Geht Stephan Weil, Niedersachsens Ministerpräsident, als Kandidat für den SPD-Bundesvorsitz in den parteiinternen Wettkampf? In Hannover verdichten sich die Anzeichen, dass eine Entscheidung in dieser Frage unmittelbar bevorsteht. Entweder werde Weil antreten, heißt es, oder aber er werde sich mit Nachdruck und mit der geschlossenen Unterstützung der Landesparteispitze für einen anderen Genossen aus Niedersachsen stark machen. Der Landesverband wird in der parteiinternen Kandidatendebatte, die seit Wochen mit mal mehr und mal weniger Aufmerksamkeit begleitet dahindümpelt, deutlich Farbe bekennen.

Wird die SPD seine neue Baustelle? Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil – Foto: MB.

Die Sozialdemokraten in Niedersachsen fühlen sich, wenn sie auf die Bundespartei blicken, wie der kraftstrotzende Spross einer Familie, in der die Eltern mittlerweile alt und schwach geworden sind. So kommt es, dass gleich mehrere potenzielle Bewerber aus diesem Landesverband genannt werden, sobald die Frage nach den Kandidaten für den SPD-Bundesvorsitz erwähnt werden. Offiziell vorgewagt hat sich bisher noch niemand von ihnen – alle Interessenten, die sich schon erklärt haben, stammen aus anderen Landesverbänden. Überragende, beeindruckende Namen sind nicht darunter.

Ende Juni dürfte ein Kandidat aus Niedersachsen feststehen

In SPD-Kreisen in Hannover heißt es nun, es werde wohl nur noch ein paar Tage dauern, bis auch ein Personalkonzept aus Niedersachsen bekannt wird. Eigentlich endet die Bewerbungsfrist erst Ende August, aber schon Ende Juli, so verlautet aus informierten Kreisen, dürfte „der niedersächsische Kandidat“ benannt sein. Das könnte ein einzelner Name sein – oder jemand, der als Teil einer Doppelspitze antreten wird.

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Im zweiten Fall, heißt es, dürfte dann aber die Doppelspitze nicht rein niedersächsisch sein, sondern aus einem Niedersachsen und einer Persönlichkeit aus einem anderen Landesverband bestehen. Immer wieder fällt hier der Name von Bundesfamilienministerin Franziska Giffey. Sie ist eine Frau, gehört mit 41 Jahren noch zu den jüngeren Bewerbern und kommt aus den neuen Bundesländern. Die Zahl der möglichen Interessenten aus Niedersachsen wird auf drei benannt – es sind allesamt Männer, zwei davon sind 60 oder 59, gehören also zu den älteren Semestern.

Spannend dürfte aber vor allem sein, ob Weil sich bereiterklären würde, bei der nächsten Bundestagswahl auch als Spitzenkandidat der SPD anzutreten.

Stephan Weil (60) könnte sich berufen fühlen, als Retter der SPD anzutreten. Er hat nicht nur einen der mitgliederstärksten SPD-Landesverbände als Vorsitzender hinter sich, sondern noch dazu als Ministerpräsident automatisch eine bundespolitische Rolle. Zur Kandidatur dürfte er nur bereit sein, wenn er sich gute Erfolgschancen im Fall der Wahl ausrechnet – also auch Bündnispartner in anderen mitgliederstarken SPD-Landesverbänden findet.

Schon mit dem Augenblick der Kandidatur wäre Weil ein bundespolitischer Akteur – er würde häufiger in bundespolitischen Fragen gefordert sein und sich öfter in Berlin aufhalten, das dürfte zu Lasten seiner landespolitischen Aufgaben als Ministerpräsident gehen. Spannend dürfte aber vor allem sein, ob Weil sich bereiterklären würde, bei der nächsten Bundestagswahl auch als Spitzenkandidat der SPD anzutreten. Sollte er Parteichef werden, hätte er in jedem Fall das erste Zugriffsrecht auf das, was man früher „Kanzlerkandidatur“ nannte. Lässt er bei einer Kandidatur zum Parteivorsitz diese Frage offen, so dürften sofort die Spekulationen in dieser Richtung beginnen.

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Aus derzeitiger Sicht ist es wohl wahrscheinlich, dass die SPD im Herbst die Bundesregierung verlässt – und dies könnte am Ende dazu führen, dass die Legislaturperiode verkürzt wird und vorgezogene Bundestagswahlen etwa im Frühjahr 2020 stattfinden. Tritt Weil dann dort an, so ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass er nach der Bundestagswahl in den Bundestag wechselt. Das heißt, in diesem Fall müsste dann im Landtag im Frühjahr 2020 in geheimer Wahl ein neuer Ministerpräsident gewählt werden.

Im Vorfeld dieser Wahl müsste sich die SPD/CDU-Koalition in Niedersachsen noch einmal zusammenraufen – es käme aber auch eine Alternative in Betracht, der Wechsel etwa zu einer Ampelkoalition aus SPD, FDP und Grünen. Womöglich stehen die beiden SPD-internen Bewerber für die Weil-Nachfolge als Ministerpräsident, Boris Pistorius und Olaf Lies, in dieser Frage dann für unterschiedliche strategische Ausrichtungen.

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Noch ist das aber Zukunftsmusik, denn vorerst dürfte Weil, sollte er SPD-Parteichef werden wollen, in jedem Fall das Amt des Ministerpräsidenten in Niedersachsen behalten. Es garantiert ihm derzeit eine einzigartige bundespolitische Machtbasis und bietet ihm einen Apparat, den er für die vertiefte inhaltliche Ausformulierung der Politik unbedingt benötigt.

Es gibt noch zwei andere Namen für Kandidaten zum SPD-Parteivorsitz, die beide aber nur dann in Betracht kommen können, wenn Weil eine Bewerbung für sich ablehnen sollte – Innenminister Boris Pistorius, der erkennbar Ehrgeiz hat, eine neue politische Aufgabe zu übernehmen, oder der SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil aus dem Heidekreis, der in allen SPD-internen Streitigkeiten bisher unbeschädigt geblieben ist.

Klingbeil ist 41 und gilt daher auch als Vertreter der jüngeren Generation, außerdem hat er als „Parteirechter“ exzellente Kontakte zum linken Flügel – etwa zum Juso-Vorsitzenden Kevin Kühnert. Damit kommt dem SPD-Generalsekretär eine Integrationskraft zu, die vielen anderen führenden Sozialdemokraten derzeit fehlt. Der Name Klingbeil sollte also bei den gegenwärtigen Personaldebatten nicht unterschätzt werden. (kw)