Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) sieht ein neues Argument gegen die Überlegungen, den gravierenden Lehrermangel mit Mehrarbeit der Pädagogen oder mit einer Erschwerung von Teilzeitarbeit zu beantworten: der Stress mache die Lehrer krank, das sei stärker als in anderen Berufen. Wie aus der Krankenstatistik der Landesbediensteten für das Jahr 2021 hervorgehe, seien Lehrer deutlich häufiger krank gewesen als im Vorjahr.

Damit stehe die Entwicklung bei dieser Berufsgruppe im Gegensatz zu den anderen Beschäftigten des öffentlichen Dienstes. Für den stellvertretenden GEW-Landesvorsitzenden Holger Westphal ist das signifikant: „Wir dürfen diese Signale nicht übersehen und können nicht länger den massiven Lehr- und Fachkräftemangel auf dem Rücken der Beschäftigten austragen.“ Die „roten Linien der Arbeitsbelastung in den Schulen“ seien „schon längst überschritten“.

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Damit schließt sich für die GEW der Kreis zu der gerade laufenden Diskussion über Möglichkeiten, dem gravierenden Lehrermangel an den Schulen zu begegnen. Eine Kommission im Auftrag der Kultusministerkonferenz hatte unlängst mehrere mögliche Wege beschrieben – unter anderem den Einsatz von Verwaltungskräften und Lehramtsstudenten für entlastende Tätigkeiten, beispielsweise das Korrigieren von Klausuren. Darunter war auch die Idee, weniger Teilzeit-Arbeit zuzulassen als bisher. Dies stößt nun bei der GEW auf scharfe Kritik. „Einschränkungen bei der Genehmigung von Teilzeit-Anträgen würden das ohnehin schon angeschlagene System Schule kollabieren lassen. Viele Lehrkräfte benötigen diese Möglichkeit dringend, um den eigenen Alltag sowie die Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu organisieren“, sagt dazu Westphal.

Auch „andere Gedankenspiele wie die Arbeitszeiterhöhung per Zwang“ weise die GEW entschieden zurück. Bei dieser Stellungnahme lässt nun aufhorchen, dass sich die GEW nicht generell gegen die Aufstockung von Teilzeit-Verträgen wendet, sondern nur gegen eine Praxis, solche Anträge nicht mehr zu billigen. Wenn aber andere Umstände im Unterrichtsalltag den Effekt haben sollten, dass Lehrer aus eigenem Antrieb zu einer höheren Arbeitszeit bereit sind, dürfte die Gewerkschaft das wohl nicht ablehnen. Westphal spricht noch die „gesunderhaltenden Maßnahmen“ an, die nötig seien.



Quelle der GEW ist die aktuelle Krankenstatistik für den öffentlichen Dienst Niedersachsens, die sich auf 2021 bezieht und Ende 2022 vorgelegt wurde. Daraus geht hervor, dass die Mitarbeiter der Verwaltung insgesamt an 12,46 Tagen krank waren – gegenüber 12,7 Tagen im Jahr 2020. Die neuen Zahlen, auf die sich die GEW jetzt ergänzend beruft, konkretisieren nun die Berufsgruppen. So waren die Lehrer noch 2020 an durchschnittlich 9,51 Tagen krank, ein Jahr später stieg diese Zahl sprunghaft um 40 Prozent auf 13,51 Tage. Dies war allerdings, wie schon 2020, unter Corona-Bedingungen.

Eine nähere Analyse der Krankheitsarten wird nicht geliefert. Mit Bezug auf sämtliche Beschäftigte des Landes wird in der Aufstellung des Innenministeriums angegeben, dass etwa 20 Prozent bis zu drei Tage lang krank waren, rund 40 Prozent zwischen vier und 30 Tagen und ebenfalls rund 40 Prozent länger als 30 Tage. Dabei gilt für 2021, dass – wie schon im Vorjahr – die Erkältungskrankheiten zurückgegangen sind, da wegen Kontaktverboten und Mundschutz-Pflichten die Ansteckungen abgenommen haben. Auf der anderen Seite seien aber psychische Erkrankungen häufiger geworden. Inwieweit dies eine Ursache für den Anstieg der Krankheitstage bei Lehrern sein kann, wird aus den Angaben nicht deutlich.



Der Vize-Landesvorsitzende der GEW fordert eine „betriebliche Prävention mit Erholungsphasen, um wieder Stabilität in den Schulalltag zu bringen“. Dazu seien „umfassende Investitionen in das Arbeits- und Gesundheitsschutzsystem“ nötig.