Die Plakate sind schon gedruckt, der Kampagnenplan steht – und bald soll es losgehen, so richtig lang und intensiv. Die Gewerkschaft GEW will von jetzt an bis zur Landtagswahl im Januar kräftig für ihre Forderungen trommeln: Die Arbeitszeit für Lehrer müsse gesenkt werden, vor allem für ältere Kollegen soll es eine besondere Entlastung geben. Mit anderen Worten: Mehr Lehrer braucht das Land! GEW-Chef Eberhard Brandt und seine Stellvertreterin Laura Pooth möchten das Thema am Kochen halten, sie haben sich gut vorbereitet. Pech nur, dass die GEW wie auch die anderen Lehrerorganisationen eigentlich gar keine guten Karten haben. Die „Arbeitszeitkommission“, die von Kultusministerin Frauke Heiligenstadt berufen wurde, legt ihre Ergebnisse erst im Frühsommer 2018 vor, also nach der Landtagswahl. Das heißt: Wie es weiter geht in der Schullandschaft und wie es um die lange geforderte, sogar vom OVG Lüneburg befürwortete Entlastung der Lehrer steht, das müssen die Politiker derzeit gar nicht beantworten – sie können einfach auf die noch tagende Kommission verweisen.

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Das sind schlechte Nachrichten für die Bildungsgewerkschaften, die aus langer Erfahrung wissen, dass teure Forderungen bei den Politikern am besten vor einer Wahl Gehör finden – danach ist dann die Neigung größer, Nein zu sagen und sich mit mächtigen Interessensgruppen anzulegen. Für die GEW ist das ein Dilemma. Denn zum einen sind derzeit die staatlichen Kassen voll, zum anderen meinen die Gewerkschafter überzeugende Hinweise zu haben, dass die Belastung der Lehrer einfach zu hoch ist, vor allem für  Grund- und Hauptschullehrer, aber auch für Gymnasiallehrer. In den Schulen gibt es Entlastungsstunden bisher nur dann, wenn Lehrer besondere Aufgaben übernehmen – etwa als Betreuer für eine Fachbereich oder in der Schulleitung. Die GEW will ein festes Kontingent für jede Schule an weiteren Stellen, die diese dann nach eigenen Schwerpunkten verteilen soll. Wie genau und nach welchen Maßstäben das zugeteilt werden soll, ob etwa nach der Lehrerstundenzahl oder Anzahl der Klassen, das sagt GEW-Chef Brandt nicht. „Wir wollen darüber verhandeln, und dann können wir nicht vorher schon eine Zahl nennen.“ Außerdem ist da ja noch Heiligenstadts Arbeitszeitkommission – und die berät und berät, aber sie sagt vor Frühsommer 2018 nichts. Immerhin will der GEW seine Forderungen mit Klagen vor dem Verwaltungsgericht untermauern, um ihnen mehr Nachdruck zu verleihen.

Dann ist da noch die Inklusion, die nach Ansicht der GEW „1000 weitere Stellen für multiprofessionelle Teams“ in den Schulen nötig mache, und der Ausbau der Ganztagsangebote habe auch seinen Preis. Viele Forderungen angesichts einer Schülerzahl, die langsam aber sicher sinken wird? „Die Hinweise auf angeblich sinkende Schülerzahlen gibt es seit Jahren“, sagt Brandt, „und immer ist es anders gekommen“. So sei erst die Wiedervereinigung gekommen, dann der Zuzug von Russlanddeutschen und Polen, schließlich die aktuelle Flüchtlingswelle. Derzeit sind die Kapazitäten für die Lehrerausbildung so stark ausgebaut, dass auch die GEW nur an einigen Stellen das System „optimieren“ würde. Denn Brandt sagt auch: Der Berg der Pensionierungswelle ebbt ab, nach 4175 Lehrern, die 2014 in Ruhestand gingen, war die Zahl ein Jahr später schon bei 3580, die Tendenz ist sinkend. Bald wird der Überhang an Bewerbungen gegenüber den freien Stellen stark zunehmen – und das böte dann bessere Möglichkeiten, Stellen auch auf dem flachen Land zu besetzen, wo bisher kein ausgebildeter Pädagoge freiwillig hinziehen möchte.

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Die GEW ist vehement dafür, künftig die Chancen für die Entlastung der Lehrer zu verstärken – und nicht etwa auf die Idee zu kommen, bei womöglich tatsächlich sinkenden Schülerzahlen auch Lehrerstellen abzubauen (zumal das derzeit in der politischen Debatte auch überhaupt keine Rolle spielt). Das alles wird vor dem Hintergrund einer Situation diskutiert, die seit vielen Jahren ungewöhnlich ist: Nur ein Fünftel der Lehrer erreicht die gesetzliche Altersgrenze, viele gehen ab 61 oder 62 in Pension, etliche auch schon vorher. Nach internen Schätzungen sind bis zu 25 Prozent der Lehrer von vornherein mit dem Beruf überfordert, viele werfen deshalb schon recht früh das Handtuch, andere merken später, dass sie es nicht mehr schaffen. 2015 haben 53 Prozent einen Antrag auf vorzeitiges Ausscheiden aus dem Dienst gestellt. Gibt es Angebote, diesen Lehrern zu helfen, sie besonders zu unterstützen, damit sie sich weiter den Schulunterricht zutrauen? Die GEW vermisst entsprechende Angebote. Vor vielen Jahren gab es Schritte, die einen vorzeitigen Ruhestand für Beamte unattraktiver machen. Aber wäre das eine Hilfe für Menschen, die vielleicht auf Unterstützung hoffen?

Viele Fragen bestimmen den Schulalltag, viele Hoffnungen der Gewerkschaften und Berufsverbände ruhen auf der Arbeitszeitkommission. Zu welchen Empfehlungen sich dieses Expertengremium am Ende durchringt, ist kaum absehbar. Immerhin gibt es einen Grund, dass die GEW nicht zu optimistisch sein sollte: der Vorsitzende heißt Richard Höptner und war früher Präsident des Landesrechnungshofes. Das war die Behörde, die deutlich wie keine zweite auch für einen Personalabbau bei den Lehrerstellen geworben hat. (kw/isc)