Wenn Politik auch ein wenig Show bieten sollte, dann erfüllt die Debatte um beitragsfreie Kitas im Landtag durchaus die Kriterien. Am Ende gibt es sogar einen Showdown: die FDP-Fraktion beantragt eine namentliche Abstimmung über ihren Antrag. Darin fordert sie, die beitragsfreie Kita schon zum 1. August einzuführen. „Kinder haben von der Vollendung des dritten Lebensjahres bis zur Einschulung einen Anspruch auf unentgeltlichen Besuch einer Tageseinrichtung“, so steht es im Gesetzentwurf der FDP-Fraktion.

Der FDP-Bildungspolitiker Björn Försterling beherrscht die Rolle des Showmasters im Parlament recht gut. Er wirft Ministerpräsident Stephan Weil vor, schon zehn Monate vor der Wahl sein zentrales Wahlversprechen zu brechen. Schließlich habe Weil im Januar seinen Willen bekundet, die Kita-Beiträge abschaffen zu wollen. Der Ministerpräsident könne sich bei der Abstimmung entscheiden: „Löst er sein Wahlversprechen ein oder wird er der ‚Speedy Gonzales‘ des Wahlbetruges?“ fragt Försterling. Die Zeichentrick-Maus Speedy Gonzales wurde in den 50er Jahren erfunden und in Deutschland als „schnellste Maus von Mexiko“ bekannt. Ein Nein zur beitragsfreien Kita sei auch demokratietheoretisch kaum noch jemandem zu erklären, so der bildungspolitische Sprecher der FDP-Fraktion. „Alle im Landtag wollen es, aber dennoch gelingt es uns nicht, das Gesetz hier im Landtag zu verabschieden.“

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Die Opposition ist in der Debatte kreativ. Während Försterling auf eine Zeichentrickserie zurückgreift, bemüht die CDU-Abgeordnete Astrid Vockert eine neue Farbenlehre. Sie fordert vor allem die SPD dazu auf, Farbe zu bekennen. Die Roten sollten dem Antrag zustimmen und sich nicht über die Grünen schwarz ärgern, so Vockert, bekleidet mit knallroten Stiefeln und roter Lederjacke. Schließlich wollten die Grünen erst ihr Wahlprogramm fertigstellen und auch noch auf Bundesgelder warten. „Sie kneifen und eiern herum!“, sagt Vockert in Richtung von SPD und Grünen. Der Ministerpräsident stecke nach seinen „großspurigen Worten“ in der Glaubwürdigkeitsfalle. Auch der CDU-Bildungspolitiker Kai Seefried wundert sich, dass in der mittelfristigen Finanzplanung bis zum Jahr 2021 keine beitragsfreien Kitas eingeplant sind. „Das ist ein ungedeckter Scheck, der hier versprochen wird“, sagt Seefried.

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Überzeugen kann die Opposition die Abgeordneten von SPD Grünen natürlich nicht. „Wir finden Ihren Finanzierungsvorschlag unseriös“, sagt der SPD-Abgeordnete Uwe Santjer. Ohne solides Fundament könne der Elternbeitrag nicht abgeschafft werden. Auch Julia Willie Hamburg, Sprecherin für Jugend- und Familienpolitik der Grünen-Fraktion, hält die Pläne der Opposition für „unseriöse Luftnummern und Populismus“. Die bisherigen Leistungen von Rot-Grün in der Familienpolitik könnten sich sehen lassen. „Wir haben die dritte Kraft in Krippen eingeführt, ein 60 Millionen Euro-Programm für mehr Personal initiiert und die Kita-Plätze massiv ausgebaut“, zählt Hamburg auf. Natürlich müsse noch mehr passieren. Allerdings seien die Länder für die Aufgaben, die sie zu bewältigen hätten, nicht ausreichend ausgestattet.

Die Landesregierung habe die frühkindliche Bildung bereits in dieser Legislaturperiode systematisch und nachhaltig verbessert, sagt Kultusministerin Frauke Heiligenstadt in ihrer Rede. Sprachförderung verdoppelt, deutlich mehr Krippenplätze, mehr Qualität in der Kita – auch Heiligenstadt nutzt ihre Rede für ein wenig Werbung für die rot-grüne Bildungspolitik der vergangenen Jahre. „Wir werden uns auch dem Thema der Beitragsfreiheit widmen, wir werden mit dem Bund verhandeln, und wir werden mit den Kommunen vertrauensvoll reden“, kündigt Heiligenstadt an. „Die Beitragsfreiheit soll kommen, und die Beitragsfreiheit wird kommen. Aber nicht als unseriöser und nicht solide durchfinanzierter Schnellschuss.“ Die Forderungen der Opposition bezeichnet die Kultusministerin als unseriös. „Das entlarvt Ihre Anträge als reine Showanträge“, so Heiligenstadt.

Da ist sie wieder, die Show im niedersächsischen Landtag. Zur namentlichen Showdown-Abstimmung liest Präsidiumsmitglied Belit Onay die Namen aller Abgeordneten vor. 66 Abgeordnete von CDU und FDP stimmen für die Einführung der beitragsfreien Kita zum 1. August, 67 Abgeordnete von SPD und Grünen stimmen dagegen. Als beim Buchstaben W der Abgeordnete Stephan Weil sein Votum abgibt, schallt ein lautes „Ooohh“ aus den Reihen der Opposition. Parlaments-Vizepräsidentin Gabriela Andretta bitte um Ruhe: „Wir sind im Wahlvorgang.“ Stimmt. Und im Vorwahlkampf. (MB.)