Steffen Krach und Leyla Hatami wollen Claudia Schüßler als SPD-Vorsitzende in der Region Hannover ablösen. | Foto: SPD, Montage: Rundblick

In der Region Hannover, ausgestattet mit einem mitgliederstarken Unterbezirk der SPD, vollzieht sich demnächst ein beachtenswerter personeller Wechsel. Die bisherige Vorsitzende Claudia Schüßler, die sich eigentlich auf eine weitere Amtszeit vorbereitet hatte, tritt überraschend nicht wieder an. Stattdessen soll der im vergangenen Herbst neugewählte Regionspräsident Steffen Krach am 30. April die Führung des Unterbezirks übernehmen – also genau jener politischen Gliederung, die spiegelbildlich der von ihm selbst geleiteten Verwaltungseinheit gegenübergestellt ist. Der 42-jährige Krach soll sich die Aufgabe mit der Isernhagener Regionsabgeordneten Leyla Hatami (39) teilen. Die „Bild“-Zeitung titelte nach Bekanntgabe der Kandidatur: „Steffen Krach beendet Zoff in der SPD“.


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Kommt der smarte junge Verwaltungschef, dem viele in der SPD noch eine große politische Zukunft vorhersagen, also als Retter einer in sich zerstrittenen, nach Erneuerung lechzenden Parteigliederung? Dieser Eindruck konnte in den vergangenen Wochen entstehen, denn in der lokalen Berichterstattung war von internen Kämpfen die Rede, von einem Gegeneinander zweier Landtagsabgeordneter und davon, dass es einen „Personalstreit“ und ein „zerrüttetes Bild“ in der Partei gegeben habe. Nun gibt es zwar Anzeichen dafür, dass es so gewesen sein könnte. Aber stimmt das wirklich?

Es ist auch vorstellbar, dass der Streit gezielt angezettelt wurde zur Schwächung einer unbequemen Unterbezirksvorsitzenden, die ihr Amt engagiert ausgeübt und Konflikten nicht aus dem Weg gegangen war. Womöglich hat sie einigen Genossen damit auf die Füße getreten – und wurde dann zur Zielscheibe einer Intrige. Schüßler selbst lehnte ein Interview mit dem Politikjournal Rundblick ab. Mehrere andere in der hannoverschen SPD berichten aber im Hintergrund, was sich in den vergangenen Wochen ereignet und zu der Zuspitzung der Entwicklung beigetragen hat, an deren vorläufigem Ende nun der Aufstieg von Krach zum neuen Parteichef im Unterbezirk stehen soll.

Drei harte Jahre für Claudia Schüßler

Drei Jahre lang agierte Claudia Schüßler als Nachfolgerin des zum Bezirksvorsitzenden gewählten Matthias Miersch. Das waren keine einfachen Zeiten für die SPD in der Landeshauptstadt, denn kurz nach ihrem Amtsantritt wurde der hannoversche OB Stefan Schostok wegen Untreue angeklagt und trat zurück, bei der Neuwahl landete der SPD-Bewerber nicht einmal in der Stichwahl. Das Rathaus fiel nach 70 Jahren SPD-Dominanz an die Grünen. Erst musste der OB-Wahlkampf organisiert werden, einige Monate später dann der Bundestags- und Kommunalwahlkampf, die beide für die Partei erfreulicher ausgingen als das Ringen um die Schostok-Nachfolge.

Zwei neue Hoffnungsträger traten in den Vordergrund – der Stadtvorsitzende Adis Ahmetovic, seit 2021 auch Bundestagsabgeordneter, und Krach als neuer Regionspräsident. Alles in allem war die Bilanz für die hannoversche SPD nach den drei Jahren im Herbst 2021 überaus erfolgreich – und so konnte sich Schüßler mit Fug und Recht auf eine Fortsetzung der Arbeit einstellen. Umso mehr, als der Unterbezirksvorstand Anfang Februar 2022 einen geeinten Vorschlag für den Parteitag (damals noch für Ende Februar geplant) präsentierte. Schüßler sollte an der Spitze bleiben, ein Personaltableau wurde ausgearbeitet.


