Benjamin Landes, Direktor des Institutes für Sozialarbeit und Sozialpädagogik in Frankfurt/Main, hat neue Erkenntnisse einer Studie unter dem Titel „Einsamkeitsbarometer“ mitgeteilt. In einer Veranstaltung mit Sozialminister Andreas Philippi sagte Landes, dass bis zum Beginn der Corona-Pandemie acht bis zehn Prozent der Deutschen angegeben hätten, sie würden sich einsam fühlen. Dieser Wert sei dann mit der Pandemie auf mehr als 30 Prozent hochgeschnellt.

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Mehrheitlich seien es nicht mehr Senioren, sondern junge Menschen gewesen, die über Einsamkeit geklagt hätten. Dieser Zustand habe sich dann nach der Corona-Zeit nicht mehr geändert. Von Einsamkeit seien insbesondere Menschen betroffen, die ohnehin schon benachteiligt sind: Alleinerziehende, Migranten, Menschen mit Behinderungen und chronisch Kranke, pflegende Angehörige und Arbeitslose. Fatal sei, dass einsame Menschen das Vertrauen in die Demokratie verlören, in das Rechtswesen und die Polizei.

Mit der Veranstaltung startete Sozialminister Andreas Philippi (SPD) die Kampagne „Gemeinsam statt einsam“ und übernahm damit die Rolle des niedersächsischen „Einsamkeitsministers“, die ihm der Landtag übertragen hat. Kern der Kampagne ist ein Ideenwettbewerb. In der Jury sitzen neben Benjamin Landes unter anderem die Ex-Schiedsrichterin Bibiana Steinhaus-Webb und die NDR-Moderatorin Christina von Saß. Außerdem kündigte Philippi Fachveranstaltungen an und versprach, das Thema in die niedersächsische Ehrenamtsstrategie einfließen zu lassen.

Benjamin Landes konnte das Vorurteil widerlegen, dass Menschen auf dem Land weniger einsam seien: Zwischen Wohnort und Einsamkeitsquote gebe es fast keinen Zusammenhang. „Entscheidend ist nicht nur die Zahl, sondern auch die Qualität der sozialen Beziehungen“, betonte Landes. In diesem Zusammenhang übte die Vorsitzende der Bundesarbeitsgemeinschaft der Seniorenorganisationen, Regina Görner, Kritik an den Vereinen in Deutschland: Wenn Menschen Mitglied in Vereinen und trotzdem einsam seien, müssten sich die Vereine fragen, ob sie das an Nähe und Kontakt bieten, was Menschen suchen. Viele Vereine klagten über Nachwuchssorgen. „Aber wenn sich jemand im Ruhestand engagieren möchte, dann bekommt er zu hören, dass eigentlich 35-Jährige gesucht werden“, kritisierte Görner.

Der Einsamkeitsforscher Landes hatte einige Empfehlungen für Niedersachsen: So helfe es bereits, Bänke im öffentlichen Raum aufzustellen, damit Menschen sich begegnen können. Um den Teufelskreis von Einsamkeit und Arbeitslosigkeit zu durchbrechen, seien die Jobcenter gefragt, auch bei der Einsamkeit anzusetzen. Auch Arztpraxen könnten Anlaufstellen sein, wo Einsame erreicht werden, so Landes. Sein Rat: „Machen Sie sich Gedanken über das Gegenteil von Einsamkeit.“