…feiert in wenigen Tagen seinen großen Abschied. Nach fast 20 Jahren verlässt er seine mächtige Spitzenposition. Ein Unikum auf dem Platz war er sowieso immer, da die Rolle eigentlich streng genommen nicht zu seinem Parteibuch passt. Außerdem ist er jemand, der stark polarisiert. Der Niedersachse der Woche…

…heißt Frank Bsirske, ist 67 Jahre alt, führt seit 18 Jahren die Gewerkschaft Verdi und ist kein Sozialdemokrat, wie es die meisten Gewerkschaftsführer in Deutschland sind.

Foto: Frank Bsirske

Frank Bsirske hat einen Mitgliedsausweis der Grünen. Wie kein anderer ist er mit dem Namen dieser Gewerkschaft verknüpft, er war ja auch ihr erster Vorsitzender. In dieser Woche gibt Bsirske die ersten Abschiedsinterviews, denn Ende September wird er beim Verdi-Kongress in Leipzig feierlich verabschiedet. Dabei gibt er einige Einblicke in seine Leistungsbilanz – und zeigt sich auch selbstkritisch. Dass es ihm nicht gelungen sei, die in der Kanzlerschaft von Gerhard Schröder entworfene und beschlossene „Agenda 2010“ zu verhindern, sieht er als seine größte Niederlage an. Persönlich räumt er einen Fehler ein: 2008 hatte er einen Luxus-Flug nach Los Angeles gebucht, was ihm als Lufthansa-Aufsichtsratsmitglied zustand. Nur befand sich Verdi gleichzeitig im Streik, sein Verhalten wurde als unangemessen bezeichnet. Bsirske zahlte den Flug damals aus der eigenen Tasche, später räumte er ein, nicht sensibel genug gewesen zu sein.


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Bsirske haut verbal oft auf die Trommel

Verdi ist aus dem Zusammenschluss der DGB-Gewerkschaft ÖTV und der DAG entstanden, die Konkurrenz beider Gruppierungen endete damit. Im Jahr 2000 wurde Bsirske, seit 1997 Personal-Stadtrat in der Landeshauptstadt Hannover, Nachfolger von Herbert Mai als ÖTV-Chef, ein Jahr später dann Verdi-Chef. Als Stadtrat hatte er auch einen Personalabbau in schwierigen Zeiten zu verantworten – und trotzdem gelang es ihm an der Spitze der Gewerkschaft immer wieder, die Mehrheit hinter sich zu scharen. Verdi gilt als streikfreudig, allein im vergangenen Jahr gab es 129 solcher Aktionen, mal kleiner und mal größer. Bsirske steht im Verdacht, oft zu sehr verbal auf die Trommel gehauen und zu wenig nachdenklich gewirkt zu haben. Andererseits hat ihm seine Art des Auftretens in eigenen Reihen sichtbar nicht geschadet.

GrĂĽner Exot an der Gewerkschaftsspitze

Bsirske kam 1952 in Helmstedt zur Welt, sein Vater war VW-Arbeiter, seine Mutter Krankenschwester. Der Vater war Anhänger der KPD. Bsirske legte das Abitur ab, studierte Politik am legendären Otto-Suhr-Institut in Berlin (West) und wurde Bildungssekretär der Sozialistischen Jugend Deutschland. Weil er sich dafür einsetzte, dass die DKP bei Wahlen antreten kann, konnte er als Jugendlicher in der SPD nicht bleiben. Später schloss er sich den Grünen an und war jahrelang als Grünen-Mitglied an der Spitze einer großen Gewerkschaft, in der sonst Sozialdemokraten den Ton angeben, ein Exot.

Im Ruhestand will Bsirske politisch aktiv bleiben – und sich für die Demokratie einsetzen. Was ihn umtreibt, ist die Verrohung der Sprache, sagte er jüngst. Das erinnere ihn an die Zeit der Studentenrevolte 1967. Entschieden wolle er sich gegen Versuche von Rechtsextremisten wehren, in der Politik und der Gesellschaft Fuß zu fassen. Für das Lebenswerk dieses Gewerkschaftsführers und für seine nachdenklichen Äußerungen aus Anlass des bevorstehenden Ruhestandes verleiht ihm die Rundblick-Redaktion den Titel „Niedersachse der Woche“. Glückwunsch dazu!