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Dann aber meldete plötzlich Mitte Februar der Landtagsabgeordnete Alptekin Kirci seinen Anspruch an, als männlicher Teil einer Doppelspitze neben Schüßler wirken zu wollen. Die bisherige Vorsitzende lehnte das ab – denn die einvernehmliche Absprache vorher sah etwas anderes vor, und sie selbst wolle diesen Weg auch nicht gehen. Eine Doppelspitze, bei der sich der zweite Bewerber an die Seite der bisher allein vorn stehenden Vorsitzenden drängt? Das klang nicht erfolgversprechend. Die „Hannoversche Allgemeine Zeitung“ schrieb Tage später über einen angeblichen „erbitterten Machtkampf“ in der SPD und davon, dass Schüßler selbst „nicht kommunikativ“ und „wenig transparent“ sei. Von Schlichtungsversuchen des Bezirksvorsitzenden Miersch und des Regionspräsidenten war die Rede.

Keine Rückendeckung von Miersch für Schüßler?

Tatsache ist wohl, dass Schüßler nach Kircis überraschendem Seitenhieb keine Unterstützung von Miersch erhielt, der mit einem Machtwort die Debatte hätte beenden können. Die SPD verschob stattdessen den geplanten Parteitag um zwei Monate, aber zur Befriedung der internen Debatte trug das offenkundig nicht bei. Beobachter schildern für die folgenden Tage eher eine Eskalation der innerparteilichen Aufregung, sodass Schüßler irgendwann die Reißleine zog und auf eine erneute Bewerbung verzichtete. „Sie hat einigen Leuten in der Partei offenbar zu sehr auf die Füße getreten“, sagt ein engagiertes Parteimitglied. „Schüßler war von einigen als Bedrohung ihrer Position angesehen worden“, sagt ein anderer. Ist sie zum Opfer einer gezielten innerparteilichen Mobbing-Kampagne geworden?

Es gibt in den internen Abläufen der SPD einige Anhaltspunkte, die diese These stützen. So diskutierte die SPD intern monatelang intensiv, wie die dem Unterbezirk zugeordneten Mitarbeiter im Kurt-Schumacher-Haus ihre Ressourcen effektiv einsetzen sollten. Konkret ging es darum, ob die Ortsvereine im Umland einen Ausgleich dafür erhalten sollten, dass der Unterbezirk seine Kapazitäten lange stark auf den Stadtverband Hannover ausgerichtet hatte. Schüßler wollte diesen bislang ungeregelten Zustand beenden oder zumindest mal über eine gerechtere Aufteilung diskutieren, aber ihre Kritiker sahen darin wohl einen unzulässigen Angriff auf die Hauptstadt-SPD.

Als es um die Neubesetzung der Stelle des Unterbezirksgeschäftsführers ging, griff Schüßler die Kritik aus Teilen ihres Vorstandes auf, dass der zunächst ausgeguckte Bewerber ja in Südwestniedersachsen politisch verankert sei und nicht in Hannover, also seine uneingeschränkte Loyalität in Frage stehe. Auch das wurde mit Unmut quittiert. Schließlich war es Schüßler, die sich im Oktober beim Bezirksparteitag gegen die vom Bezirksvorstand geplante Verkleinerung der Delegiertenzahl wehrte – und einem Vorstandsantrag damit einen Misserfolg bescherte. Auch das, heißt es, hätten ihr einige Herren in der Partei übel genommen.

Doppelrolle für Steffen Krach birgt Zündstoff

Dass nun Steffen Krach neben Leyla Hatami an die Spitze rücken soll, wäre aus Sicht der Hannoveraner folgerichtig – denn der Regionspräsident wohnt in der Landeshauptstadt, nicht im Umland. Das größere Problem scheint zu sein, dass Krachs bevorstehender Aufstieg ein Geschmäckle hat. Überall sitzen die Landräte, Oberbürgermeister und Bürgermeister zwar in den Vorständen ihrer jeweiligen lokalen Parteigremien, meistens kraft Amtes. Das ist juristisch wohl kein Problem. Wenn aber ein Landrat oder Bürgermeister die Führung der lokalen Parteiorganisation übernimmt, also oben an der Spitze steht, sind Rollenkonflikte programmiert.

Äußert sich der Amtsinhaber nun als Vorsitzender der Parteigliederung – oder als Verwaltungschef? Das verschafft zum einen dem mit dem Parteivorsitz aufgewerteten Landrat ein Übergewicht in der parteiinternen Meinungsbildung, hier also in der SPD. Er wird quasi noch dominanter als sowieso schon. Zum anderen, und das ist noch bedenklicher, geht damit ein Stück Überparteilichkeit verloren, die jedem Hauptverwaltungsbeamten von Natur aus erstrebenswert erscheinen müsste. Ob Steffen Krach klug beraten ist, sich diese Debatte aufzuhalsen?