Was hat die Marienburg bei Pattensen mit dem Landeshaushalt zu tun? Auf den ersten Blick nicht viel, denn selbst der ursprünglich auserkorene und inzwischen auf Eis gelegte Plan, das Schloss der Welfen in öffentlichen Besitz zu übernehmen und gründlich zu sanieren, wäre nicht 2019 wirksam geworden, sondern erst später. Trotzdem schwebt dieses Schloss derzeit über der Landespolitik, denn das Thema eignet sich für emotionale Einschätzungen.

So geschah es auch am Donnerstag, als die Fraktionen zum Endspurt für den Haushalt des kommenden Jahres ansetzten. Der Landesetat sieht Ausgaben von 32,8 Milliarden Euro vor, auf neue Schulden wird verzichtet, der Abbau des alten Schuldenberges wird angepeilt, soll aber vor allem vom Verlauf der Einnahmen in diesem Jahr abhängen. Die Personalausgaben liegen bei 13 Milliarden Euro, die Zinsausgaben bei 1,23 Milliarden, die Investitionsausgaben bei 1,63 Milliarden Euro. Ein Sondervermögen für den Netzausbau und Investitionen der Digitalisierung wird mit 500 Millionen Euro angefüttert, daneben gibt es schon ein Sondervermögen für die Universitätsmedizin in Hannover und Göttingen, das inzwischen mehr als eine Milliarde Euro enthält. Die Ausgaben des Landes konnten auch deshalb üppiger ausfallen, weil das Land über das VW-Bußgeld von einer Milliarde Euro verfügen konnte. Eigentlich sind das alles positive Nachrichten, doch Grüne, FDP und AfD lehnten den Haushalt ab, SPD und CDU stimmten zu. In der Debatte bemerkte Helge Limburg (Grüne) spitzt, dass Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) just zum Zeitpunkt der Rede von Grünen-Fraktionschefin Anja Piel, also der Führerin der stärksten Oppositionsfraktion, das Plenum verlassen hatte – wenn auch nur für kurze Zeit. „Können Sie sich erklären, was Herrn Weil zur Flucht bewogen haben mag?“

Piel bewertete Weils Abwesenheit mit einer neckischen Bemerkung, anspielend auf den bevorstehenden Geburtstag des Regierungschefs am Wochenende. „Vielleicht bereitet er seine Feier vor und backt dafür eine Torte – in der Form der Marienburg.“ Grüne und FDP quittierten das mit Gelächter, doch Johanne Modder (SPD) empfand die Verquickung von politischer Debatte und privaten Ereignissen als „Griff in die unterste Schublade“. Das sei kein guter Stil, meinte die SPD-Politikerin – zumal sich gerade zuvor Grüne und FDP über „schlechten Stil“ der Regierungsfraktionen beklagt hatten. Und wenn man über Stilfragen rede, müsse man den Freien Demokraten Verantwortungslosigkeit vorhalten. Der FDP-Fraktionsvorsitzende Birkner bewertete die Nicht-Anwesenheit Weils, die nicht mal drei Minuten dauerte, als „unfassbar“. Wieder einmal zeige der Regierungschef damit, dass ihm das Parlament „eigentlich total egal“ sei. Der Freidemokrat sprach von „Arroganz der Macht“, einen Beleg dafür sieht er auch in mangelnder Vorsorge für die Haushaltsprobleme, die noch kommen könnten – der Kapitalbedarf für die Nord/LB, die von höchsten Gerichten angezweifelte Besoldungshöhe für die Landesbeamten, die möglichen Folgen einer Zinssteigerung und eben auch die Marienburg. Hier habe sich eine merkwürdige Konstellation gezeigt: „Die CDU geht voran, die SPD-Fraktion ist überrascht und der Ministerpräsident entscheidet dann offenbar, das Thema erst mal nicht anzupacken – man ist sich beim Umgang mit diesem Schloss wohl nicht einig.“

Der CDU-Fraktionschef Dirk Toepffer sieht in der Haltung der Opposition, der Mehrheit „schlechten Stil“ vorzuwerfen, einen Mangel an inhaltlichen Alternativen. Das Bild einer die offene Diskussion vermeidenden, in Hinterzimmern entscheidenden Regierungsmehrheit sei nicht zutreffend, betonte Toepffer. Dies könne man vor allem am Beispiel der Debatte über die Strafbarkeit der Werbung für Abtreibungen sehen. Bei diesem Thema hatte die Koalition das eigene Reglement ausgeblendet und eine freie Abstimmung im Parlament zugelassen – zu Lasten der Geschlossenheit. „CDU und SPD trauen sich gegenseitig so sehr, dass wir die Braut zum Tanzen mit anderen schicken, weil wir wissen, dass sie danach wieder zurückkommt“, sagte Toepffer. Eine Ampel-Mehrheit hatte sich mit einer Entschließung am Montag im Landtag durchgesetzt. Mit seiner SPD-Kollegin Modder, betonte Toepffer, sei das Vertrauensverhältnis sehr gut: „Wir gehen gemeinsam durch dick und dünn.“ Scharfe Angriffe richtete der CDU-Fraktionschef auch an die Grünen, die im Haushaltsausschuss ständig versuchten, die Diskussion um die Nord/LB zum Parlamentsthema zu machen – auch wenn es gar nichts zu berichten gebe. „Es geht hier wohl um die Aufmerksamkeit, die man früher als Grüne in der rot-grünen Landesregierung nicht bekommen hat.“ Damit war Stefan Wenzel gemeint, einst Umweltminister und jetzt Grünen-Haushaltspolitiker.

Auch der AfD-Sprecher, Peer Lilienthal, ging in seiner Rede auf die Marienburg ein. Der Kauf dieses Schlosses bewege sich in einem Spannungsfeld zwischen Politik, skeptischer Öffentlichkeit und wirtschaftlichen Interessen der Welfenfamilie. Alles sei begleitet von der Angst, es könne wieder – wie einst 2005 – zum Ausverkauf der wertvollen Kunstgegenstände kommen. Der Rat der AfD: Ministerpräsident Stephan Weil solle das Thema zur Chefsache erklären. (kw)