Eine Frau hat intern Unruhe in die Debatte gebracht, was für sie selbst nichts Ungewöhnliches ist. Gitta Connemann, die Bundesvorsitzende der „Mittelstands- und Wirtschaftsunion“ in der CDU, ist für ihren Mut bekannt – auch für ihre Unberechenbarkeit. Sie bezieht klar Position, ob gegen die Frauenquote, gegen das Aus für die Kernkraft oder für eine Einschränkung des Streikrechts. Die 59-Jährige redet selten um den heißen Brei herum, und sie genießt dafür in vielen Teilen der CDU eine hohe Popularität. Bei anderen hingegen löst ihr Name Stirnrunzeln oder gar Abwehrgefühle aus. Bevor sich Anfang Mai der CDU-Bundesparteitag trifft und den Vorstand der Partei neu wählt, spielte der Name Connemann wieder eine Rolle. Spekuliert wurde, sie werde ihren Hut in den Ring werfen – und beispielsweise für das Präsidium kandidieren. Das ist an sich nichts Verbotenes, würde allerdings das bereits sorgsam austarierte Personaltableau vor dem CDU-Parteitag heftig durcheinanderwirbeln. Möglicherweise wären damit auch einige Schwächen in der personellen Gesamtaufstellung der CDU deutlich geworden. Derzeit sieht es so aus, als ob es nicht so kommen wird.

Silvia Breher, Sebastian Lechner oder doch Gitta Connemann: Wer vertritt Niedersachsen künftig im CDU-Präsidium? | Fotos: Tobias Koch/Team Lechner/Team Connemann

Das Machtzentrum der CDU ist das Präsidium, es besteht aus dem Vorsitzenden Friedrich Merz, dem Generalsekretär Carsten Linnemann, seiner Vertreterin und fünf stellvertretenden Parteichefs. Zudem werden noch sieben weitere Mitglieder hinzugewählt. Die christdemokratischen Ministerpräsidenten und andere hochrangige Vertreter – etwa Bundestagsvizepräsidenten mit CDU-Parteibuch – sind ebenfalls kraft Amtes dabei. Aus Niedersachsen sind bisher zwei Vertreter in diesem Gremium, die Oldenburger Landesvorsitzende Silvia Breher (50) als eine der Merz-Stellvertreter und Bernd Althusmann (57), ehemaliger niedersächsischer Wirtschaftsminister, als gewähltes Mitglied. Nun lautet der inoffizielle, noch nicht nach außen kommunizierte Plan der Niedersachsen-CDU so: Breher, die als Bundestagsabgeordnete arbeitet, soll erneut bestätigt werden. Sie soll intern ihren Willen bekundet haben, im Amt zu bleiben. Anstelle von Althusmann, der den CDU-Landesvorsitz in Niedersachsen Anfang 2023 abgegeben hat, soll sein Nachfolger Sebastian Lechner (43) eines der sieben gewählten Präsidiumsmitglieder werden. Bei einer normalen, ohne öffentliche Störungen verlaufenden Vorbereitung des Parteitags würde Lechner mit dieser Konstellation in die Vorab-Gespräche der Landesverbände geschickt werden – und müsste versuchen, das Konzept durchzusetzen.

Doch niemand weiß momentan, ob nicht doch Gitta Connemann dazwischenfunken wird. Viele, die sie kennen, halten das für gut möglich – denn auf allzu viel Harmonie im innerparteilichen Ringen hat Connemann bisher nie großen Wert gelegt. Würde sie ihre Kandidatur für einen der sieben Präsidiumsplätze anmelden, so könnte das die Arithmetik des Regionalproporzes ins Wanken bringen. Es könnte dann zum Kräftemessen zwischen Lechner und ihr kommen – und sollte Lechner dabei verlieren, wäre der CDU-Landes- und -Fraktionsvorsitzende massiv beschädigt. In jedem Fall wäre Connemanns Kandidatur eine Kampfansage an die gewohnten Absprachen der Landesvorsitzenden vor den Bundesvorstandswahlen, insofern hätte das dann etwas Rebellisches.

