Mehr als 20.000 Hektar Waldfläche in Niedersachsen müssen in den kommenden Jahren wieder aufgeforstet werden. Das erklärte Forstministerin Barbara Otte-Kinast (CDU) in einer Landtagsdebatte zur Situation des Waldes. Niedersachsen werde im nächsten Haushalt rund 11 Millionen Euro für den Wald bereitstellen. Das Geld sei für die Bekämpfung des Borkenkäfers gedacht, aber auch für die Wiederaufforstung, erklärte die Ministerin.

Mehr als 20.000 Hektar Wald müssen wieder aufgeforstet werden. – Foto: nkw

Mit welcher Summe genau die Landesregierung aber die Waldbesitzer unterstützen möchte, will Otte-Kinast erst noch von verschiedenen Beschlüssen abhängig machen, die im September auf Bundesebene gefasst werden. So tagt am 20. September das Klimakabinett, am 25. September lädt Bundesagrarministerin Julia Klöckner (CDU) zum Bundes-Waldgipfel ein und am 27. September berät die Agrarministerkonferenz über die Verteilung von Finanzhilfen für den Wald. Wie Niedersachsens Co-Finanzierung aussehe, könne sie erst anschließend sagen, so die Ministerin im Freitag im Landtag.

Wir haben derzeit überhaupt nicht die Kapazitäten in unseren Baumschulen, um das entsprechende Saatgut zur Verfügung zu stellen.

Neben den finanziellen Mitteln mangelt es aber aktuell auch noch an ausreichend Saat- und Pflanzgut, um die Wälder wieder angemessen aufzuforsten. Auf die Frage des CDU-Agrarpolitikers Marco Mohrmann, ob für eine standortgerechte Wiederbewaldung überhaupt ausreichend natürliches Saat- und Pflanzgut zur Verfügung stehe, erklärte Otte-Kinast, forstliches Saatgut sei ein Naturprodukt und geeignetes Saat- und Pflanzgut stehe nicht unbegrenzt zur Verfügung. „Die Wiederbewaldung der frei gewordenen Waldflächen wird sich über mehrere Jahre hinziehen müssen. Diese Zeit müssen wir nutzen, um wirklich ausreichendes und staatlich kontrolliertes Saat- und Pflanzgut standortgerechter Baumarten zu ernten und anzuziehen.“

Der CDU-Agrarpolitiker Helmut Dammann-Tamke drückte das noch energischer aus: „Wir brauchen eine Saatgut-Offensive. Unsere Baumschulen müssen in Zukunft eng kooperieren. Das ist mal so eben gesagt, wir müssen aufforsten. Wir haben derzeit überhaupt nicht die Kapazitäten in unseren Baumschulen, um das entsprechende Saatgut zur Verfügung zu stellen.“

Landespolitik grübelt: Welche Baumart ist geeignet?

Derweil diskutiert die Landespolitik, welche Baumarten in Zukunft überhaupt im niedersächsischen Wald stehen sollen. Einigkeit herrscht darüber, dass es keine weiteren Monokulturen, also große Waldflächen mit nur einer Baumart, geben soll. Vor allem wegen der sogenannten Reparationshiebe nach dem Zweiten Weltkrieg wurden zahlreiche Flächen mit der wirtschaftlich sehr ertragreichen Fichte bepflanzt. Durch das Extremwetter der vergangenen Jahre und durch den Borkenkäferbefall waren aber gerade die Fichtenwälder besonders angegriffen. Die Landesregierung stellte in der Landtagsdebatte am Freitag erneut heraus, dass bereits seit den Neunzigern in Niedersachsen die Durchmischung des Forstes aktiv vorangetrieben werde.


Was sind Reparationshiebe?

Wenn es um den Umbau des Waldes geht, ist oft von „Reparationshieben“ die Rede. Diese seien Mitschuld an den zahlreichen Monokulturen in Niedersachsen, also an den großen Waldflächen mit nur einer einzigen Baumart. Was steckt dahinter? Zu den sogenannten Reparationshieben kam es in Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg. Um die Kriegsschäden im Ausland entschädigen zu können, haben die Alliierten in Deutschland zahlreiche Wälder gefällt. Etwa zehn Prozent der Waldfläche wurde auf diese Weise gerodet, schreibt das Bundeslandwirtschaftsministerium in der Publikation „Unser Wald“. Zudem gab es auch in Deutschland selbst nach den beiden Weltkriegen einen enormen Holzbedarf – zum Bauen und Heizen etwa. Um die Freiflächen schnell wieder zu füllen, hat man in den Nachkriegsjahren bevorzugt Fichtenwälder angelegt. Die Fichte galt lange Zeit als „Brotbaum“, weil sie verhältnismäßig schnell wächst und einen guten Ertrag garantierte. Seit den Neunzigern setzt man vermehrt auf eine naturnahe Durchmischung des Waldes.


Miriam Staudte, Agrar-Politikerin der Grünen-Fraktion im Landtag, plädierte für eine „Risikostreuung“. Man dürfe jetzt nicht die eine durch die andere Monokultur ersetzen, etwa die Douglasie. Diese sei in Deutschland zudem nicht heimisch, was die Grünen aus ökologischen Gründen ablehnen. „Wir müssen in Europa den Blick weiten, ob es heimische Bäume gibt, die wir ausweiten können.“ Ein wenig anders sieht das Hermann Grupe von der FDP-Fraktion. Er möchte die Douglasie weiter in die Betrachtung mit einbeziehen, weil diese besonders robust sei.


Staudte & Grupe: Das Agrar-Streitgespräch

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Auch Karl-Heinz Hausmann (SPD) setzte sich für die Douglasie ein, weil diese ein besonders guter Werkstoff sei. „Ich finde es schade, dass die Douglasie so verteufelt wird und plädiere dafür, sie weiter anzupflanzen“, sagte er. Helmut Dammann-Tamke, Agrarpolitiker der CDU-Fraktion, warb für Offenheit bei der Suche nach geeigneten Bäumen: „Wir müssen das Spektrum der Baumarten öffnen. Hinsichtlich der Herausforderungen durch den Klimawandel gab es keine Scheuklappen in Bezug auf neue Baumarten geben.“


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