Der Vorschlag von SPD und CDU, die Versicherungsprämien günstiger zu machen, wenn das Kind beim begleiteten Fahren mitmacht, könnte Eltern mit weniger hohen Einkommen durchaus motivieren, nach Feierabend oder am Wochenende nochmal mit dem Kind um den Block zu fahren. Aber es sollte auch mehr Unterstützung für die Kinder geben, deren Eltern keine Zeit für Spazierfahrten haben. So könnte man etwa über eine vom Land geförderte Initiative nachdenken, in der Ehrenamtliche sich als Begleitpersonen anbieten.