Die Grünen-Europaabgeordnete Viola von Cramon aus Göttingen hat ihr Unverständnis über die aktuelle Ukraine-Politik der Bundesregierung geäußert. In einer Pressekonferenz der niedersächsischen Grünen erklärte sie in Hannover, gerade von einer zweiwöchigen Reise aus der Ukraine zurückgekehrt zu sein. „Wen immer ich dort getroffen und gefragt habe, alle haben gesagt: Wir erwarten von Deutschland, dass wir die Taurus-Flugkörper zügig geliefert bekommen.“ Von Cramon fügte hinzu: „Ich verstehe nicht, dass viele in Deutschland nicht verstehen: Wenn die Ukraine fällt, hat das massive Auswirkungen auf die Sicherheit bei uns hier.“

Niedersachsens Grünen-Doppelspitze Greta Garlichs (l.) und Alaa Alhamwi (r.) ziehen mit Viola von Cramon (Mitte) in den Wahlkampf. | Foto: Kleinwächter

Die Grünen und die FDP hatten in der Ampel-Koalition für die Taurus-Lieferung plädiert, eine entsprechende Entscheidung scheiterte allerdings am klaren Nein von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD). Die Grünen-Politikerin von Cramon sagte, dass sicher nicht nur das Taurus-Problem die Lage der Ukraine gegenwärtig erschwere, schwierig sei auch die nachlassende Bereitschaft zur Waffenlieferung in den USA. „Aber wenn es in den vergangenen Wochen ein robusteres Auftreten des Kanzlers gegeben hätte, hätte manches für die Ukraine besser laufen können.“

„Je stärker die Russen vordringen in der Ukraine, desto wahrscheinlicher wird ein neuer Flüchtlingsstrom nach Deutschland.“

Nach den Worten der Grünen-Politikerin könnte die Ukraine, wenn sie über Taurus-Waffen verfügen würde, ein Drittel des über die Krim laufenden Nachschubs für die russischen Angreifer unterbinden. Es wäre dann auch möglich, gegen die neuen Überschallwaffen der Russen, die über Kiew eingesetzt werden, vorzugehen. Die Pläne Putins, die ukrainische Infrastruktur systematisch zu zerstören, könnten so womöglich aufgehalten werden. Von Cramon berichtete davon, dass von sieben Wasserkraftwerken in der Ukraine bereits drei zerstört seien und mehrere große Städte nur noch eine sehr eingeschränkte Stromversorgung hätten.

„Je stärker die Russen vordringen in der Ukraine, desto wahrscheinlicher wird ein neuer Flüchtlingsstrom der Ukrainer nach Deutschland“, sagte die Europaabgeordnete. Die Unterstützung für die Ukraine sei deshalb ein zentrales Ziel zur Stärkung der EU und der demokratischen Freiheit. Die Grünen-Politikerin lobte unter anderem den „EU-Rechtsstaatsmechanismus“, mit dem es gelungen sei, dem ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orban EU-Zuschüsse vorzuenthalten als Sanktion für dessen Verletzungen der rechtsstaatlichen Ordnung. „Ich hoffe, dass die EU genauso konsequent vorgehen wird gegen den slowakischen Ministerpräsidenten Robert Fico, der bereits ähnlich agiert wie damals Orban“, sagt sie.

Der Landesparteitag der Grünen am kommenden Wochenende in Oldenburg steht ganz im Zeichen der Europawahl am 9. Juni. Die Vorsitzenden Greta Garlichs und Alaa Alhamwi rechnen mit einem „harten Wahlkampf“ – auch angesichts zunehmender Angriffe auf Wahlkämpfer der Grünen. „Wir werden sie besser schützen müssen“, sagte Garlichs. Beim Landesparteitag stehen mehrere Anträge zur Beratung an. Der Landesvorstand befürwortet einen Vorstoß der Bundesregierung zum Verbot der AfD, laut Garlichs gibt es jetzt bereits „genügend Gründe dafür“ – ohne dass sie diese aber näher erwähnte. Weitere Anträge fordern Umweltminister Christian Meyer (Grüne) auf, die Bauarbeiten am Schacht Konrad zu stoppen und den Antrag auf Widerruf des Planfeststellungsbeschlusses zu bescheiden.

Im Dezember 2023 hatte Meyer bereits eine andere Richtung eingeschlagen und den Antrag abgelehnt, allerdings nur vorläufig. Ein anderer Antrag fordert die Einführung eines „Transparenz-Gesetzes“, das Landes- und Kommunalbehörden zwingt, interne Akten öffentlich zugänglich zu machen. Mehrere Delegierte fordern eine Aufwertung der studentischen Mitarbeiter an Hochschulen, deren Verträge sollten mindestens zwei Jahre dauern und mit „existenzsichernden Löhnen“ vergütet werden. Das Hochschulgesetz solle entsprechend ergänzt werden. Ein anderer Antrag fordert, den Flächenverbrauch einzugrenzen und das im Kommunalen Finanzausgleich (KFA) zu belohnen.