Gefahren lauern aber auch für Silvia Breher, die seit viereinhalb Jahren zum Kreis der Vize-Vorsitzenden der CDU gehört und den Ruf hat, mit ihrem unkonventionellen Auftreten den modernen Charakter der Volkspartei zu betonen. In jüngster Zeit gibt es aber auch Kritik an ihrer Arbeit. Die einen meinen, sie sei in vielen politischen Debatten nicht sattelfest genug, andere bemängeln, sie habe ihren CDU-Landesverband Oldenburg nicht richtig im Griff, da die klassische Parteiarbeit mit Kontaktpflege und internen Absprachen zwischen den verschiedenen Kreisverbänden nicht gerade ihre Stärke sei. Einige kommunale Misserfolge oder Denkzettel für die CDU in der Region Südoldenburg rütteln an Brehers Machtbasis. Dass nun Connemann diejenige sein könnte, die Breher in ihrer Rolle als Merz-Stellvertreterin herausfordert und damit auf einen Angriff auf Lechners Position verzichtet, wird in Parteikreisen als „möglich, aber unwahrscheinlich“ beschrieben. Denn Connemann ist für Brehers Nachbar-Wahlkreis Unterems Bundestagsabgeordnete, es soll zwischen beiden Frauen eine Art Solidarität geben. Aber wie weit geht derartige Solidarität in der Politik überhaupt?

Droht eine Herausforderung aus Hessen?

Für Breher droht unabhängig davon noch ein Angriff aus dem Süden. Die hessische CDU ist bisher nicht im Kreis der Merz-Vizes präsent. Wenn nun der bisherige Stellvertreter Linnemann ausscheidet, da er Generalsekretär geworden ist, soll der nordrhein-westfälische Sozialminister Karl-Josef Laumann für den Arbeitnehmerflügel neuer Parteivize werden. Das hieße, dass weiterhin zwei Nordrhein-Westfalen in der engeren CDU-Führung sind, aber kein Hesse. Die Hessen-CDU trägt sich daher mit dem Gedanken, die 45-jährige Landtagsfraktionsvorsitzende Ines Claus bei der Stellvertreter-Wahl zu nominieren. Da es dann einen Kandidaten mehr als freie Plätze gäbe, könnte dies am Ende bedeuten, dass womöglich Breher bei den Wahlen durchfällt. Dagegen spricht die Tradition einer engen Absprache zwischen drei starken CDU-Verbänden – nämlich NRW, Niedersachsen und Baden-Württemberg. Wenn diese sich für Breher stark machen und gegen Claus, hätte die Hessin wohl wenig Chancen auf einen Erfolg. Das gilt allerdings nur insoweit, als sich die Delegierten des Bundesparteitags auch an die jeweiligen Absprachen ihrer Landesvorsitzenden halten. Und auch diesbezügliche Absprachen müssten erst einmal getroffen werden.

Nicht ausgeschlossen ist auch eine salomonische Lösung des Personalkonflikts. Um zu vermeiden, dass mit der Kandidatur von Claus entweder sie selbst oder einer der anderen Kandidaten für den Stellvertreter-Posten durchfällt, könnte die Zahl der Merz-Vizes von bisher fünf auf sechs erhöht werden. Dann gäbe es in dem Kampf um die Posten wohl keinen Verlierer. Würde im Gegenzug einer der weiteren Beisitzer-Plätze im CDU-Präsidium wegfallen, dann hätte sich nicht einmal die Größe des CDU-Führungsgremiums geändert. Der Nachteil ist allerdings, dass man vor den Wahlen die Satzung noch einmal anpassen müsste, und für diesen Schritt ist eine breite Mehrheit auf dem Bundesparteitag erforderlich. Einen weiteren Unsicherheitsfaktor gäbe es: Was ist mit Gitta Connemann? Wäre sie so klug, den Personalstreit vor dem Parteitag zu vermeiden – oder wird sie im Gegenteil den Konflikt sogar suchen? Beides ist wohl möglich.