Der SPD-Kandidat für das Amt des hannoverschen Oberbürgermeisters, Marc Hansmann, schlägt einen Neustart in der Bildungspolitik vor. Er regt als Modellversuch an, die 60 Grundschulen in Hannover von der Landeszuständigkeit in die Obhut der Stadt zu übertragen. Auf diese Weise, meint Hansmann, könne man die Betreuung der Kinder viel besser als bisher organisieren. Hansmann äußerte sich im Interview beim Besuch der Redaktion des Politikjournals Rundblick.

SPD-Kandidat Marc Hansmann beim Gespräch in der Rundblick-Redaktion

Rundblick: Wie läuft denn der Wahlkampf so?

Hansmann: Ausgesprochen gut! Ich bin ja schon seit Anfang Mai im Wahlkampfmodus. Das war noch zu einer Zeit, als die politischen Mitbewerber ihre Kandidaten noch nicht nominiert hatten. Das Format „Auf ein Wort“, das auch Stephan Weil nutzt, habe ich für meinen Wahlkampf modifiziert. Außerdem mache ich viele Hausbesuche.

Rundblick: Apropos Weil, sind Sie sein Ziehkind im Rathaus gewesen?

Hansmann: Nein, wir haben schon einen unterschiedlichen Stil. Aber von Stephan Weil habe ich eine Menge gelernt, zum Beispiel, dass jede Besprechung nicht länger als eine Stunde dauern sollte und entweder mit einer Entscheidung oder einem präzisen Arbeitsauftrag zu enden hat. So war immer jedem klar, wie es weitergeht. Das ist für einen so großen Apparat wie die Stadtverwaltung total wichtig.

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Rundblick: Sie waren sehr lange im Rathaus tätig, sind mit dem System verknüpft. Werden Sie im Wahlkampf auf die Rathausaffäre angesprochen, also auf die illegale Zulagenpraxis in der Amtszeit von OB Stefan Schostok?

Hansmann: Ein System vermag ich nicht zu erkennen, aber das müssen wir jetzt nicht ausdiskutieren. Die sogenannte Rathausaffäre spielt bei den Leuten eine erstaunlich geringe Rolle. Bei der sogenannten „Stadtgesellschaft“, auf Empfängen und Festen, da ist es schon ein Thema, ja. Auf der Straße gibt es auch einige wenige Politikverdrossene, die sagen, Schostok habe „sich eben erwischen lassen“, und eigentlich würden alle Politiker krumme Dinge machen. Aber die große Mehrheit der Leute interessiert viel mehr, was ich für Pläne für die Zukunft habe und nicht, was in der Zeit von Schostok passiert ist.

Rundblick: Es scheint doch so, als würden Sie selbst das Thema zum Thema machen. Wenn Sie auf Ihre Plakate schreiben, sie wollten „Hannover besser machen“, dann drückt das doch aus, dass es nicht gut gelaufen ist unter dem alten SPD-OB in der Stadt, oder?

Ich habe nie ein Auto besessen und meine es tatsächlich ernst damit  – anders als ein ehemaliger Automanager.

Hansmann: Das sehe ich anders. Hannover hat sich in den vergangenen Jahren hervorragend entwickelt. Hier herrscht eine gute Stimmung. Nur sage ich auch: Ich will es noch besser machen als es schon ist. Die Gesellschaft zu verbessern, das ist eine sehr sozialdemokratische Haltung.

Rundblick: Dann geben Sie doch mal ein Beispiel, was Sie besser machen wollen…

Hansmann: ich sehe die Schwächen des Bildungsföderalismus sehr deutlich. Viele Familien beklagen sich, wenn sie von einem Bundesland in das andere umziehen, über das bunte Nebeneinander der verschiedenen Schulsysteme. Nun will ich das nicht in Form einer Zentralisierung lösen, sondern in Richtung einer Kommunalisierung.

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Rundblick: Der Städtetag hat vor vielen Jahren mal ein solches Modell gefordert, aber eine wirkliche Debatte darüber ist nicht entstanden. Was genau schwebt Ihnen vor?

