Die Erregung ist groß, wenn es in Niedersachsen um die Düngeverordnung der Europäischen Union geht. „Viele Landwirte sehen ihre Existenz bedroht“, eröffnet der Agrarpolitiker Hermann Grupe (FDP) am Donnerstag die Fragestunde im Landtag. Die Vorgaben der EU, mit denen die Nitratbelastung im Grundwasser verringert werden soll, sind eine zusätzliche Herausforderung für die Agrarbranche, die ohnehin zurzeit von allen Seiten unter Beschuss zu stehen scheint. Tierwohl-Debatten, Dürreschäden, Preisdruck aus dem Einzelhandel und dann auch noch die Düngeverordnung. Ein Hofsterben stehe bevor, der Backweizen werde ohne ausreichende Düngung nicht mehr wachsen – gibt es also bald weder Milch noch Brot aus Niedersachsen?

„Ausführendes Organ, eine Führungsdrohne des Landvolkes“: So bezeichnete die Grünen-Abgeordnete Miriam Staudte Niedersachsens Landwirtschaftsministerin Barbara Otte-Kinast – Foto: nkw

Die FDP forderte, zumindest diejenigen Betriebe, bei denen keine zu hohe Nährstoffbelastung im Boden festgestellt werden kann, vor zusätzlichen bürokratischen Lasten zu verschonen. Niedersachsens Landwirtschaftsministerin Barbara Otte-Kinast (CDU) sagte aber, eine Änderung der Düngeverordnung nur für sogenannte nitratsensible Gebiete sei nicht zu erwarten. Es gebe Maßnahmen, die nun für alle Betriebe gleichermaßen gelten. Allerdings ist eine Differenzierung sehr wohl möglich, denn bestimmte andere Maßnahmen sind nur genau für die nitratsensiblen Gebiete vorgeschrieben.

Miriam Staudte, grüne Agrarpolitikerin, warf der Landwirtschaftsministerin vor, die Problemgebiete nicht rechtzeitig zu benennen. Otte-Kinast verwies auf eine noch laufende Ressortabstimmung zwischen ihrem Landwirtschaftsministerium und dem Umweltministerium von Olaf Lies (SPD). Staudte unterstellte ihr jedoch, sie verzögere den Prozess ebenso wie die Vorstellung des Nährstoffberichts, weil die Zahlen „dramatisch“ sein müssten. Die Landwirtschaftsministerin möchte den Bericht erst am 24. April vorstellen – im vergangenen Jahr lag dieser aber schon Ende März vor. Staudte glaubt, die Verzögerung sei Absicht. Der Grund: eine für den 4. April in Münster geplante Demonstration deutscher Landwirte gegen die EU-Vorgaben. Schlechte Nitratzahlen würden da die Argumentation gegenüber Brüssel erschweren.

Otte-Kinast verwehrte sich gegen den Vorwurf und verweist darauf, dass sie als Ministerin sowohl für die Landwirtschaft als auch für den Verbraucherschutz und die Ernährung Verantwortung trage. Es gebe viele Dinge abzuwägen und das brauche Zeit, erwiderte sie. Miriam Staudte hatte Otte-Kinast zuvor noch als „ausführendes Organ, eine Führungsdrohne des Landvolkes“ bezeichnet, was bei der Unionsfraktion für erheblichen Protest gesorgt hatte. Dort erhofft man sich von Brüssel vor allem eines: Zeit. Frank Schmädeke (CDU) sagte, man müsse die Wirkung der 2017 eingeleiteten Maßnahmen erst einmal abwarten und die Ergebnisse dann bewerten, bevor man die Vorgaben verschärfe. Dana Guth (AfD) sieht es ähnlich und kritisierte explizit die Europäische Union. „Welcher Landwirt ist denn noch dazu bereit, zu investieren, um die Vorgaben zu erfüllen, wenn unsicher ist, wie lange die gelten?“ Man müsse jetzt Verlässlichkeit für die Landwirte sicherstellen, diese bräuchten mehr Planungssicherheit.

Am kommenden Dienstag wird Otte-Kinast mit Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner und EU-Agrar-Kommissar Phil Hogan in Hannover zusammentreffen. Dort werden sie auch über die besonderen Herausforderungen für Niedersachsens Agrarbranche reden. Ob sich die drei Ebenen irgendwann auf einen Kompromiss einigen können, ist ungewiss. Bis dahin wird Otte-Kinasts Ministerium mit Schulungen, Beratung und weiteren Messungen versuchen, die niedersächsische Landwirtschaft beim Umgang mit der Düngeverordnung zu unterstützen.