2020 ist nicht nur das Jahr des vermaledeiten Coronavirus, sondern auch ein regelrechtes Kant-Revival-Jahr. Wenn Immanuel Kant allerdings gewusst hätte, dass aus seinem kategorischen nun der pandemische Imperativ wird, wäre ihm vielleicht nicht ganz so wohl gewesen.

Zum einen, weil Kants Imperativ der Freiheit nicht so automatisch mit der Philosophie derjenigen überein zu bringen ist, die ihn nun gerne coronagemäß umdeuten. Zum anderen, weil Kant selbst ein – nun, sagen wir es ruhig – Feierbiest war.

Der Philosoph Johann Georg Hamann befürchtete damals, dass Kant nicht genügend zum Arbeiten käme, weil er durch „einen Strudel gesellschaftlicher Zerstreuungen fortgerissen“ werde. Nach gesellschaftlichen Zerstreuungen müsste Party-Kant in diesen Tagen etwas länger suchen.

Foto: Patrice Kunte / Sprengel Hannover

Den pandemischen Imperativ bemüht heute auch die hannoversche Regionalbischöfin Petra Bahr (Foto oben), die im Rundblick-Interview für „konsequente und nachvollziehbare Schutzvorkehrungen“ plädiert. Bahr wundert sich über eine „kindliche Gemütsverfassung“ bei vielen Menschen, die der Meinung seien, ihnen und ihren Bekannten werde schon nichts passieren.

Und sie bereitet uns schon einmal auf ein etwas anderes Weihnachtsfest vor, schließlich gehe es auch nicht um eine „rührselige Weltflucht“. Weihnachten sei das Fest, in dem Gott den Menschen nahekommt – in diesem Jahr wohl vor allem im heimischen Wohnzimmer. Also: Aufräumen nicht vergessen, wie sieht das sonst aus?

Den Verlauf der jährlichen Landeshaushalte könnte man inzwischen auch Kant-mäßig unterteilen.

  • Vor Corona befanden wir uns in der „vorkritischen Periode“.
  • Aktuell würde der Titel „Versuch, den Begriff der negativen Größen in der Weltweisheit einzuführen“ ganz gut passen.
  • Und hoffentlich endet es nicht mit dem Werk „Das Ende aller Dinge“ (1794).

Wer seine gute Laune behalten möchte, schaut sich die aktuelle Steuerprognose lieber nicht so genau an, wobei der Wert der aktuellen Zahlen in unsteten Zeiten ohnehin nicht so ganz sicher einzuschätzen ist.

Nicht nur Finanzminister halten sich in diesen Zeiten am besten an ihren Kant: „Reich ist man nicht durch das, was man besitzt, sondern mehr noch durch das, was man mit Würde zu entbehren weiß.“

SPD-Fraktionschefin Johanne Modder hat angesichts der Horror-Zahlen noch einmal die Schuldenbremse in Frage gestellt:

„Wir müssen dringend die Debatte darüber führen, ob die Schuldenbremse in ihrer jetzigen Ausgestaltung sinnvoll ist. Es darf kein Kaputtsparen in der Krise geben.“

Im Straßenverkehr ist es meistens ja genau andersherum. Wenn man hier auf die Bremse verzichtet, ist am Ende meistens irgendwas kaputt – im dümmsten Fall man selbst.

Auf das scharfe Abbremsen setzt auch Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil. Nach der Bund-Länder-Videokonferenz ist vor der Bund-Länder-Videokonferenz. Und das Ziel für die nächste am 25.11. steht für Weil fest – es ist ein Inzidenzwert von 50. So sagte er es am Abend in der Landespressekonferenz (Foto unten).

Foto: MB.

Auf der Strecke müsse man sogar unter 35 kommen, erklärte Weil, was einem angesichts der aktuellen 7-Tages-Inzidenz von 103,4 die Schweißperlen auf die Stirn treiben kann.

Ellis Kaut, Erfinderin des Pumuckl, wäre heute 100 Jahre alt geworden. Ihr Kobold hätte an dieser Stelle gesagt:

„Meine Zähne klappern am meisten, obwohl sie am wenigsten frieren.“

Ich dagegen halte mich dennoch lieber an die Pumuckl-Maxime: „Pünktlich wird Radau gemacht: von morgens sieben bis halb acht.“

Ich wünsche Ihnen einen schönen Dienstag

Martin Brüning