Im Dauerstreit um die Düngeverordnung hat die niedersächsische Landesregierung berechtigten Grund zur Hoffnung. Nach Informationen des Politikjournals Rundblick ist im inzwischen monatelangen Ringen zwischen der EU-Kommission, den Bundesministerin Julia Klöckner (Agrar) und Svenja Schulze (Umwelt) und den Bundesländern ein Durchbruch nah.

Der sogenannte „niedersächsische Weg“ dürfte Aufnahme in eine Verwaltungsverordnung finden, die gemeinsam mit den neuen Düngeregeln in Kraft treten soll – und zwar erst zum Jahresbeginn 2021 und nicht, wie bisher geplant war, bereits in wenigen Wochen. Diese Verständigung, die am späten Mittwochabend erzielt wurde, ist den ganzen gestrigen Tag über in verschiedenen Gesprächsrunden und Konferenzen noch einmal beraten worden. Es hieß, dass nicht alle Bundesländer damit einverstanden seien und eine Mehrheit im Bundesrat äußerst knapp werden könnte.


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Der „niedersächsische Weg“ bedeutet im Ergebnis, dass für jeden landwirtschaftlichen Betrieb genau ermittelt und erfasst werden muss, wieviel Gülle dort anfällt und wohin diese gebracht wird. In einigen süddeutschen Ländern stößt die damit verbundene Transparenz für jeden Bauernhof auf Widerstand der Interessensverbände und der Landespolitik.

Trinkwasserschutz: EU droht mit hohen Strafzahlungen

Die Dramatik ergibt sich zum einen aus der Notwendigkeit eines besseren Trinkwasserschutzes. Seit Jahren wird die zulässige Obergrenze der Nitratbelastung überschritten, die EU droht nun ab April dieses Jahres hohe Strafzahlungen an, sollten nicht drastische Einschränkungen der Düngeregeln für die Landwirtschaft beschlossen werden. Bislang war der 3. April für einen entsprechenden Beschluss über die verschärfte Düngeverordnung im Bundesrat angesetzt, dieser soll jetzt auf den heutigen Freitag vorgezogen werden.

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Die Bundesländer mussten anhand von Grundwassermessungen festlegen, inwieweit es „rote Gebiete“ gibt, auf die sich nach dem Entwurf der neuen Düngeverordnung eine stark eingeschränkte Düngung (minus 20 Prozent) beziehen soll. In Niedersachsen gelten 39 Prozent der Landesfläche als „rotes Gebiet“. Landwirte laufen gegen diese geplante Vorgabe Sturm, weil bisher ein einziges negatives Messergebnis eines Brunnens in einem großen Areal die 20-Prozent-Auflage auslösen kann.


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Der „niedersächsische Weg“ sieht daher vor, dass in diesen „roten Gebieten“ anhand des Nährstoffkatasters genau geprüft werden soll, welcher Landwirt wie mit den Rückständen seiner Tiere und Biogasanlagen umgeht. Dann könne man für jeden einzelnen Betrieb detailgenaue Auflagen für die Düngung verhängen. Erst vor wenigen Tagen hatte sich auch NRW diesem Vorschlag von Niedersachsen angeschlossen. Auch mehrere Länder, in denen die Grünen mitregieren, sollen offen gegenüber diesem Weg sein.

Otte-Kinast telefonierte mit von der Leyen, Lies mit Flasbarth

In den vergangenen Tagen wurde hektisch telefoniert – unter anderem auch zwischen Agrarministerin Barbara Otte-Kinast und EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen. Auf SPD-Ebene suchte Umweltminister Olaf Lies Kontakt zu Jochen Flasbarth, dem Staatssekretär im Bundesumweltministerium. Ein Einigungskonzept sah so aus: Die EU ist einverstanden mit der Verschiebung der Düngeeinschränkung auf Anfang 2021 – da gegenwärtig wegen der Corona-Krise die nötige Überprüfung der Grundwassermessungen schwierig zu bewerkstelligen wäre.

Im Gegenzug bleibt es bei den strengen Vorgaben, mit der Verwaltungsvorschrift erhalten Bund und Länder aber die Möglichkeit, das Messstellennetz zu überprüfen und dabei neue Kriterien zu entwickeln. Diese Kriterien könnten sich auch auf das Nährstoffkataster beziehen.

Kritiker erkannten noch einen juristischen Pferdefuß

Wenn das so käme, hätte man einen Weg gefunden, von der pauschalen 20-prozentigen Kürzung der Düngung abzuweichen und einzelnen Bauernhöfen konkrete Vorgaben für die zulässige Menge ihrer Düngung zu erteilen. Diese Chance war in den bisherigen Konzepten der Bundesregierung und auch der EU noch nicht enthalten gewesen. So erfreut dieses vorläufige Verhandlungsergebnis am Donnerstag in Teilen der Landesregierung aufgenommen wurde, so kritisch blieb das Thema gestern den ganzen Tag über in allen Besprechungen, die um die Vorbereitung der heutigen Bundesratssitzung kreisten.

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Kritiker der Einigung erkannten noch einen juristischen Pferdefuß – denn die Fristen zur Stellungnahme, die für den Entwurf der neuen Düngeverordnung vorgesehen waren, datierten noch auf Anfang April, bezogen sich also auf die alte Terminierung der Bundesratssitzung. Daher war bis zum späten gestrigen Abend unklar, ob die Abstimmung in der Länderkammer heute wie geplant laufen kann.