Hansmann: Als  Oberbürgermeister werde ich dem Land Niedersachsen vorschlagen, dass Hannover in einem Modellversuch die ungeteilte Zuständigkeit über die 60 städtischen Grundschulen übernimmt. Meinetwegen können wir das auch mit der Hälfte der Grundschulen ausprobieren und dann nach fünf Jahren wissenschaftlich evaluieren, welche Schulen sich besser entwickelt haben. Das hieße, die Stadt hätte das Sagen, könnte die heute oft spürbaren Brüche oder zumindest schwierigen Schnittstellen zwischen dem Unterricht vormittags (vom Land organisiert) und der Betreuung nachmittags (von der Stadt organisiert) beenden. Es wäre eine große Chance, Schule vom Kind her zu denken! Das könnte dann vielleicht auch heißen, dass die Lehrer städtische Beamte werden. Hier bin ich allerdings nicht festgelegt, die Dienstherreneigenschaft könnte auch beim Land bleiben.

Die sogenannte Rathausaffäre spielt bei den Leuten eine erstaunlich geringe Rolle.

Rundblick: Aber wenn man das macht, müsste man das doch wohl auch in kleinen Landkreisen wie Lüchow-Dannenberg tun. Wären solche Verwaltungen nicht mit der Aufgabe überfordert?

Hansmann: Ich werbe für einen Modellversuch. Wir sollen austesten, ob über eine Kommunalisierung die Verzahnung zwischen Unterricht und Betreuung sowie beispielsweise Landes- und kommunaler Sozialarbeit besser gelingen kann. Verbunden sein sollte es damit, den Schulen viel mehr Freiheiten zu lassen als bisher – was etwa den Umgang mit dem eigenen Budget angeht. Jede Schule sollte dann entscheiden, ob sie einen Ergotherapeuten anstellt oder doch besser das Geld in eine bessere Elternbetreuung steckt. In der Stadtverwaltung müsste jede Schule dann nur einen Ansprechpartner haben – nicht wie bisher vier oder fünf, verteilt auf unterschiedliche städtische Fachbereiche. Außerdem bin ich dafür, dass die Schulbegleiter, die sich beispielsweise um verhaltensauffällige Kinder kümmern, der jeweiligen Schule zugeordnet werden und nicht ausschließlich dem Kind, wie es bisher leider der Fall ist. So können diese Begleiter besser in die Arbeit der Schule integriert und flexibler eingesetzt werden.

Rundblick: Kommen wir zur Verkehrspolitik. Was unterscheidet Sie von Ihren Mitbewerbern?

Hansmann: Wir sind alle für die Förderung des Radverkehrs. Aber ich habe nie ein Auto besessen und meine es tatsächlich ernst damit  – anders als ein ehemaliger Automanager. Von dem Grünen unterscheidet mich, dass ich meinem Lebensstil nicht anderen Menschen überstülpen will.

Rundblick: Und in der Wohnungsbaupolitik?

Hansmann: Dass ich zusätzliche Flächen, auf denen der dringend benötigte bezahlbare Wohnraum gebaut werden kann, ins Gespräch bringe. Das gilt für das alte Deurag-Gelände in Misburg, eine Hinterlassenschaft des Zweiten Weltkriegs, und den Lindener Hafen. Dort müssten ein Tanklager und ein Schrotthändler verlagert werden. In der Schwarzen Heide in Stöcken wäre auch vieles möglich. In der Abwägung plädiere ich für Neubauflächen, nicht vorrangig für Verdichtung und Aufstockung von Häusern – denn damit erreichen wir keinen Befreiungsschlag.

Rundblick: Sie haben kein Auto und keinen Führerschein – und Fernsehsendungen schauen Sie, wie man hört, auch ganz selten. Was sind Sie für ein Mensch?

Hansmann: Ja, stimmt, ich schaue ganz wenig Fernsehen. Vieles lese ich in der Zeitung – und wenn meine Frau dann etwas im TV gesehen hat, über das ich nur gelesen habe, haben wir oft ganz unterschiedliche Wahrnehmungen. Mir fällt immer wieder auf, wie verkürzt die Darstellungen in den Medien sind, nicht nur im Fernsehen. Aber mit meiner Tochter schaue ich mir sehr gerne einen guten Film an oder gehe gemeinsam mit meiner Familie ins Kino.