Die Industrie in Niedersachsen hat bei einer Veranstaltung in Hannover Wirtschaftsminister Bernd Althusmann ins Stammbuch geschrieben, was aus ihrer Sicht im Land angegangen werden muss. „Das Wort Mittelstand findet man in jeder Rede eines Politikers. Allein die Verwendung des Wortes hilft aber nicht“, bemängelte Volker Müller, Hauptgeschäftsführer der Unternehmerverbände Niedersachsen. Zudem werde dabei häufig die mittelständische Industrie vergessen. „Das Wort Industrie sucht man in der Vereinbarung der Großen Koalition fast vergeblich“, bedauerte Müller. Dabei müsse die Industrie wieder mehr in den Fokus genommen werden. Vertreter großer niedersächsischer Unternehmen sprachen die Themen an, die die Industrie derzeit am meisten beschäftigen.

Fehlende Fachkräfte: „20.000 IT-Studenten haben im vergangenen Sommersemester mit ihrem Studium angefangen, vielleicht kommen ja 15.000 durch. Aber allein die großen IT-Unternehmen brauchen 60.000“, rechnete Frank Maier, Vorstand der Lenze SE, vor. Ein Viertel der Studienanfänger seien Ausländer. „Das hilft uns nur, wenn wir sie dazu bewegen, bei uns zu bleiben. Deshalb brauchen wir eine Willkommenskultur“, meinte Lenze. Das sei auch nötig, um Fachkräfte aus dem Ausland zu bekommen. Und das Land müsse Gas geben, schon in den Schulen junge Menschen für den IT-Bereich zu gewinnen.

Fehlende Rohstoffe: Katrin Hardekopf, Vorstand bei der Günther Papenburg AG, wunderte sich darüber, dass immer mehr Naturschutzgebiete ausgewiesen werden – auch solche, die eigentlich der Rohstoffsicherung vorbehalten seien. „Wir nehmen das Thema Umweltschutz sehr ernst, fragen uns aber, warum wir inzwischen Rohstoffe aus Sachsen-Anhalt importieren müssen. Das läuft über die Straße und ist auch nicht umweltfreundlich.“ Das führe auch zu steigenden Rohstoffpreisen. Hardekopf forderte, die Gebiete zur Rohstoffsicherung auszubauen. Darüber hinaus beklagte sie eine Verknappung der Deponiekapazitäten. Der Platz reiche mit neuen Genehmigungen für noch nicht gebaute Deponien noch für 14 Jahre. Das werde die Bauindustrie weiter belasten.

Hohe Energiepreise: In der energieintensiven Industrie gibt es eine schleichende Dekapitalisierung, sagte Dieter Schnepel, Standortleiter des Werks in Stade der Dow Chemical. Viele Investitionen würden nicht mehr in Deutschland getätigt. Auch sein Unternehmen investiere außerhalb Deutschlands. „In Saudi-Arabien haben wir zusammen mit einem Partner gerade 20 Milliarden Euro investiert. In diesem Sog wandern auch viele kleine und mittelständische Betriebe ab“, warnte Schnepel.

Auch Althusmann sieht die Energiepreise als größte Herausforderung für die Industrie. „Das derzeitige Energiesystem ist eher ein Ausnahme- als ein Regelsystem geworden. Wir müssen zurück zum Regelsystem und nicht immer über Ausnahmen sprechen“, so der Wirtschaftsminister. „Ich werde Sie nicht von allen energiegesetzlichen Auflagen befreien können. Aber wir werden Initiativen beim EEG und auch beim Bürokratieabbau auf den Weg bringen“, versprach er. Althusmann übte zudem erneut Kritik an den deutschen Planungsverfahren. „Wir brauchen bis zu 50 Jahre, um große Infrastrukturprojekte voranzubringen. Eine Industrienation wie Deutschland kann es sich mit Blick auf die Sicherung des Wohlstands nicht leisten, so langsam zu planen und voranzukommen. Wir brauchen einen deutlichen Schub.“ Er wünsche sich ein Zurückdenken an die 90er, als manche Regelungen für den Aufbau Ost einfach außer Kraft gesetzt wurden. „Wir bräuchten einen Schub wie nach der Maueröffnung“, sagte Althusmann.

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