Der Saal ist schon wohlbekannt in der Geschichte der niedersächsischen AfD. Hier, in der Bürgerhalle in Hannover-Misburg, am Rande der Stadt, wurde Armin-Paul Hampel einst zum Landes-Spitzenkandidaten seiner Partei für die Bundestagswahl gekürt, das war vor mehr als zwei Jahren. Hier hat er einst auch sein Amt als Landesvorsitzender gegen seine Herausforderin Dana Guth gewonnen, ebenfalls 2017. Doch seither lief es für den 61-jährigen Bundestagsabgeordneten, der früher lange als Fernsehjournalist gearbeitet hat, im Landesverband nicht so gut. Im vergangenen Jahr wurde Guth die neue Landesvorsitzende, sie und ihre Mitstreiter überschütteten Hampel mit Vorwürfen, er habe die Spesen nicht richtig abgerechnet. Der Betroffene wies das als bösartige Unterstellung zurück und kündigte an, er wolle „um seine Ehre kämpfen“.

Ex-AfD-Chef Armin-Paul Hampel zwischen den Delegierten – Foto: kw

Der Zeitpunkt dafür schien ihm jetzt gekommen zu sein. Hatte doch der Vorstand um Guth für dieses Wochenende zur Wiederholung des Parteitags eingeladen, der eigentlich Anfang Mai hätte stattfinden sollen und damals abgesagt worden war. Doch just in diesen Monaten befindet sich die AfD-Partei- und -Fraktionsvorsitzende verbandsintern in der Defensive. Es gab ein paar Entscheidungen, die intern höchst umstritten sind und den Kreis der Guth-Gegner in der AfD stetig vergrößert haben. Würde Hampel den Unmut nutzen können, um auf dem Parteitag eine Mehrheit für sich zu mobilisieren? Die Chance war gut, denn bei der AfD sind Landesparteitage laut Satzung Mitglieder- und keine Delegiertentreffen. Es hängt also davon ab, wer seine Truppen besser begeistern kann. Schnell war am Sonnabend zum Auftakt des Parteitags klar, dass die Guth-Gegner, auch wenn nicht alle von ihnen hinter Hampel stehen, eine knappe Mehrheit haben würden.

Erneuter Streit um Parteigelder

So wird dann die Tagung zu einem Scherbengericht für Niedersachsens AfD-Vorsitzende. Das Hampel-Lager setzte zunächst durch, dass drei für Guth besonders heikle Punkte lange und detailliert diskutiert wurden – und der Tätigkeitsbericht des Vorstandes, sonst ein Schwerpunkt von Parteitagen, an den Rand gedrückt wurde. Erstens geht es um die Frage, ob sich der Landesvorstand leichtfertig über schwere Bedenken hinweggesetzt hatte, als er auf einem Parteitag im Mai im kleinen Seevetal vor den Toren Hamburgs beharrte – trotz warnender Stimmen von Sicherheitsbeauftragten. Tatsächlich platzte der Termin einen Tag vorher wegen Unstimmigkeiten über den Mietvertrag der Halle. Guth erklärte beim Parteitag, die Kosten von 7300 Euro hätten die Landesvorstandsmitglieder aus eigener Tasche beglichen.

Zweitens geht es darum, dass zwei Mitglieder – Mitarbeiter von Hampel im Bundestag – vom Kreis Harburg (Niedersachsen) ein paar hundert Meter weiter in den Stadtteil Harburg (Hamburg) umgezogen waren und an den neuen Landesverband überschrieben wurden. Sie wollten zurück – doch der Landesvorstand ebnete ihnen seit Monaten den Weg dazu nicht. „Beschämend“ sei das, sagte der Hampel-Vertraute Maik Schmitz. „Die Satzung lässt nichts anderes zu“, entgegnete AfD-Landesvize Klaus Wichmann. Andere widersprachen dieser rechtlichen Einschätzung.

Wurde von Delegierten des Parteitags beschimpft: der AfD-Bundestagsabgeordnete Kay Gottschalk – Foto: kw

Drittens, und das war der Hauptpunkt, spielte noch einmal der von Guth zugespitzte Vorwurf eine Rolle, Hampel habe in seiner Vorsitzenden-Zeit Parteigelder zu üppig ausgegeben – allein 60.000 Euro für ihn. Die Kilometer-Pauschale für Dienstfahrten sei unter anderem damals erhöht worden. Dies wurde erstmals beim Landesparteitag im April 2018 vorgetragen, damals im Auftrag des Bundesvorstandes. Ein halbes Jahr darauf, beim Parteitag im Oktober 2018 in Oldenburg, sollten die Vorwürfe gegen Hampel dann vom Landesvorstand ausführlich erläutert werden.

