…ist eigentlich ein Polit-Pensionär und niemand könnte es ihm übel nehmen, wenn er seinen Ruhestand in aller Stille und Abgeschiedenheit genießen würde. Doch dieser Mann denkt mit seinen 76 Jahren gar nicht daran. Er mischt sich weiter ein – und das in einer Deutlichkeit, die ihn in seiner aktiven politischen Zeit nicht immer ausgezeichnet hat. Zu einem weltpolitischen Ereignis, das die Politik in Deutschland aufrüttelte, nahm er unmissverständlich Stellung. Der Niedersachse der Woche…

…heißt Herbert Schmalstieg, war bis vor 13 Jahren hannoverscher Oberbürgermeister und engagiert sich seit vielen Jahren ehrenamtlich für die Belange der Kurden.

Er steht der türkischen Regierung, die schon seit langem massiv gegen die Kurden im eigenen Land angeht, ausgesprochen kritisch gegenüber. Immer dann, wenn in Deutschland die Menschenrechtsverletzungen in der Türkei in Vergessenheit zu geraten drohten, erhob Schmalstieg mahnend das Wort. Aber nicht nur das: Er nutzte als erfahrener früherer Politiker seine Kanäle, um auf diplomatischem Weg zu helfen, wenn geholfen werden konnte.

Doch in den vergangenen Tagen hat sich mit der türkischen Militäroffensive gegen die Kurden in der Grenzregion zu Syrien die Lage dramatisch verändert. Der Rückzug der USA aus der Region brachte die Entwicklung in Gang – und viele Politiker befürchten, dass die Erfolge des gemeinsam von Kurden und Nato-Kräften geführten Kampfes gegen den IS leichtfertig aufs Spiel gesetzt werden.

Diese Türkei hat in der Nato nichts zu suchen. Ein Mitglied der Nato, das einen Angriffskrieg führt, gehört ausgeschlossen.

Schmalstieg ist Sprecher des Beirates der Kurdischen Gemeinde in Deutschland (KGD), und als solcher vertrat er in dieser Woche eine Position, die in ihrer Radikalität kaum zu übertreffen ist. „Diese Türkei hat in der Nato nichts zu suchen. Ein Mitglied der Nato, das einen Angriffskrieg führt, gehört ausgeschlossen.“

Über den türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan sagte Schmalstieg: „Ein solcher Aggressor, der im eigenen Land Andersdenkende verfolgt und verhaften lässt, der in ein Nachbarland mit seinen Truppen einmarschiert, gehört angeklagt vor dem Internationalen Strafgerichtshof.“ Von der EU seien jetzt „eindeutige Sanktionen“ gegen die Türkei nötig – und Waffenlieferungen müssten gestoppt werden.

Er wird deutlich, wo andere diplomatisch lavieren

Ob die klaren Positionen Schmalstiegs bei den Verantwortungsträgern Gehör finden, ist ungewiss. Er drückt auf jeden Fall eine Haltung sehr deutlich aus, die aktive Politiker eher diplomatisch zu umschreiben pflegen. Aber er beweist einmal mehr sein engagiertes Eintreten für ein Anliegen, das er als richtig und wichtig empfindet – hier die Verteidigung einer Volksgruppe, die im aktuellen politischen Weltgeschehen zwischen die Mühlräder der großen Politik gerät.

Schmalstieg ist in dieser Hinsicht ein Überzeugungstäter. Keiner, der seine Ansichten absolut setzt und nicht bereit wäre, in einer Diskussion auf gute Argumente der Gegenseite einzugehen. Dass er das kann, hat er wiederholt bewiesen. Aber der 76-Jährige ist jemand, der Politik auch im Ruhestand als etwas ansieht, das mit Leidenschaft und Klarheit zu tun hat. Für dieses Auftreten verleiht ihm die Rundblick-Redaktion in dieser Woche den Titel „Niedersachse der Woche“. Glückwunsch dazu!