Seit beinahe zwei Monaten wartet das Umweltministerium auf ein Gutachten, das Auskunft über den Umgang mit dem Wolfsrudel im Raum Cuxhaven geben soll. Die jungen Wölfe haben wiederholt Weidetiere – vor allem Rinder – angegriffen und schwer verletzt oder getötet. Spätestens seit dem Sommer wird ihr Fall in der Landespolitik heftig diskutiert, ihr Schicksal wird deshalb zur Blaupause für den künftigen Umgang mit dem Wolf in Niedersachsen werden. SPD und CDU haben in ihrem Koalitionsvertrag schon deutlich gemacht, dass sie die Zügel straffer zu ziehen gedenken. So sollen wiederholte Nutztierrisse als Grund für eine Tötung gelten und an den Deichen sollen „wolfsfreie Zonen“ eingerichtet werden. Wie viel davon allerdings umgesetzt wird, bestimmen auch der Bund und die Europäische Union maßgeblich mit. Denn der Wolf als vom Aussterben bedrohte Tierart genießt den höchsten Schutzstatus des europäischen Artenschutzrechts. Deshalb dürfte das Gutachten der Dokumentations- und Beratungsstelle des Bundes zum Wolf (DBBW) über das Schicksal des Cuxhavener Rudels auch einen deutlichen Einfluss auf die künftigen Vorstöße zur Lockerung des Umgangs mit dem Wolf ausüben. Wann das Gutachten jedoch kommen soll, ist noch unklar.

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Eine hohe Arbeitsbelastung soll der Grund sein, warum das Gutachten der DBBW noch nicht fertig ist. Eine Sprecherin des Bundesamts für Naturschutz, zu dem die DBBW gehört, sagte auf Rundblick-Anfrage, dass nur zwei Mitarbeiter Vor-Ort-Besuche machten und Gutachten schrieben. Diese seien zurzeit wegen der vielen Problemfälle mit Wölfen in ganz Deutschland stark ausgelastet. Einer dieser Fälle ist etwa der einer Wölfin in Thüringen, die sich mit einem Hund gepaart hatte und Ende Oktober sechs Hybride zur Welt gebracht hatte. Wann die Cuxhavener Wölfe an die Reihe kämen und das Umweltministerium das Gutachten zugestellt bekomme, sei ungewiss. „Da gibt es bisher keinen Termin“, sagt die Sprecherin.

Das Gutachten wird eine wesentliche Entscheidungsgrundlage für den neuen Umweltminister sein, was mit den Cuxhavener Wölfen passieren soll. Ist es legitim, sie zu erschießen, weil sie wiederholt Nutztiere gerissen haben –  oder hat das keinen Einfluss auf den Schutzstatus? Die Entscheidung über das Rudel – obwohl für den Einzelfall getroffen – wird auch Auswirkungen auf künftige Fälle haben. Sollte das DBBW den Abschuss empfehlen, so wird der wiederholte Riss von Nutztieren als artfremdes Verhalten definiert werden können. Da in Niedersachsen noch mehr Wölfe umherstreifen, die sich öfter an Nutzieren vergreifen, könnte die neue Definition auch für sie das Todesurteil bedeuten. Dazu kommt die Frage, ob man nur einzelne Tiere töten darf oder ein ganzes Rudel. Ministerpräsident Stephan Weil hatte im Oktober deutlich gemacht, dass auch Rudel getötet werden könnten, wenn die Tiere sich nicht so verhalten, wie Wölfe es gemeinhin tun. Dabei sprach er von Einzelfallentscheidungen. Die erste Einzelfallentscheidung öffnet jedoch die Tür zur generellen Möglichkeit.