Doch Widersprüche wurden laut, manche Kritik schien auf einmal durch Vorschriften gedeckt zu sein. Das führte in Oldenburg zu heftigen Debatten, und der Parteitag beschloss seinerzeit einen Auftrag an den Vorstand: Dana Guth und ihre Kollegen sollten erneut einen „unabhängigen Prüfer“ mit der Sache betrauen und dabei auch Hampel und seinen damaligen Landesschatzmeister Bodo Suhren einbeziehen. Jetzt, beim Parteitag an diesem Wochenende in Hannover, trugen die Hampel-Anhänger jede Menge Indizien dafür vor, dass der Landesvorstand den vom Parteitag in Oldenburg erteilten Auftrag nur halbherzig, nicht sorgfältig und auch nicht ordnungsgemäß umgesetzt habe. Viel zu spät seien Hampel und Suhren informiert worden, nämlich erst vor einer Woche. So wird die Unterstellung transportiert, der Landesvorstand habe die Aufklärung der angeblich rufschädigenden Unterstellungen gegen Hampel hintertrieben.

Dana Guth in der Defensive

Der Streit über dieses Thema artete am Sonnabend regelrecht aus. Ein Mitglied, das wegen der vielen Interna „den Ausschluss der Presse“ beantragte, blieb mit dem Vorstoß ohne Erfolg. Danach ging es heftig weiter, und man gewann den Eindruck, dass Hampel dabei eine geschicktere Strategie verfolgte. Das fing schon damit an, dass die Mehrheit die vom Vorstand empfohlene Tagesordnung über den Haufen warf und die kritischen Anträge zum Verhalten des Landesvorstandes vor dessen Tätigkeitsbericht gerückt wurden – damit übernahmen faktisch die Guth-Gegner die Regie des Tages. Als das Bundesvorstandsmitglied Kay Gottschalk, ein Hampel-Gegner, sein Grußwort hielt und dabei den Mitgliedern zur Unterordnung riet („Wenn der Landesvorstand ,links rum‘ sagt, dann muss man dem auch manchmal folgen“), war ein Drittel des Parteitags draußen vor der Tür: Sie hatten, angeführt von Hampel, als demonstratives Zeichen des Protestes gegen Gottschalk geschlossen den Saal verlassen.

Später ging Hampel selbst ans Mikrophon und beschwerte sich erneut über Angriffe auf seine Person, die ohne Substanz seien und auch keine strafrechtlichen Folgen gehabt hätten. Er sprach von „ausufernden Kosten“ des ewigen Streits um seine angebliche Verfehlungen – mindestens 60.000 Euro hätten sich angesammelt. Kräftiger Applaus belohnte Hampel dafür, und als später sein MdB-Kollege Jörn König zur Gegenrede ansetzte („Wie viel Angst muss man vor einem Prüfungsbericht haben, wenn man ständig versucht, seine Veröffentlichung zu verhindern?“), zeigte die Versammlung fast tumultartige Züge.

Hampel meinte, der Landesvorstand habe gegen die Vorgabe des Oldenburger Parteitags ein „Gefälligkeitsgutachten“ angefordert – „Pfui Teufel!“ riefen daraufhin Anhänger des Guth-Lagers. Bei der folgenden Abstimmung waren dann die Hampel-Anhänger knapp in der Minderheit: Die eine Hälfte des Saales missbilligte das Verhalten des Landesvorstandes in diesem Fall, die andere nicht – und das Guth-Lager hatte drei Stimmen mehr.

Hampel kann am Ende triumphierend die Bürgerhalle in Misburg, die ihm schon so viel Erfolge beschert hat, wieder verlassen. Guth dagegen erlebte einen Parteitag in fast vollständiger Defensive, sie wirkt geschwächter denn je. Und Gottschalk vom Bundesvorstand, der später noch einmal ans Mikrophon trat und sich über eine „Hampel-Gang“ beklagte, erntete im Saal heftige Buh-Rufe und Pfiffe. Er musste aus Hannover mit Schimpf und Schande wieder abreisen, soll sogar als „Lump“ beschimpft worden sein. Ausgerechnet von Hampel. (kw)