Wie wird sich Niedersachsen im Jahr 2022 verändert haben – dann, wenn der Landtag, der bald gewählt wird, seine Amtszeit hinter sich haben wird? Der Rundblick wagt einen Blick voraus – in zwei Varianten. Heute Teil zwei: Der Verwaltungsaufbau.

    Variante A: Die neue Regierung packt in den ersten Monaten das Großprojekt „Niedersachsen-Reform“ an – begleitet von heftigen Protesten. Mit der Landtagswahl 2022 werden auch die neuen kommunalen Gremien gewählt.

Im Wahlkampf war es nur eine Randnotiz wert, aber schon in den Koalitionsverhandlungen, die Ende Oktober 2017 beginnen, ist es ein Schwerpunkt: Wie wird sich das Land angesichts der Digitalisierung verändern? Die neue Regierung beschließt, hier einen Schwerpunkt zu bilden – und Vorreiter in Deutschland zu sein. Eine große Konferenz aller Parteien, Interessensverbände und Gewerkschaften wird für Anfang 2018 einberufen. Sie endet Mitte des Jahres – und in der Folge bringt die Koalition mehrere Gesetzesvorhaben auf den Weg. Erstens: In die Landesverwaltung werden fünf Milliarden Euro investiert, um die vollständige Umstellung der Verwaltung auf elektronische Verfahren voranzutreiben. Es gibt dafür zwei Voraussetzungen, die für 2021 angepeilt werden – der Breitbandausbau mit Glasfasernetzen soll weitgehend abgeschlossen sein, im Bundesrecht soll ermöglicht werden, dass Bundesländer auf Wunsch die elektronische Kommunikation mit der Verwaltung verpflichtend machen können. Zweitens: Niedersachsen erklärt gegenüber dem Bund, für das ganze Land Modellprojekt bei der Digitalisierung sein zu wollen. Die Bundesregierung gibt dafür grünes Licht. Da die gesetzlichen Regeln für Datenschutz und Verwaltungsverfahren noch Hürden bilden, gibt es auf Bundesebene zunächst eine Ausnahmebestimmung – Niedersachsen darf neue Wege modellhaft erproben, auch wenn sie im Widerspruch zu bisherigen Bundesbestimmungen stehen.

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Drittens: Der Landtag beschließt mehrheitlich ein großes Behördenumbauprogramm, das auch mit den Kommunalverbänden befürwortet wird. Anstelle der bisher 45 Kreise und kreisfreien Städte gibt es landesweit 15 Einheiten, die „Regionen“, die in etwa die gleiche Einwohnerzahl haben. Da diese unterschiedlich stark sind, gibt es aus einem Landestopf Zuwendungen für die ärmeren. Die Zahl der Städte und Gemeinden verringert sich nur unwesentlich. Alle Landesämter werden aufgelöst, in einem großen Programm werden zahlreiche Landesaufgaben auf die 15 Regionen übertragen, der Rest geht an ein Landesverwaltungsamt, das 15 Außenstellen hat. In jeder Stadt oder Gemeinde gibt es die Möglichkeit, sämtliche Verwaltungsaufgaben zu erledigen (sofern man es nicht schon zuhause am Computer getan hat). Viertens: Ein Stellenabbauprogramm wird beschlossen, es sieht die Schrumpfung der öffentlichen Verwaltung von Land und Regionen um ein Drittel bis zum Jahr 2025 vor – auf betriebsbedingte Kündigungen wird verzichtet, aber alle Mitarbeiter sind gezwungen, an Umschulungs- und Weiterbildungsprogrammen teilzunehmen, in denen sie für neue Aufgaben im Zuge der Digitalisierung (Beratung, Betreuung) fit gemacht werden sollen. Die Gewerkschaften protestieren und rufen sogar zum Streik auf, doch die Resonanz darauf bleibt bescheiden, da sich allgemein das Bewusstsein der Notwendigkeit solcher Veränderungen immer mehr durchsetzt.

 

   Variante B: Die neue Regierung geht Veränderungen nur langsam und vorsichtig an – auch aus Sorge vor den Populisten bei AfD und Linkspartei, die den Regierenden Bürgerferne und Abgehobenheit vorwerfen. Es wird zunächst ein Gutachten zu notwendigen Veränderungen in Auftrag gegeben – auch das wird aber schon von Protesten begleitet.

Nach der Landtagswahl 2017 geht die neue Regierung zuerst ganz tatkräftig ans Werk: Nach wie vor sind die Kassen gefüllt, die Stimmung ist gut und der Anreiz, größere Veränderungen an den bestehenden Zuständen vorzunehmen, fehlt weiterhin. Also verteilt man Wohltaten: Mehr Geld für Mitarbeiter im öffentlichen Dienst, zusätzliche Investitionen für mehr Technik in den Schulen, Investitionen für Krankenhäuser und Uni-Kliniken. Dann aber verdüstern sich im Jahr 2018 die Rahmenbedingungen. Die Zinsen steigen wieder, damit auch der Schuldendienst, den das Land und die Kommunen für ihre Kredite zu leisten haben. Die Steuereinnahmen fallen auf einmal knapper aus als in den Schätzungen vorhergesagt.

Gleichzeitig steigt der Personaletat – weil sich das Fehlen guter Fachkräfte vor allem in der Verwaltung bemerkbar macht, müssen die Gehaltsstufen angehoben werden, da die anderen Bundesländer das auch tun. Mit Müh‘ und Not gelingt es so, die wichtigsten freien Stellen zu besetzen. Doch das treibt die Ausgaben von Land und Kommunen nach oben. 2019 sind die ersten drei Landkreise faktisch pleite – die Banken weigern sich, ihnen die sonst üblichen guten Bedingungen bei der Kreditvergabe zu gewähren. Das Land kann nicht großartig helfen, denn die Schuldenbremse verbietet das. So müssen Schatten-Haushalte zur Stützung der wachsenden Zahl kranker Gemeinden und Kreise aushelfen. Als Bedingung für die Hilfen sollen Personalkürzungsprogramme greifen – und das ruft den Protest von Gewerkschaften auf den Plan. Am Ende, kurz vor der Landtagswahl 2022, muss der Finanzminister eine Haushaltssperre verhängen und ein pauschales Kürzungsprogramm auflegen. Da aber die Regierung in ihrer Regierungserklärung Strukturreformen im Verwaltungsaufbau ausgeschlossen hat, gerät man mit den Kürzungen rasch an Grenzen. Als auf die Wiederbesetzung freiwerdender Lehrerstellen verzichtet werden soll, zerbricht die Koalition. (kw)