Auf der SPD-Seite ist Hubertus Heil aus Peine, der Bundesarbeitsminister, der Niedersachse im Rang eine Bundesministers. Auf CDU-Seite war das in den vergangenen knapp 15 Jahren Ursula von der Leyen aus der Nähe von Hannover. Und künftig? Niemand mehr. Die Bitte von Niedersachsens CDU-Landeschef Bernd Althusmann, Kanzlerin Angela Merkel solle wieder einen Niedersachsen benennen, ist nicht berücksichtigt worden. Nun zieht die neue CDU-Bundesvorsitzende Annegret Kramp-Karrenbauer ins Kabinett ein und wird Verteidigungsministerin – und das Resultat ist ein regionales Ungleichgewicht.

Zwei der christdemokratischen Bundesminister kommen künftig aus dem kleinen Saarland, das nicht größer ist als die Region Hannover. Zwei kommen aus dem bevölkerungsreichen Nordrhein-Westfalen, je einer aus Rheinland-Pfalz und Hessen – aber niemand aus Baden-Württemberg, auch niemand aus den norddeutschen Ländern (wenn man Merkel, die für den Landesverband Mecklenburg-Vorpommern steht, einmal absieht). Ganz offenbar sind machtpolitische Fragen, nämlich die Stärkung der jüngst in Bedrängnis geratenen Kramp-Karrenbauer, wichtiger als der Regionalproporz gewesen. Das mag der besonderen Situation geschuldet sein, nämlich der nicht sehr ausgeprägten Stabilität dieser Bundesregierung.

Neue Europäische Kommissionspräsidentin: Ursula von der Leyen. Foto: Jorisvo, CDU_CSU_Bundestagsfraktion

Wie ist es zu dieser Neubesetzung gekommen – und welchen Anteil haben daran die Niedersachsen? Althusmann hatte nach Informationen des Politikjournals Rundblick schon vor Wochen Merkel und Kramp-Karrenbauer darauf hingewiesen, dass er sich bei einem Ausscheiden von der Leyens wieder einen Niedersachsen am Kabinettstisch wünscht – schließlich ist der Landesverband nach NRW und Baden-Württemberg der drittstärkste in Deutschland. Das Problem aber ist: Profilierte Verteidigungspolitiker hat die Niedersachsen-CDU schon, aber Frauen sind nicht darunter. Als vor ein paar Tagen dann erneut über das Thema gesprochen wurde, sollen Merkel und Kramp-Karrenbauer betont haben, dass die Geschlechterverteilung im Kabinett nicht geändert werden solle. Mit anderen Worten: Falls ein Mann Verteidigungsminister wird, müsse an anderer Stelle eine Frau in die Bundesregierung einziehen. So schälte sich ein Plan heraus, der noch bis Dienstagabend als sehr realistisch erschien: Jens Spahn wechselt vom Gesundheits- ins Verteidigungsressort, eine Frau wird Gesundheitsministerin. Dies wäre dann die Chance für eine Niedersächsin gewesen, aber offenbar war das in dieser Rochade nicht vorgesehen.

Überlegt wurde, Annette Widmann-Mauz aus Baden-Württemberg, bisher eine der Staatsministerinnen im Kanzleramt, zur Gesundheitsministerin zu küren. Niedersachsen wäre abgefunden worden damit, dass eine Frau den Platz von Widmann-Mauz als Staatsministerin im Kanzleramt einnimmt. Aber dieses Modell wäre von Schönheitsfehlern begleitet gewesen: Wäre Maria Flachsbarth (Hannover) in dieses Amt befördert worden, hätte es mit Hendrik Hoppenstedt (Burgwedel) und ihr gleich zwei Staatsminister im Kanzleramt aus einem einzigen Kreisverband gegeben – der CDU Hannover-Land. Das hätte nicht gepasst. Auch Gitta Connemann (Leer) wäre theoretisch anstelle von Flachsbarth in Betracht gekommen – doch sie soll nicht unbedingt das größte Vertrauen von Merkel besitzen. Wie auch immer: Mit diesem Weg hätte zwar Baden-Württemberg zufrieden sein können, nicht aber Niedersachsen, denn die Konstellation wäre irgendwie schief geworden.

Wird Verrteidigungsministerin: Annegret Kramp-Karrenbauer. Foto: CDU Saar

Am Ende ist es dann ja auch nicht so gekommen. Die überraschende Bereitschaft von Annegret Kramp-Karrenbauer, in die Bundesregierung zu gehen, bewahrt Merkel vor einer Rochade beim Kabinett, vor fragwürdigen Personenkombinationen und auch davor, der Niedersachsen-CDU ein Verliererimage dieser Kabinettsreform anzuhaften. Nun, da nur eine einzige Position im Kabinett neu besetzt wird – und das noch dazu mit der CDU-Vorsitzenden, die unabhängig von jedem Regionalproporz Ansprüche stellen kann -, gibt es gegen Kritiker eine überzeugende Antwort: Ja, Baden-Württemberger und Niedersachsen sitzen auf CDU-Seite nicht am Kabinettstisch, aber die Ausgewogenheit sollte diesmal eben auch keine Bedeutung haben. Wie es heißt, soll im Kanzleramt auch auf die folgende Weise argumentiert werden: Die Niedersachsen-CDU stelle künftig immerhin die erste Frau in Europa, das sei doch eigentlich viel gewichtiger als ein Kabinettsposten in Berlin. Bisher, als Günther Oettinger noch der deutsche EU-Kommissar war, soll die CDU-Spitze gegenüber dem Landesverband Baden-Württemberg ähnlich argumentiert haben. (kw)